Mannheim. Ein Autokennzeichen hat er noch nicht. Dazu steht ein Wertgutachten aus, so ist das Vorschrift. Aber er fährt - endlich. Seit 2016 haben Ehrenamtliche vom Kurpfälzer Verein für Feuerwehrgeschichte das historische Tanklöschfahrzeug, als TLF 16-3 von 1966 bis 1980 bei der Berufsfeuerwehr im Einsatz, völlig zerlegt und komplett restauriert. Es dokumentiert einen wichtigen Abschnitt der Fahrzeuggeschichte der Feuerwehr Mannheim.
Anstrengend sei es, das etwa neun Tonnen schwere, in glänzend rot lackierte Fahrzeug zu steuern, sagt Frank Kälble, als er aussteigt. „Da muss man richtig ins Lenkrad greifen“, sagt er: „Da weiß man, warum man früher Kraftfahrer gesagt hat.“ Aber er wie alle Aktiven sind richtig stolz, was sie da geschafft haben. „Ein tolles Gefühl“, sagt Volker Rausch, der einzige Kfz-Mechaniker in der Runde. Alle anderen haben andere Berufe und sich das, was für die Restaurierung nötig war, angeeignet. Schon daher sei es „schon ein unheimlich schönes, ein erhebendes Gefühl“, bekräftigt Klaus Hartmann, der sich als Hobbyschreiner um alle Holzarbeiten kümmerte und allein rund 23.500 Löcher in Hartschalenplatten gebohrt hat, um damit die Mannschaftskabine des historischen Pullmann-Tanklöschfahrzeugs neu auszustatten.
Vom Wrack zum glänzend lackierten Oldtimer
Dabei sah der Oldtimer anfangs aus wie ein Wrack. Sechs speziell für die Feuerwehr Mannheim angefertigte Tanklöschfahrzeuge mit dem Aufbau der Firma Pullmann hatte es einst gegeben, dieses Exemplar ging nach der Außerdienststellung 1980 an die Werkfeuerwehr PWA Mannheim (heute Essity) und von dort zu einem Privatsammler. Es sah sehr heruntergekommen aus, als Feuerwehrleute mit Liebe zu historischen Fahrzeugen und ihrer Geschichte es entdeckten. Aber es gelang, es 2007 mit Hilfe von Spenden anzukaufen und vom Niederrhein wieder nach Mannheim zu holen.
„Dann begann die Odyssee der Stellplätze“, erinnert sich Markus Appel, denn mal stand der Oldtimer da, mal dort, nirgendwo so richtig. Als ein Platz auf der Feuerwache Nord gefunden wurde, begannen ein paar Interessierte, „daran ein bisschen rumzuschrauben“, denkt Jens Stiegel an die Anfänge zurück, damals Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, Abteilung Nord, und heute stellvertretender Chef der Berufsfeuerwehr. Aber viele Kollegen hätten gelästert, von „Leiche“ und „Schrottplatz“ gesprochen.
Heute glänzt das Fahrzeug im damals verwendeten, dunkelroten Lack, und bis hin zur Aufschrift „Branddirektion Mannheim“ ist alles in vielen Details originalgetreu restauriert. 2009 erfolgte die Gründung des Kurpfälzer Vereins für Feuerwehrgeschichte, 2016 begann die planmäßige Restaurierung des ehemaligen Tanklöschfahrzeuges, wofür die Mitglieder ab 2019 in einer ehemaligen, denkmalgeschützten Wagenhalle der Stem-Kaserne Seckenheim sich eine eigene Unterkunft mit Werkstatt aufgebaut haben.
Inzwischen besteht ihre Sammlung aus sechs historischen Fahrzeugen und vier Anhängern, auf den T-Shirts tragen sie aber immer noch stolz die Bezeichnung „Pullmannwerkstatt“. In dem TLF 16-3 steckten neben rund 15.000 Euro aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen sowie ganz vielen Sachleistungen von Sponsoren vor allem der meiste Schweiß, die meiste Liebe zum Detail, die meiste Zeit.
