Viernheim. Der Viernheimer Treffpunkt für Menschen ab 55 Jahren ist etwas Besonderes: Die SBS 55+ wird, wie der Name sagt, als Selbstverwaltete-Begegnungs-Stätte von den Viernheimer Seniorinnen und Senioren selbst verwaltet. Das ist nur dank des vielfältigen ehrenamtlichen Engagements möglich. Nun sucht die SBS 55 + weitere ehrenamtliche Mitarbeiter.
Das Alter im Team reicht von 55 bis 92 Jahren. Zur Verstärkung sind Menschen geeignet, die offen, kontaktfreudig und engagiert sind - und eine Liebe zum Leben verspüren. Und man müsse keine Angst oder Bedenken haben.
Wirklich? Beim Pressegespräch berichtet der ehrenamtliche Mitarbeiter Marian Ferlinz, dass ihm der Einstieg nicht so leicht gefallen sei. Vor mehr als einem Jahrzehnt unterzog er sich zwei großen Operationen. Er verbrachte sechs Monate im Krankenhaus und weitere Wochen in der Rehabilitation. Aber die Prognose lautete: „Das wird nicht mehr.“ Marian Ferlinz war früher Koch und hat auf Sterne-Niveau unter anderem für den früheren Minister Norbert Blüm gekocht. Jetzt hatte er Angst vor der Zukunft. Dann hörte ein SBS-Senior das Akkordeon-Spiel von Marian Ferlinz und sagte: „Du musst bei uns Musik machen, Geld kriegst du aber nicht.“
Mehr Infos zum Angebot der SBS 55+
Mehr Informationen zum Angebot der SBS 55+ gibt es im Internet unter www.viernheim.de/sbs oder unter der Telefonnummer 06204/98 82 39.
Hier können sich auch alle melden, die gerne mitarbeiten würden.
Ferlinz sagt nochmal ehrlich: „Am Anfang hatte ich Angst.“ Das kann man sich heute kaum vorstellen. Ihm wurde vonseiten der anderen Ehrenamtlichen der SBS 55+ so tatkräftig und doch ohne jede Bevormundung geholfen. Er fügt hinzu: „Ich wurde mit meinen Stärken und Schwächen aufgenommen.“ Marian Ferlinz sagt: „Die SBS ist meine Familie. Ich bin fast jeden Tag hier. Ich möchte Menschen Freude schenken.“ Im Wechsel mit den anderen Musikern, die in den Formationen „Die Herbstzeitlosen“ und „Die Ladenburger“ auftreten, spielt er freitags zum Tanz auf. Dann ist die Bude voll.
Rollator wird zur Seite gestellt, um tanzen zu können
Er lacht: „Da stellen Seniorinnen und Senioren ihre Rollatoren beiseite, um zu tanzen.“ Das Repertoire umfasst deutsche, französische und italienische Songs aus den 70er- bis zu den 90er-Jahren. Zum Schluss spielt er meist „Servus pfuät Gott und Auf Wiedersehen“. Der Musiker sagt: „Dann klatschen wir alle für die Helferinnen und Helfer in der Küche.“
Die Ehrenamtliche Mitarbeiterin Waltraud Bugert erklärt: „Ich engagiere mich, weil ältere Menschen so dankbar sind. Der Dank kommt bei jedem Treffen sofort zurück.“ Rund 15 Jahre lang hat die frühere Sekretärin einen Treff in der Michaelisgemeinde betreut. Als es dort keine Räume mehr gab, fand sie mit ihrem Angebot bei der SBS 55+ ein neues Zuhause.
Einmal im Monat gestaltet sie den Michaelistreff 2.0. Bis zu 60 Gäste erleben hier den Wechsel der Jahreszeiten zum Beispiel mit Grillen, Oktoberfest oder Adventsfeier. Genauso betreut Waltraud Bugert an jedem dritten Mittwoch im Monat das „Café Kontakt“ Bei diesem Angebot kooperiert die SBS 55+ mit dem Demenznetz Viernheim. „Betroffene und Angehörige sollen hier einen Ort zum Auftanken haben. Beim gemeinsamen Frühstück kann man miteinander reden. Demenz ist nicht das Hauptthema, aber man kann dazu gerne Fragen stellen.“ In der Regel ist auch eine Person des Demenznetz Viernheim als Ansprechperson dabei.
