Viernheim. Immer am dritten September-Wochenende wird in Viernheim kollektiv gehämmert, gestrichen, gebastelt. Dabei entstehen schmucke Gärten, Kostüme für Aufführungen oder neue Mauern. Und das seit exakt 18 Jahren. Am 23. September 2006 veranstaltete die südhessische Stadt als erste Kommune weit und breit einen Freiwilligentag. Das Konzept funktionierte von Beginn an, immer mehr Menschen wollten dabei sein, das zog unweigerlich Blicke auf sich. Mit der Folge, dass sich die gesamte Metropolregion 2008 anschloss. Seitdem ist auch die Bevölkerung rund um Mannheim in Vereinen, Kitas oder Schulen ehrenamtlich aktiv. Zwar nur alle zwei Jahre, aber doch mit großer Leidenschaft.
„Die haben uns das abgeguckt“, sagt Horst Stephan nüchtern und doch mit einer ordentlichen Portion Stolz. Der heutige Leiter des Amts für Kultur, Sport, Bildung und Soziales (KuBuS) war eine der Triebfedern des großen Aktionstags, der aus dem Viernheimer Jahreskalender kaum wegzudenken ist. Stephan erinnert sich noch gut daran, als er ins Speyerer Rathaus eingeladen war, um Bürgermeistern des Rhein-Neckar-Dreiecks über die ersten Erfahrungen zu berichten.
Hervorgegangen war der Viernheimer Freiwilligentag aus der Lokalen Demokratie-Bilanz 2002. Bei einer Umfrage der Bertelsmannstiftung bescheinigten die Viernheimer Bürger ihrer Stadt eine hohe, aber noch steigerungsfähige Beteiligungskultur. Als Konsequenz fand etwa eine Stadtverordnetenversammlung unter freiem Himmel statt. Außerdem gab es eine Ehrenamtsbörse. „Das hat alles nicht funktioniert, es kamen nur diejenigen, die immer da waren“, sagt der KuBuS-Chef heute. Dabei wollte Viernheim neue Kräfte akquirieren, das Potenzial wurde auf rund 30 Prozent der Stadtbevölkerung geschätzt.
Bis zu 1000 Helfer im Stadtgebiet im Einsatz
Die Idee, wie es gehen könnte, lieferte die Landesehrenamtsagentur Hessen (LEAH), die seinerzeit in Frankfurt das Kasseler Modell des Freiwilligentags vorstellte. Horst Stephan hörte von der Initiative und war sofort begeistert. „Mir war klar, das wäre was für uns.“ Er habe daraufhin sofort Bürgermeister Matthias Baaß informiert.
Ein „voller Erfolg“ war laut Stephan bereits die erste Auflage. 280 Viernheimer engagierten sich bei zunächst 16 Projekten. In den Jahren darauf wurden es stetig mehr. Einmal waren sogar mehr als 1000 Helfer im Einsatz. Die Zahl der angebotenen Beteiligungsprojekte liegt mittlerweile relativ konstant bei etwa 25. Während Stephan und Baaß zu Beginn noch sämtliche Aktivitäten gemeinsam inspizierten, war das später nicht mehr möglich. Zwei Teams machen nun die Runde, um sich ein Bild von den vielfältigen Arbeiten zu machen und den Einsatz der Helfer zu würdigen.
Dies geschieht ganz besonders auch beim großen Abschlussfest am Rhein-Neckar-Zentrum. Ausgerichtet wird es vom Centermanagement. Früher war das Technische Hilfswerk dabei noch mit im Boot, heute sorgt Nadi’s Foodtruck für die Versorgung der hungrigen Helfer. Rund 150 Firmen hatten die Organisatoren zu Beginn angeschrieben, mit der Bitte, das Vorhaben zu unterstützen. Einige, wie das RNZ, sind laut Horst Stephan besonders treue Partner. Andere gehen oder kommen hinzu.
Zu ihrer Sache gemacht haben den Freiwilligentag auch einige so genannte „Job-Anbieter“. Der Vogelpark etwa brauchte immer wieder Helfer, um Volieren zu bauen. Der Waldkindergarten hat ebenso Bedarf, um den Betrieb am Laufen zu halten. So entstand beispielsweise ein Waldsofa, eines der außergewöhnlichsten Ergebnisse der Aktionen. Auch das Tierheim war von 2006 bis heute immer mit von der Partie. Für viele verschiedene Projekte stehen aber auch Judo- und Badmintonclub sowie die Kindertagesstätten. Vor allem mit Hilfe der Eltern wird dort so manches zum Positiven verändert.
Etwas zögerlich verhielten sich nach Angaben des Kulturamtsleiters anfänglich die Schulen. „Nachdem sie die Chance erkannt haben, die der Freiwilligentag bietet, waren sie immer regelmäßig dabei“, berichtet der langjährige Organisator. Insbesondere durch den Einsatz der Schulgemeinden von Albertus-Magnus- und Alexander-von-Humboldt-Schule sei auch die Zahl der Helfer nochmals deutlich gestiegen.
Neben den handwerklichen Tätigkeiten spielten beim Freiwilligentag in Viernheim auch soziale Aspekte immer eine wichtige Rolle. So bittet das Johannes-Schrey-Haus die Bevölkerung um Unterstützung. Und die Bewohner des Forums der Senioren durften sich im Rahmen eines Projekts schon über Ausflüge mit freiwilligen Helfern freuen.
Der finanzielle Aufwand für die Kommune hielt sich von Beginn an in Grenzen. Anfänglich war er mit 5000 Euro noch relativ hoch, weil die Stadt viele Flyer drucken ließ. Diese Kosten wurden zuletzt aber reduziert. Aktuell nimmt die Stadt noch etwa 3000 Euro pro Jahr in die Hand. Hinzu kommen die Personalkosten, die in der Verwaltung anfallen. Alles in allem, so Stephan, sei das „gut investiertes Geld“. Denn das, was damit bewegt werde, sei immens.
Finanzielle Kalkulation zeigt Wertschöpfung auf
Seine Kalkulation: 1000 Leute arbeiten jeweils vier Stunden zu einem fiktiven Lohn von zehn Euro. „Das bringt einen Gewinn von 40 000 Euro.“ Das müsse man der Politik immer wieder klarmachen, sagt er. Gleichwohl sei es nie Ziel des Freiwilligentags gewesen, Geld zu sparen – weder bei der Kommune noch bei den Trägern von Einrichtungen. „Es geht darum, die Leute zu finden, die sich engagieren wollen.“
Auffällig sei dabei, dass dies in den Jahren, in denen die ganze Metropolregion aktiv ist, besonders gut gelinge. „Das Gefühl der Solidarität macht etwas aus“, so Horst Stephans Einschätzung. Er sei daher gespannt, wie sich das neue Modell mit der Ausdehnung der Aktivitäten auf einen Zeitraum von zehn Tagen letztlich auswirke. Das bisherige Viernheimer Modell mit der jährlichen Konzentration auf einen Tag weiß er längst zu schätzen. Wenn die Bürger gleichzeitig in der ganzen Stadt aktiv sind, fördere dies enorm das Gemeinschaftsgefühl. „Das Konzept hat einen Sinn.“
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