Historisches

Zweiter Weltkrieg: Wie Pilotinnen Geschichte schrieben

Sie riskierten ihr Leben für ihr Land – doch lange blieben sie vergessen: Wer waren die „Nachthexen“ und welche US-Pilotinnen kämpften für Anerkennung?

Von 
Manfred Loimeier
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Auch auf US-amerikanischer Seite arbeiteten Frauen während des Zweiten Weltkriegs in Militärbetrieben, hier Flugzeugfabriken, und kämpften so auch um das Leben ihrer Männer. Und womit Barack Obama berühmt wurde – "Yes we can" –, das wussten diese Frauen schon lange. © Manfred Loimeier

Camarillo. Es war ein Tag im Oktober vor vielen Jahren. Damals, 1941, beschloss Marina Raskowa, eine erfahrene Pilotin und Majorin der Sowjetarmee, ein Fliegerregiment aufzustellen, eines, das nur aus Frauen besteht. Und es dauerte gar nicht lange, da gab es gleich drei Einheiten, darunter mit dem 588. Nachtbomberregiment (NB588) eine Abteilung, die besonders bekannt und seitens Deutschland – besser: des Deutschen Reichs – besonders gefürchtet werden sollte.

Die Pilotinnen dieses Nachtbomberregiments kamen aus der zivilen Luftfahrt oder waren Mitglieder in zivilen Flugclubs. Und die Navigatorinnen, zuständig unter anderem für Flug- und Wetterdaten, kamen frisch von Hochschulen oder vormilitärischen Schulungseinrichtungen. Sie alle hatten sich freiwillig gemeldet, sie alle waren gerade mal um die 20 Jahre alt. Bereits ab Februar 1942 wurden sie trainiert, ab Juni desselben Jahres starteten sie ihre Flüge.

Kleine Flugzeuge, wendig und lautlos im Anflug

Die Maschinen, mit denen sie nachts Richtung Deutschland flogen, waren kleine Doppeldecker, ursprünglich gedacht zum Einsatz im Flugunterricht oder in der Landwirtschaft. Unter dem Rumpf und den Tragflächen fanden zunächst kleinere Bomben Platz, die von den Navigatorinnen in der Kabine schlicht mit einem Stahlseil gelöst wurden. Eine einfache, höchst praktikable Konstruktion.

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Weil die Flugzeuge klein waren, genügten kurze Start- und Landebahnen, und weil sie nicht nur klein, sondern damit auch sehr wendig waren, hatten es die schnellen Jagdflugzeuge der deutschen Wehrmacht schwer, sie abzuschießen. Und so starteten die Frauen bei Nacht, in der Regel mehrmals, flogen durchaus weit in das deutsche Gebiet, schalteten kurz vor dem Bombenabwurf den Motor ab und segelten lautlos und damit schwierig auszumachen ans Ziel.

Von den Schwierigkeiten der Erinnerung

„Stalins Falken“ wurden diese Pilotinnen in der Sowjetunion genannt, „Nachthexen“ hießen sie auf deutscher Seite. Ein halbes Dutzend Mal starteten sie jeweils pro Nacht, und manches Mal kamen sie doch mit Schusslöchern in ihren Maschinen zurück. 23 Pilotinnen wurden so zu „Heldinnen der Sowjetunion“, nur neun von ihnen überlebten den Krieg.

So dauerte es bis ins Jahr 1981, bis eine russische Regisseurin, einst selbst eine der Pilotinnen, einen Film über diesen jahrelangen Einsatz der Frauen drehte. 1982 kam dann in der DDR die deutschsprachige Übersetzung einer weiteren russischen Dokumentation heraus, im bundesrepublikanischen Westen war das damals kein Thema. Zwei englischsprachige Bücher folgten in Großbritannien und in den USA.

Würdigung sogar in US-amerikanischem Museum

Und dort, in Kalifornien, erinnern heute die Fotowände eines US-Museums an die russischen Heldinnen des NB588. Aber nicht nur an diese. Denn auch auf US-amerikanischer Seite waren Frauen in der Luftwaffe im Einsatz, allen voran Jacqueline „Jackie“ Cochran. Mehr als 100 Mal flog sie über den Atlantik, und ab 1943 leitete sie die „Women‘s Auxiliary Ferrying Squadron“. Job dieser schließlich 1074 US-Pilotinnen war es, diese Kriegsflugzeuge aus den USA nach Großbritannien zu bringen, wo sie dann von Kampfpiloten übernommen wurde. Nur 38 Pilotinnen kamen dabei ums Leben.

Veteranen für Frieden

  • Das Commemorative-Air-Force-Museum in Camarillo, Kalifornien, wird von einem gemeinnützigen Verein betrieben, dessen Ziel es ist, einerseits alte Flugzeuge zu erhalten und zu zeigen und andererseits mit dem angegliederten World War II. Aviation Museum vor den Grauen von Kriegen zu warnen.
  • Das Personal besteht aus Freiwilligen , meist ehemaligen (Kriegs-)Piloten, die neben dem Blick für die Technik auch die Erfahrung mit belastenden Erlebnissen mitbringen.
  • Das Museum ist freitags und samstags von 10 bis 16 Uhr geöffnet , an Sonntagen von 12 bis 16 Uhr. An manchen Wochenenden werden Flugshows veranstaltet.
  • Mehr Info: Camarillo Airport, Highway 101, Camarillo; https://www.cafsocal.com/museum

Erst 1977 wurden die US-Pilotinnen als Veteraninnen anerkannt, erst im Jahr 2009 für den Dienst an ihrem Land geehrt und vom US-Kongress und von Präsident Barack Obama mit einer Medaille geehrt. Und vielleicht hing das mit dem berühmten Satz „Yes we can“ zusammen, der Obama auf die Spur der Frauen brachte und den Obama in seiner Antrittsrede 2008 berühmt machte. Denn dieser einprägsame Satz geht zurück auf den Appell „We Can Do It!“ weiterer Frauen im Einsatz für die US-Kriegswirtschaft. Diese ersetzten in Flugzeugfabriken die männlichen Arbeitnehmer, die zum Kriegseinsatz abberufen worden waren, und sie übernahmen deren Tätigkeiten.

Im doppelten Einsatz – für das Land wie für die Ehemänner

Nicht selten, so heißt es auf einer der Bildtafeln in dem Museum in Kalifornien, übertraf die Arbeit dieser Frauen auch in Details die Präzision und Ausdauer der Qualität der von den Männern bis dahin erstellten Produkte – engagierten sich die Frauen doch nicht nur für ihr Land, sondern, wie es vor Ort heißt, auch für das Leben ihrer Männer.

Blöde nur, dass ihr „We Can Do It!“ lange in Vergessenheit geriet, als der Krieg vorbei und die Männer zurück waren. 1964 und 1991 erschienen noch Bücher über ihr Wirken, aber ihr Slogan ist heute mit einem männlichen Namen verknüpft. Es sei denn, es gelingt, den Bogen von Angela Merkels „Wir schaffen das“ zurückzuspannen zu den Heldinnen von damals.

Redaktion Geschäftsführender Redakteur und Mitglied der Chefredaktion

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