Ines Schwarz gehört zu dem Bäcker-Team. Zwei Gruppen backen zweimal pro Woche frischen Kuchen. Sie war früher als Cacheur an der Oper in Leipzig hinter den Kulissen mit dem Bühnenbild, Requisiten und Deko beschäftigt. Sie sagt: „Ich habe schon immer gebacken und dann die Kuchen an Nachbarn verschenkt.“
Der Liebe wegen nach Viernheim gezogen
Als sie der Liebe wegen nach Viernheim kam, beschenkte sie auch eine Nachbarin, die bei der SBS 55+ aktiv ist, und sagte: „Ines, warum bäckst du nicht für uns?“ Seitdem backt Ines Schwarz leidenschaftlich gerne für die SBS 55+-Gäste, unter anderem die Raffaello-Torte mit Pralinen oder die „Friss-Dich-Dumm-Torte“ mit Mandarine und Schlagsahne. „Wer bei uns mitmachen möchte, muss kein gelernter Bäcker sein“, erklärt sie. Das Team liefert die Zutaten und die Rezepte und ist behilflich beim Backen.
Eine Zeitlang rührten auch ukrainische Flüchtlinge den Teig für Kuchen an. Ines Schwarz: „Ich kann ein wenig Russisch. Sie haben wir uns notdürftig auf Russisch verständigt.“ Ganz nebenbei haben die SBS 55+-Senioren den Flüchtlingen ein wenig geholfen. Denn die unbürokratische Hilfe gehört zum „Spirit“ des SBS. Waltraud Bugert erklärt: „Jeder hatte etwas, was er entbehren und geben konnte.“
Umgang mit Sozialen Medien und dem Internet ein Thema
Anneliese Kreis ist ehemalige Verwaltungsangestellte und kommt extra aus Heddesheim, um sich bei der SBS 55+ zu engagieren: „Ich habe im Internet nach Möglichkeiten gesucht und bin auf die SBS gestoßen.“ Sie hilft den Senioren beim Sprung in die moderne Zeit und bringt sich im Digitaltreff am Donnerstagnachmittag ein.
Zusätzlich bietet Anneliese Kreis eine Digitalsprechstunde für die Einzelberatung an. Sie erklärt: „Es geht rund um Fragen zu Handy, Laptop oder Tablett.“ Wenn etwas zu kompliziert sind, malt sie es für ihre Klienten auf. Sie sagt aber auch: „Manchmal fehlt nur, dass man ein winziges Häkchen an der richtigen Stelle setzt, und dann funktioniert es.“ Warum engagiert sie sich? „Es ist so schön, wenn ich glückliche Senioren sehe.“
Die SBS 55 + ist mehr als 40 Jahre alt. Die Idee der Selbstverwaltung gehörte von Anfang an dazu. So wurden ältere Menschen schon bei der Planung mit einbezogen. In einem geschäftsführenden Ausschuss werden die meisten Themen vorberaten. Alle 14 Tage treffen sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter und entscheiden basisdemokratisch über alle Aufgaben.
Programm richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen
Das Programm richtet sich inzwischen an ganz unterschiedliche Gruppen von älteren Menschen. So gibt es den täglichen Treff und Spieleangebote an den Nachmittagen für alle. Neu sind spezielle Angebote für „jüngere Ältere“ wie Spieletreffs am Abend oder die abendliche Vesperzeit mittwochs - allerdings nicht in den Ferien, damit am späten Nachmittag auch Berufstätige dabei sein können.
Die hauptamtliche Seniorenberaterin der Stadt Viernheim, Sarah Hofrichter, erklärt noch einmal allgemein, an welche Zielgruppe sich das Angebot richtet: „Willkommen ist jeder ab 55 Jahren, unabhängig davon, ob man in Viernheim geboren wurde oder erst seit Kurzem hier lebt. Egal auch, welchen Dialekt oder welche Sprache man spricht oder welcher Religion man angehört.“
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