Mit Liebe zum Detail über 11.000 Stunden restauriert
Grob 11.000 Stunden hat Hartmann ausgerechnet - nur für dieses Fahrzeug, ohne Werkstatteinrichtung, ohne Veranstaltungen. „Wir dachten am Anfang mal, dass es eineinhalb Jahre dauert“, weiß Appel noch. „Aber immer, wenn wir irgendwo etwas wegmontiert haben, wurde es schlimmer, kam etwas dazu“, seufzt Jens Stiegel. Sein Sohn Max kam als Elfjähriger dazu, jetzt ist er 20. „Aber ich habe unheimlich viel gelernt dabei“, betont er. Aber schließlich hat sich die aus etwa einem Dutzend Männer und Frauen bestehende ehrenamtliche Werkstattgruppe „nie nur mit der zweitbesten Lösung zufriedengegeben“, wie Hartmann hervorhebt, sondern gewerkelt, getüftelt und geforscht, bis man dem Original so nah wie möglich kam.
Das betrifft nicht nur Karosserie, Aufbau, Innenausstattung - aus Holz (!) - und jeder Farbton der Lackierung, sondern auch die geladenen Geräte. So sind Äxte, Spaten und Leinen, Schläuche und Strahlrohre aus den 1960er Jahren verlastet, ebenso die bis in die 1970er Jahre eingesetzten blechernen Atemschutzgeräte (damals „Sauerstoffschutzgerät“ oder „Heeresatmer“ genannt) oder uralte Schaummittelkanister. „Die haben wir zufällig auf einem Teilemarkt gefunden bei einem ehemaligen Feuerwehrmann, der genauso verrückt ist wie wir“, erzählt Stiegel lachend.
Mannheimer Feuerwehr als Vorreiter der Mobilität
Allerdings ist das nicht nur Leidenschaft und Liebhaberei, es hat einen tieferen Grund. Die Kisten sind eine Erfindung von Georg Mikus, Mannheimer Branddirektor der frühen 1930er Jahre. „Er hat das Normungswesen bei der Feuerwehr mit eingeführt und vorangebracht“, so Markus Appel. Die erste deutschlandweit geltende Norm für ein Löschfahrzeug sei 1934 in Mannheim entstanden. Und Gert Magnus, Mannheimer Branddirektor 1945 bis 1971, hat unzählige Innovationen von Rollläden statt Türen an den Löschfahrzeug-Geräteräumen bis zum Wechsellader-System eingeführt sowie viele Normen geprägt. Er hat auch vorgegeben, wie die Tanklöschfahrzeuge aussehen sollen - es ist das erste serienmäßige Löschfahrzeug mit Rolläden. Daher habe das Fahrzeug historische Bedeutung, unterstreicht Appel.
Schließlich sei die Mannheimer Feuerwehr immer Vorreiter bei der Mobilität gewesen. 1891 gegründet, ist sie nur kurz mit einem von Hand zu ziehenden Gerätewagen unterwegs. Schon 1894 kauft Mannheim einen mit Pferden zu bespannenden Mannschafts- und Gerätewagen. 1904 schreibt die Mannheimer Feuerwehr Geschichte – sie fährt ab da ein Elektroauto, das erste selbstfahrende Löschfahrzeug überhaupt einer Feuerwehr im heutigen Baden-Württemberg.
„Stuttgart hat das da noch nicht gehabt“, lästert der Vorsitzende. Die Kohlensäurespritze wird von einer Batterie angetrieben, die eine Reichweite von 25 Kilometern aufweist. 1907 folgt die erste selbstfahrende Dampfspritze, 1908 das erste mit Benzin angetriebene Auto. „Das war eine enorme Entwicklung in kurzer Zeit“, betont Appel. Auch wegen dieser Vorreiterrolle wolle der Verein, soweit möglich, historische Fahrzeuge erhalten und ausstellen, in seinem Seckenheimer Domizil ebenso wie bei Tagen oder offenen Tür oder auf dem Maimarkt.
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