Viernheim. Am Tag nach der Einführung des Cannabis-Gesetzes ist bei Sebastian Ogorek in Viernheim viel los. „Es kamen viele Leute in den Laden und ich hatte jede Menge Anfragen per E-Mail“, erzählt er. So manche Kunden hätten nach Marihuana oder Haschisch gefragt – Cannabis-Produkte, die berauschen. „Es hatten wohl nicht alle verstanden, dass der Verkauf auch mit dem neuen Gesetz nicht erlaubt ist“, sagt Ogorek schmunzelnd. Trotzdem macht der Besitzer des Viernheimer Ladens Biosweed klar: „Der 1. April, an dem das Gesetz in Kraft trat, war für mich ein Feiertag.“ Anders als die Kritiker sieht er die Gesetzesänderung „als großen, wichtigen Schritt mitten in Europa“ hin zu mehr Akzeptanz gegenüber dem Stoff, der sein Leben verändert habe: Cannabis.
„Als Kind war ich sehr introvertiert“, erinnert sich Ogorek. Jetzt ist er 26 Jahre alt und Geschäftsführer von Biosweed mit Läden in Viernheim, Frankfurt, Speyer und Ludwigshafen. Dass er es geschafft hat, gleich nach seiner Lehre als Anlagenmechaniker vor drei Jahren seinen Traum von einem eigenen Laden für Hanfprodukte wahr zu machen, und dass er heute entspannt an der Theke seines Viernheimer Geschäfts lehnen und problemlos mit Kunden plaudern kann – das schreibt er dem Cannabis zu.
„Nachdem ich meine ersten Joints geraucht hatte, sagten mir meine Freunde: Du bist jetzt viel offener“, erzählt der immer noch ruhige, aber selbstsicher wirkende junge Mann. Seitdem habe er sich viel mit der Pflanze und ihrer Wirkung beschäftigt, ein großes Wissen angeeignet. Wenn er davon erzählt, sind seine Sätze voller Prozentzahlen, Grenzwerten des Erlaubten, Fachbegriffen und Erkenntnissen aus Studien. Dieses Detailwissen ist aber auch unabdingbar, um einen Cannabis-Laden zu eröffnen, der nicht gleich wieder von den Behörden geschlossen wird. Denn was legal ist und was nicht, ist kompliziert.
Strenge Vorschriften für den Gehalt des berauschenden THC
Vereinfacht gesagt: Die Cannabis- oder auch Hanfpflanze produziert zwei chemische Verbindungen. THC, das berauschend wirkt, und CBD, das eine beruhigende Wirkung hat und auch in der Medizin eingesetzt wird. Alles, was Ogorek verkauft, darf höchstens einen THC-Wert von 0,2 Prozent haben. Liegt dieser auch nur minimal höher, kann sein Laden von den Behörden geschlossen werden.
Auch deshalb sagt der Ladenbesitzer: „Alle Produkte, die ich verkaufe, lasse ich vorher durch ein Labor nochmal prüfen. Ich will einfach sicher gehen.“ Im Angebot hat er etliche Produkte, angefangen von Cannabisblüten bis hin zu Anzuchterde für den seit 1. April für den Eigenbedarf erlaubten Anbau von Hanfpflanzen. Da ist es praktisch, dass er seit einigen Wochen neue Geschäftsräume in der Mannheimer Straße 129 bezogen hat – dort gibt es genug Platz, selbst für eine Auswahl an Gewächshäusern.
Hauptgrund für den Umzug aus dem Laden in der Franconvillestraße war aber die neue Erlaubnis zum Kiffen in der Öffentlichkeit – unter bestimmten Voraussetzungen. „Das wäre dort unmöglich gewesen mit der Alexander-von-Humboldt-Schule und einer Kita in der Nachbarschaft“, sagt Ogorek. Er zückt sein Handy und zeigt auf die „Bubatzkarte“, eine Übersicht, die zeigt, wo das öffentliche Kiffen erlaubt ist. Doch bisher, sagt Ogorek, habe er selbst das neue Recht noch gar nicht genutzt. „Ich hatte so viel mit dem Laden zu tun, dass ich noch nicht dazu kam“, sagt er und lacht.
Viele Kunden kommen auch aus Mannheim und dem Odenwald
Er trete auch in Beratungsgesprächen mit seinen Kunden dafür ein, Cannabis sanft zu konsumieren, erklärt Ogorek. „In Maßen kann man das Kiffen oder das gesündere Essen von Cannabis-Süßigkeiten mit dem Trinken eines Glases Wein vergleichen, um einen entspannten Abend zu erleben“, sagt er. Das sei auch das Ziel vieler Kunden, die nicht nur aus Viernheim, sondern auch aus Mannheim und dem Odenwald kämen. „Da sind auch Polizisten dabei, Lehrerinnen oder Anwälte, das geht durch alle Gesellschaftsschichten“, betont er. „Die meisten trauen sich aber nicht, offen über ihren Konsum zu reden, weil es so viele Vorurteile gegenüber Cannabis gibt.“
Und ja, es kämen auch immer mal wieder Käufer, die sich nach Ware erkundigten, die er gar nicht verkaufen dürfe. „Ich gehe aber stark davon aus, dass das oft Kriminalpolizisten sind, die mich kontrollieren“, sagt Ogorek schulterzuckend. Ganz entspannt sehe er das, weil er sich nichts zuschulden kommen lasse.
Anwendung auch gegen Schmerzen und zur Krebstherapie
Das sei er einem anderen Kundenstamm schuldig, der ihn am meisten berühre: Menschen, die CBD-haltige Produkte aus medizinischen Gründen bei ihm kauften. Zur Schmerztherapie oder zur Unterstützung einer Krebsbehandlung. „Ich kriegte Gänsehaut, wenn ich an die Frau denke, deren Brusttumor kleiner wurde, nachdem sie CBD konsumierte.“ Ogorek schaut auf und sagt bestimmt: „Allein wegen dieser Kunden gebe ich nicht auf, auch wenn es mal schwierig wird.“
Und er hat die Hoffnung, dass dem neuen Gesetz weitere Lockerungen folgen könnten. „Ich würde gern im Laden den Verzehr von Cannabis-haltigen Süßigkeiten anbieten. Oder eines Tages eine Hälfte des Ladens in eine Hanfplantage umwandeln.“ Doch auch wenn unklar ist, ob das jemals legal sein wird, ist Ogorek schon jetzt zufrieden mit den aktuellen Veränderungen: „Es ist eine sehr spannende Zeit!“
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