Logistik

John-Deere-Traktoren: Per Schiff aus Mannheim in die Welt

Landwirte rund um den Globus fahren Traktoren „made in Mannheim“. Damit die Maschinen heil ankommen, ist Präzisionsarbeit gefragt. Ein Besuch im Rheinauhafen.

Von 
Alexander Jungert und Tatjana Junker
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Rund 240 Traktoren passen auf das Rheinschiff „Dynamica“, mit dem die Landmaschinen zu den großen Nordseehäfen gebracht werden. © Oliver Tjaden

Schwungvoll rollt der grüne Traktor rückwärts die Rampe hinab, direkt hinein in den leeren Schiffsbauch. Dort steuert der Fahrer die John-Deere-Maschine zielsicher in die hinterste Ecke. So nah es geht, stellt er das Fahrzeug an der Schiffswand ab. Schließlich sollen so viele Traktoren wie möglich in den Frachtraum passen. Während der Fahrer aussteigt, kommen Kollegen schon mit den nächsten Fahrzeugen angerollt. In Zentimeterarbeit parken sie die Maschinen eine nach der anderen in Reihen hintereinander.

Mannheim-Rheinau, ein kalter Wintermorgen im Hafen. Marc Flösser, Bereichsleiter Transportlogistik bei John Deere in Europa, und Uwe Veith, Geschäftsführer von Rhenus Port Logistics Rhein-Neckar, stehen auf einem riesigen Platz zwischen hunderten Traktoren. Die Landmaschinen sind unterschiedlich groß und in verschiedenen Ausführungen, aber alle haben den gelben, springenden Hirschen von John Deere als Markenzeichen. Nach und nach werden sie aufs Schiff geladen, das dauert mehrere Stunden. „Von hier aus verschicken wir unsere Mannheimer Traktoren in alle Welt“, sagt Flösser. Seit der Mitte der 1970er Jahre arbeitet der Landmaschinenhersteller mit externen Logistikunternehmen und seit 2012 mit Rhenus zusammen.

Mitarbeiter brauchen Führerschein für verschiedene Fahrzeuge

Gefertigt worden sind die Traktoren im John-Deere-Werk auf dem Lindenhof, der größten Fabrik des Konzerns außerhalb seines Heimatmarkts USA. Je nach Marktlage werden hier zwischen 27.000 und über 40.000 Traktoren pro Jahr gefertigt, ein großer Teil geht in den Export.

Insgesamt passen jeweils bis zu 240 Traktoren - je nach Modellgröße - auf die mehr als 200 Meter langen Verbundschiffe MS Vera und MS Dynamica. Sie bestehen je aus einem Leichter, einer Art Anhänger, und dem Schubschiff. Vom Rheinauhafen aus treten die Landmaschinen „made in Mannheim“ zwei Mal pro Woche ihre Reise zu Kunden in aller Welt an. Die grünen Schlepper haben alle möglichen Destinationen: China, Australien, USA.

Manchmal werden neben den Traktoren auch noch andere Fahrzeuge auf das Rheinschiff geladen: zum Beispiel Elektrobusse aus dem Mannheimer Werk von Daimler Buses oder Lastwagen von Daimler Truck aus Wörth. Die Mitarbeiter von Rhenus müssen entsprechend alles fahren können: Sie brauchen einen Traktor-Führerschein, einen Lkw-Führerschein, einen Bus-Führerschein.

In Rotterdam verlassen die ersten Traktoren das Schiff

„Der Kapitän des Schiffes hat einen sogenannten Stauplan, welchen er von Rhenus erhält“, erklärt Veith. Wo kommt welcher Traktor hin? Welche Fahrzeuge werden zuerst entladen? Die Maschinen stehen Stoßstange an Stoßstange. Jeder noch so kleinste Platz wird ausgenutzt. Gleichzeitig muss das Schiff stabil im Wasser „stehen“. Während immer mehr Traktoren die Rampe hinunterrollen und zwischen gelb markierten Linien abgestellt werden, sagt Flösser: „Die Traktoren sind über die Jahre immer größer, breiter und schwerer geworden. Früher konnten wir noch vier Reihen im Schiff laden, heute planen wir nur noch mit drei.“

Erstes Ziel des Rheinschiffs ist Rotterdam in den Niederlanden. 30 Stunden braucht die MS Dynamica etwa dorthin. Hier werden die Traktoren entladen, die nach England, Schottland oder Irland geliefert werden sollen. Dann geht es weiter nach Antwerpen (Belgien). Von hier aus deckt John Deere den Asien-Pazifik-Raum ab: zum Beispiel Japan, Südkorea, Südafrika.

Der Großteil der Schlepper ist allerdings für den US-Markt bestimmt. 70 bis 80 Prozent der etwa 15.000 Traktoren, die jedes Jahr in Mannheim verschifft werden, werden dorthin geliefert. Sie werden in Antwerpen ebenfalls abgeladen und legen dann ein kurzes Stück ihrer langen Reise per Lkw zurück, ins belgische Zeebrügge. Dort geht es schließlich auf einem Seeschiff, genannt „RoRo-schiff“, übers Meer. „RoRo“ steht für „Roll on, roll off“, die Ladung wird also auf das Schiff gefahren. Gegenteil ist das „LoLo“-Verfahren, bei dem Güter per Kran verladen werden.

