Venedig. Der Ansturm auf die Lagunenstadt ist wieder groß, die Stadtverwaltung reagiert mit einer unpopulären Maßnahme. Marco Agostini sagte es so: „Es ist ein Delirium, wir sind wieder am Limit.“ Agostini ist Polizeichef der Stadt Venedig. Mit den drastischen Worten beschrieb er den Ansturm auf die Lagunenstadt an Ostern.
Während der Pandemie waren die Besuche in Venedig drastisch zurückgegangen. An Ostern waren die Touristen nun plötzlich wieder da, und das massenhaft. Fast eine halbe Million Besucher wurden über die Feiertage gezählt, am Karfreitag sollen es alleine 120 000 Touristen gewesen sein.
„Alle Parkplätze waren voll“, berichtet Agostini. „Überall gab es Menschen-Schlangen, Verstopfung.“ Die Venezianer beschwerten sich auch über volle Wasserbusse, vielbefahrene Kanäle und den einen oder anderen Bootsunfall.
Brugnaro: Die Ersten weltweit
Wie es scheint, ist Venedig nach zwei Jahren erzwungenem Müßiggang nun wieder in alten Mustern zurück. 30 Millionen Besucher wurden vor der Pandemie in der Stadt gezählt, pro Jahr. Die Lagunenstadt zieht Menschen aus aller Welt an, oft nur für wenige Stunden. Kreuzfahrttouristen gehören zu dieser Kategorie, aber auch Tagesausflügler aus Italien, Österreich oder Deutschland.
Wegen des erneuten Massenandrangs hat die Stadtverwaltung nun angekündigt, mit einem umstrittenen und lange diskutierten Plan Ernst zu machen: Wer Venedig künftig besuchen will, der muss dafür bezahlen. Ab Juli soll die Pilotphase beginnen, im Januar 2023 wird es dann ernst. Alle Tagesausflügler in der Lagunenstadt sollen dann bis zu zu zehn Euro Eintritt bezahlen. Schon während der seit Samstag und noch bis Ende November laufenden Kunst-Biennale dürfte die Maßnahme Wirkung entfalten.
Entsprechende Pläne hieß bereits die italienische Regierung vor vier Jahren, also im Jahr 2018, gut. Zweifellos kommt auf diese Weise Geld in die Kassen der Stadt, schon jetzt wird eine Übernachtungsgebühr erhoben. Offiziell soll der Stadt-Eintritt die Touristenströme nach Venedig regulieren. Venedigs Bürgermeister Luigi Brugnaro weiß um die Bedeutung der Einführung der umstrittenen Maßnahme: „Wir sind die Ersten auf der Welt, die dieses Experiment wagen“, sagte er.
Die Maßnahme gilt nur für Tagesausflügler, nicht aber für Gäste, die über Nacht bleiben. Auch die nur noch rund 50 000 Einwohner Venedigs sowie die Bewohner der Region Veneto sind ausgenommen. Tagesausflügler sollen sich künftig auf einem Online-Portal anmelden und erhalten einen QR-Code für den Zugang nach Venedig.
Noch viele Fragen offen
Die Stadtverwaltung plant, den Eintrittspreis von der Anzahl der Gäste abhängig zu machen. So soll die Buchung des Venedig-Ausflugs erst ab einer Zahl von 40 000 Besuchern in der Stadt obligatorisch sein. Auch der Eintrittspreis könnte, je nach Andrang, variieren. Die Rede ist von zwei bis zu zehn Euro Eintritt.
„Das Ziel ist nicht Geld zu verdienen, sondern den Fluss der Besucher zu steuern“, sagt Tourismus-Referent Simone Venturini. Eine Venedig-Buchung soll beispielsweise mit ermäßigten Preisen für den teuren ÖPNV oder mit günstigeren Museumstickets einhergehen.
Kritiker teilen die Argumentation nicht. Giacomo Salerno von der Initiative Ocio Venezia sagt: „Das ist nur eine Maßnahme, um Geld zu verdienen, sie ist aber nicht geeignet, das Problem des Übertourismus in Venedig zu lösen.“ Salerno schlägt vor, es sei besser, die Höchstzahl der Touristen-Betten in Venedig zu begrenzen. Dies stößt allerdings auf den Widerstand der mächtigen Tourismus-Branche in der Stadt.
Im Juli soll die Testphase starten. Einige Probleme müssen dann noch gelöst werden. Wie und von wem etwa sollen die Venedig-Tickets kontrolliert werden? Wie bekommen Gäste mit, dass großer Andrang in der Stadt herrscht und ein Eintrittsticket notwendig ist? Wird es zur umstrittenen Installation von Drehtüren an den Eingängen zur Stadt kommen? Warum muss man für ganz Venedig Eintritt bezahlen, wenn die überlaufenen Orte der Stadt vor allem der Markus-Platz und die Rialto-Brücke sind?
Fragen über Fragen, auf die die Stadtverwaltung erst noch Antworten finden muss. Tourismus-Referent Venturini hat unterdessen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Gäste aus dem Ausland doch bitte gewisse Regeln einhalten sollen. Dazu zählt: Nicht mit nacktem Oberkörper durch die Stadt flanieren (Strafe 250 Euro), keine Möwen oder Tauben füttern (bis zu 300 Euro Strafe), und keine Liebes-Schlösser an Denkmälern oder Brücken befestigen (Strafe 100 Euro).
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