Frankfurt. Am Schluss feierten die Anderen. Was als große Champions-League-Party für Eintracht Frankfurt geplant war, endete in wilden Feierlichkeiten vor der ausverkauften Gästekurve. Die Profis des FC St. Pauli rannten direkt nach dem Abpfiff ausgelassen zu den eigenen Fans. Das verdiente 2:2 am Sonntag in Frankfurt dürfte den Hamburgern bei drei Punkten und 13 Toren Vorsprung auf Heidenheim vor dem letzten Spieltag mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Klassenerhalt reichen, während die Eintracht auch die zweite Chance, mit einem Sieg die Qualifikation für die Königsklasse perfekt zu machen, ausließ.
„Das haben wir uns definitiv anders vorgestellt. Heute sind sehr viele Menschen enttäuscht“, sagte Eintracht-Kapitän Kevin Trapp. Der 4:2-Auswärtssieg von Borussia Dortmund bei Bayer Leverkusen hatte den Druck auf die Hessen schon vor dem Anpfiff erhöht.
Durch das Remis gegen die sehr robuste Mannschaft des FC St. Pauli gehen die Frankfurter (57 Punkte/+20 Tore) mit drei Zählern Vorsprung auf den Fünften BVB (54/+17) in ein kleines „Endspiel“ um die Champions League beim Vierten SC Freiburg (55/-2). Ein weiteres Unentschieden reicht der SGE zwar auf jeden Fall, bei einer Niederlage könnten allerdings neben dem Sportclub auch die formstarken Dortmunder mit einem Sieg im Heimspiel gegen Holstein Kiel am letzten Spieltag noch vorbeiziehen. Das wäre sehr bitter.
Frühe Führung bringt keine Souveränität, es fehlen Ideen
Die spürbare Vorfreude im Stadion auf die mit den Händen zu greifende große Chance auf die Königsklasse – übrigens zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte über eine Platzierung in der Liga – mündete auf dem Platz gegen St. Pauli in Verkrampfung. Das frühe 1:0 durch Rasmus Kristensen (1.) gab den Frankfurtern nicht die notwendige Souveränität, die Kiez-Kicker drehten die Partie noch vor der Pause durch Tore von Manos Saliakas (4.) und Morgan Guilavogui (16.). „Die beiden Gegentore sind zu einfach. Beim zweiten Tor gehen wir zu viel Risiko“, tadelte Sportchef Markus Krösche.
Gegen den tief stehenden Abwehrblock der Hamburger fehlten Tempo und Ideen. Der verletzte Mario Götze (Saisonaus nach Muskelfaserriss) wurde schmerzlich vermisst. Immerhin verhindert der zur Pause eingewechselte Michy Batshuayi (71.) mit seinem Ausgleichstreffer Schlimmeres. Ein weiteres Tor kurz vor Schluss bekam der Belgier aberkannt, weil ihm der Ball unglücklich an die Hand gesprungen war (87.).
Beginnen jetzt die Köpfe zu rattern, nachdem die Eintracht schon beim 1:1 in Mainz in der Vorwoche die Champions League mit einem Sieg hätte perfekt machen können? Trainer Dino Toppmöller wiegelte ab. „Freiburg muss uns überholen mit einem Sieg. Wir spielen mit Sicherheit nicht auf ein Unentschieden. Das ist nicht möglich. Die Ausgangsposition ist für uns besser als für Freiburg. Schauen wir mal, was passiert“, sagte Toppmöller.
Der 44-Jährige gestand aber ein, dass es im Breisgau auch auf die mentale Komponente ankommen wird. „Natürlich ist es jetzt dann dieses Finale. Ich habe den Jungs gesagt, wir brauchen einfach eine gute Mischung aus diesem totalen Fokus und einer gewissen Lockerheit. Wenn du zu viel willst und in diese Verkrampfung kommst, kannst du deinen Fußball nicht auf den Platz bringen“, sagte der Eintracht-Coach.
Erinnerungen an das Trauma von Rostock 1992
Auf das Drama am Ende hätten die Frankfurter liebend gerne verzichtet. Allein die Teilnahme an der Gruppenphase der Champions League könnte 55 Millionen Euro in die Kasse der Hessen spülen. Plus Zuschauereinnahmen, plus mögliche Punktprämien.
Es wäre ein weiterer Quantensprung bei der Entwicklung dieses seit Jahren aufstrebenden Vereins, der sich anschickt, ein festes Mitglied unter den Spitzenteams der Bundesliga zu werden. Sollte es nach einer guten bis sehr guten Saison letztlich aber doch nur für Platz fünf und die Europa League reichen und die Eintracht am letzten Spieltag abgefangen werden, könnten die mentalen Spätfolgen dieses Nackenschlags die Hessen bis in die nächste Saison begleiten.
Trapp bleibt gelassen trotz Frankfurter Nervenkitzel
Das aufkeimende Grübeln befeuert einige historische Beispiele, bei denen der Eintracht im entscheidenden Moment die Nerven versagten. Das Trauma der am letzten Spieltag in Rostock vergeigten Meisterschaft 1992 thront über allen Misserfolgen, aber auch unter den Trainern Adi Hütter und Oliver Glasner gelang trotz teils guter Ausgangspositionen nie die Qualifikation für die Königsklasse über die Bundesliga. Champions League spielte die Eintracht nur in einer Saison – nach dem Triumph in der Europa League 2022.
Torhüter Trapp gab sich jedoch betont gelassen und verwies auf die Eigenheiten dieses Clubs. „Ich bin jetzt seit 13 Jahren bei der Eintracht und weiß nicht, wann ich zum letzten Mal in einen letzten Spieltag gegangen bin, wo irgendetwas schon klar war. Das ist einfach Frankfurt, auch wenn es Nerven kostet“, sagte der Kapitän. In Freiburg sollen dann aber nicht die Anderen, sondern die Eintracht-Profis selbst feiern.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport/vereine_artikel,-eintracht-frankfurt-warum-bei-eintracht-frankfurt-die-koepfe-zu-rattern-beginnen-_arid,2303707.html