Viernheim. Immer mehr Pflegebedürftige, immer weniger Fachpersonal. „Das ist ein wesentliches Zukunftsthema. Auch für Viernheim“, sagt Bürgermeister Matthias Baaß. Denn im städtischen Forum der Senioren können inzwischen 20 der 154 Plätze nicht mehr belegt werden, weil qualifiziertes Personal fehlt. „An der Belegungsschraube zu drehen, ist leider derzeit unsere einzige Möglichkeit“, so Jürgen Hoock, Betriebsleiter des Forums der Senioren.
Die in stationären Einrichtungen vorzuhaltende Fachquote, die vorschreibt, dass 50 Prozent des Pflegepersonals ausgebildete Fachkräfte sein müssen, mache die Arbeit zu einer Herausforderung. Als Fachkräfte gelten examinierte Pflegekräfte, die die dreijährige Ausbildung absolviert haben.
Zeitarbeitskräfte müssen Ausfälle ausgleichen
Als kurzfristige Handlungsmöglichkeit bleibe zum einen nur, das Leistungsangebot an die verfügbare Personalmenge anzupassen, sprich Plätze nicht mehr zu vergeben, erklärt Hoock. Zum anderen sei man auch gezwungen, Zeitarbeitskräfte einzusetzen, vor allem, um urlaubs- und krankheitsbedingte Ausfälle zu kompensieren.„Ohne diese beiden Möglichkeiten wären wir außerhalb unserer Genehmigung tätig und dürften das Forum der Senioren gar nicht betreiben“, ergänzt Matthias Baaß, Vorsitzender der Betriebskommission der städtischen Einrichtung. Im ersten Quartal des Jahres 2024 haben die Verantwortlichen deshalb die Auslastung des Heimes auf knapp 89 Prozent zurückgefahren, um keine roten Zahlen zu schreiben. Denn zur Wirtschaftlichkeit ist eigentlich eine Belegung von 98 Prozent nötig.
Wie soll es weitergehen? „Wir ruhen uns natürlich nicht aus“, betont Jürgen Hoock. So bilde man derzeit zwei Hilfskräfte, die schon länger im Forum arbeiten, mit Hilfe des Arbeitsamtes zu Fachkräften weiter. Im August erwarte man dazu zwei Fachkräfte aus dem Ausland. „Ohne den Einsatz von ausländischen Fachkräften kann es in Deutschland überhaupt nicht mehr funktionieren“, ergänzt Baaß. Der Bedarf an Pflege hierzulande sei anders nicht mehr erfüllbar.
Über mögliche Änderungen der Rahmenbedingungen denkt indes der Gesetzgeber, also das Land Hessen nach. Was vor einigen Jahren noch unmöglich schien, nämlich eine Absenkung der 50-Prozent-Quote, scheint inzwischen machbar. Der sächsische Landtag hat im März dieses Jahres die Fachkraftquote in vollstationären Pflegeeinrichtungen gleich ganz abgeschafft. Die Personalbemessung soll sich künftig nach dem Pflegegrad der Bewohner richten. „Damit gibt es dann Heime, die nur betreuen und nicht mehr pflegen“, so Jürgen Hoock. Ungeklärt bleibt dann allerdings, wer die Menschen mit höheren Pflegegraden versorgt.
Eine Verbesserung der Situation soll auch das Projekt „Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege (GAP)“ bewirken. Diese Initiative der Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung Claudia Moll zielt darauf, die Arbeitsabläufe in den Einrichtungen so zu organisieren, dass die Fachkräfte entlastet werden, um sich auf ihre wesentlichen Aufgaben konzentrieren zu können. Zur Umsetzung erhält das Viernheimer Forum der Senioren Unterstützung und Schulungen externer Coaches. „In den Wohnbereichen, die bereits an dem Projekt teilnehmen, kommen die veränderten Arbeitsabläufe gut an“, berichtet der Betriebsleiter.
Starke Konkurrenz-Situation am regionalen Arbeitsmarkt
Bei klassischen Marketingmaßnahmen zur Gewinnung von Personal winkt Jürgen Hoock dagegen ab: „Der Teich ist leer. Da ist einfach niemand mehr.“ Der städtische Eigenbetrieb sei ein regionaler Akteur, der seine Arbeitskräfte am regionalen Markt rekrutieren müsse. „Nach dem AOK-Pflegeheimnavigator befinden sich im Radius von zehn Kilometern um das Forum der Senioren allein 39 weitere stationäre Einrichtungen, mit denen wir um Personal konkurrieren. Im Radius von 15 Kilometern sind es sogar 80 Einrichtungen“, berichtet Hoock.
Zum Erliegen gekommen sei inzwischen die klassische Ausbildung. Grund: die generalistische Pflegeausbildung, in der im Jahr 2020 die Altenpflege, die Gesundheits- und Krankenpflege sowie die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege in einem neuen Berufsbild zusammengeführt wurden. Unter hat man dafür die Zugangsvoraussetzungen angehoben. „Seitdem gelingt es nicht mehr ansatzweise, unsere zwölf verfügbaren Ausbildungsplätze zu besetzen“, weiß der Betriebsleiter.
Der Blick in die Zukunft verheißt zudem wenig Gutes. Während die Zahl der Pflegebedürftigen weiter ansteigen wird, prognostizieren die Berufsaustritte der Babyboomer-Jahrgänge einen sich zuspitzenden Fachkräftemangel. „Aufgrund von altersbedingtem Ausscheiden müssen wir bis zum Jahr 2028 etwas 22 Mitarbeitende in Pflege und Betreuung ersetzen“, legt Jürgen Hoock die Zahlen für Viernheim vor. Und das, obwohl heute schon Mitarbeiter fehlen. Wie soll es also weitergehen mit dem Forum der Senioren? Müssen die Türen irgendwann komplett geschlossen werden? „Auf keinen Fall. Von einer Schließung sind wir deutlich entfernt“, stellt Bürgermeister Matthias Baaß klar. Dass das Forum der Senioren mittlerweile das einzige städtische Heim im Kreis Bergstraße sei, zeige, wie wichtig die Einrichtung der Kommune schon immer gewesen sei. „Aber es ist möglich, dass wir irgendwann ein Stockwerk haben, das nicht mehr genutzt werden kann“, so Baaß.
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