Rückwärts rollen die Traktoren auf das Schiff. Beladen werden sowohl das Oberdeck als auch das Innere des Schiffes. © Oliver Tjaden

20 Tage braucht ein Traktor bis in die USA - wenn alles glatt läuft

Bis zum Zielhafen Baltimore an der Ostküste der USA unweit der Hauptstadt Washington D.C. dauert es vom Startpunkt Mannheim aus etwa 20 Tage - wenn alles optimal läuft, sagt Flösser. Dafür müssen zum Beispiel die Anschlüsse an den verschiedenen Häfen reibungslos klappen. Bevor die Traktoren „in See stechen“ - also in Zeebrügge verladen werden dürfen, müssen sie 48 Stunden im Hafen stehen. Das sehen laut Flösser die Regularien vor.

In dieser Zeit kann John Deere auch letzte Handgriffe erledigen. So werden die Traktoren teilweise eingewachst, damit sie während der Überfahrt vor dem Salzwasser geschützt sind. Beim Händler wird die Schutzschicht später wieder wegpoliert. Während der Wartezeit am Hafen können außerdem letzte Spezialteile montiert werden, wie beispielsweise ein zweites Reifenpaar.

Für John Deere hat sich der Weg per Schiff auf dem Rhein zu den Nordseehäfen seit Jahrzehnten bewährt.

Der Mannheimer Hafen bietet drei entscheidende Vorteile:

  • Kurze Wege. Der Rheinauhafen ist etwa sieben Kilometer vom Werk auf dem Lindenhof entfernt, also quasi vor der Haustür.
  • Klimaschutz. Das Unternehmen transportiert allein auf dem Schiff wie erwähnt jährlich zirka 15.000 Traktoren. „Wir müssten im Monat 500 Lkw beladen, um die Schiffe zu ersetzen“, erklärt Flösser. Seinen Angaben nach spart der Schiffsweg im Vergleich zum Lkw-Transport 70 Prozent der CO2-Emissionen. Zudem würden die Straßen geschont.
  • Bedienung der Märkte. Von Mannheim aus in die Welt. . . „Für uns ist der Hafen ein idealer Ausgangspunkt für alle Märkte, die wir abdecken“, sagt Flösser.

Flösser und Veith sind überzeugt, dass der Schiffsweg der sicherste Weg ist, um die Traktoren zu transportieren. Außer der Besatzung kommt niemand an die Ladung ran - anders als bei einem Lkw, der bei einer Pause auf dem Autobahn-Rasthof steht. Zudem gibt es keinen Steinschlag wie auf der Straße.

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Eine existenzielle Bedrohung durch Niedrigwasser auf dem Rhein sieht Veith nicht. „Das ist kein Grund, den Verkehrsträger in Frage zu stellen“, sagt er. „Die Schiffe sind schon jetzt so gebaut, dass wir auch noch bei niedrigen Wasserständen fahren können.“ Im Zweifel würden eben weniger Maschinen verladen und anders an Bord verteilt. Ohnehin gebe es im Sommer, wenn Niedrigwasser am ehesten drohe, zeitweise weniger zu verschiffen - denn die Nachfrage nach Traktoren ist dann am geringsten.

John Deere und Rhenus prüfen, künftig auf dem Weg vom Werk zum Hafen Elektro-Lkw einzusetzen. Auch die Schiffe sollen umweltfreundlicher werden. Momentan setzt die Branche bei Diesel-Schiffen auf moderne Katalysatoren oder LNG (Flüssigerdgas). In Zukunft könnte zum Beispiel auch ein batterie-elektrischer oder Brennstoffzellen-Antrieb möglich sein. Für den Containertransport baut Rhenus nach eigenen Angaben aktuell drei solcher Schiffe mit Wasserstoff- und batteriegestütztem Antrieb.

Weniger Traktoren in Mannheim gebaut

Wegen sinkender Nachfrage wurden 2024 im Mannheimer John-Deere-Werk weniger Traktoren gebaut als noch im Jahr zuvor.

Auch für 2025 erwartet der Landmaschinenhersteller ein sinkendes Produktionsvolumen am Standort. Das hatte Europa-Chefin Deanna Kovar im November angekündigt.

HIntergrund seien nach wie vor schwächelnde Märkte in Europa und den USA , die die Mannheimer Fabrik vor allem beliefert.

Konzernweit rechnete das US-Unternehmen zuletzt für 2025 mit einem sinkenden Nettogewinn . Im vergangenen Jahr lag er bei rund 7,1 Milliarden US-Dollar. Das waren etwa 30 Prozent weniger als im Jahr 2023.

In Mannheim beschäftigt John Deere mehr als 3300 Menschen , in Walldorf etwa 450.

Der Blick richtet sich zudem auch auf das autonome Fahren, denn der Fachkräftemangel ist spürbar. Nicht jeder will den Job machen. Zwar kann es romantisch sein, auf dem Schiff in den Sonnenuntergang hineinzufahren. „Aber man ist teilweise wochenlang unterwegs und von der Familie getrennt“, sagt Veith. „Autonomes Fahren könnte auch helfen, diesen Beruf attraktiver zu machen.“ Auf dem Rhein besteht die Mannschaft eines Schiffes in der Regel aus fünf Personen, auf dem Meer sind es bis zu 25.

Wenn das Binnenschiff aus den Niederlanden zurückkommt, hat es unter anderem auch Traktoren aus dem amerikanischen Werk Waterloo an Bord. Dort werden die 7er, 8er und 9er-Traktorserien gebaut. Etwas größere Maschinen als die in Mannheim gebaute 6er Reihe.

Flösser und Veith können vermutlich nicht mehr zählen, wie oft sie das Verladen der Traktoren gesehen haben. Es fasziniert sie jedes Mal aufs Neue. Der Stauplan für die nächste Fahrt ist schon fertig.

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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