Bürstadt. „Also, ich kann es mir noch nicht vorstellen. Damit fühle ich mich gleich zehn Jahre älter“, meint Annemarie Alter. Zum Rollator-Training mit Hauptkommissar Ralf Drexelius ist sie ihrer Tochter zuliebe gekommen. „Damit ich weiß, wie’s geht, wenn es notwendig ist“, sagt Alter und lacht. „Ich trage alles mit Humor.“ Als „originale und urige Bürstädterin“ bezeichnet sie sich, für einen Plausch ist sie immer zu haben, und dafür ist die Anlaufstelle in der Erbacher Straße 2 auch gedacht.
Mit Maria Reitberger kommt die Seniorin rasch ins Gespräch, obwohl diese erst vor einem Jahr aus der Nähe von München hergezogen ist. „Ich bin eine exotische Bürstädterin“, sagt sie prompt. Die Damen tauschen ihre Nummern aus. Das ist ganz im Sinne dieses Ortes, dem ehemaligen Gesundheitsamt, wo die Diakonie die Gemeinwesenarbeit vorantreibt. Deren Ziel ist es, die Leute in Kontakt miteinander zu bringen und zu vernetzen. Was wiederum die beiden „PauLas“ freut: Christina Adler-Schäfer und Michaela Weber beraten Senioren, damit diese möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben können. Sie haben auch den Kurs mit Drexelius organisiert.
„Ich kannte dieses Training aus dem Odenwald“, erzählt Weber. Tatsächlich ist Drexelius’ Gebiet riesig, er deckt als Verkehrspräventionsbeauftragter ganz Südhessen ab, widmet sich dabei besonders gerne Senioren - auch wenn sie Auto oder Rad fahren. „Mit dem Rollator sind sie ja auch im Verkehr unterwegs, vor allem wenn sie über die Straße müssen“, meint er. Dabei wird klar: Der Hauptkommissar ist in seinem Element. Anschaulich zeigt er, wie man mit Rollator an parkenden Autos vorbei schauen und mit dem Gefährt hoch auf den Bordstein gelangt. Drexelius drückt die Bremse und tritt auf die Kipphilfe. Fehlt diese, stellt er seinen Fuß ans Rad. „Das kann ich nicht“, merkt Hildegard Eberle. Sie gerät sonst aus dem Gleichgewicht. Aber ihre Begleiterin stützt sie ohnehin.
Experte rät, die Griffe lieber loszulassen als zu stürzen
Raimund Deutsch bezeichnet die Kipphilfe lieber als „Fußpedal“, und das brauche er gerade oft. „Hier sind ja überall Baustellen für Glasfaser. Jeden Tag ist woanders aufgerissen.“ Die Tricks und Tipps von Polizist Drexelius nimmt er daher gerne auf und testet sie sogleich. „Beim ersten Mal hat er noch geschummelt, aber dann hat’s geklappt“, sagt der Hauptkommissar lächelnd. „Jetzt hat er es auch noch gemerkt“, meint Deutsch und grinst.
„Eigentlich“, gibt der 88-Jährige zu, „wollte ich das Ding gar nicht“. Seit drei oder vier Wochen nutze er den Rollator nun aber doch. Früher sei er so viel gelaufen und gewandert. Tja. Deutsch zuckt die Schultern. Nun ist der Bürstädter froh über die Unterstützung beim Gehen. „Jeden Tag laufe ich eine große Runde, nur bei den Regentagen zuletzt war’s schrecklich. Da sitzt man daheim rum und wird steif.“ Michaela Adler-Schäfer lacht, sie kennt den 88-Jährigen schon von ihren Beratungsterminen. Deutsch berichtet ihr von den Fortschritten.
„Sogar tanzen kann man mit dem Rollator“, erzählt Drexelius voller Lebensfreude und führt vor, wie einfach sich der Rollator in die Kurve schieben lässt, wenn er dabei eine Bremse drückt. „Am wichtigsten ist diese, wenn man sich drauf setzt: Sie muss festgestellt werden, damit nichts wegrollt.“ Leider halten viele Menschen die Griffe sogar dann fest, wenn es brenzlig wird, hat er beobachtet. „Ist es nicht besser, loszulassen als zu stürzen?“ Manche beladen den Korb auch zu schwer. „Das wird besonders gefährlich, wenn es bergab geht.“ Die meisten Rollatoren seien nur bis fünf Kilogramm belastbar. „Bei mir sitzen die Enkel gerne drauf, das macht ihnen Spaß - und mir auch“, verrät Maria Reitberger. Erlaubt sei das nicht, wirft Drexelius direkt ein. Das sei zu viel Gewicht. Zudem fehle häufig eine Rückenlehne - dann könnten die Kinder hinten runter kippen.
Familie Busalt ist sogar extra aus Viernheim gekommen, um die Mutter vom Rollator zu überzeugen. „Sie nimmt das Ding gar nicht - obwohl sie ständig stürzt“, berichtet Manuela Busalt. „Sie hängt sich lieber bei meinem Vater ein, aber das tut ihm auch nicht gut. Wenn er es nutzt, lässt sie sich vielleicht überzeugen“, hofft die Tochter. Ihr Vater habe das Gefährt für die Probefahrt in Bürstadt erstmal aus dem Keller holen müssen. Der 86-Jährige übt gleich fleißig mit Drexelius am Bordstein.
Annemarie Alter schaut sich das alles genau an - aber mit Distanz. „Ich fahre mit dem Auto einkaufen, da parke ich direkt davor und brauche keinen Rollator.“ Unterhaltsam findet sie den Nachmittag dennoch. Genau wie Maria Reitberger, für die das Angebot aber ein voller Erfolg ist. Einen Weg von 20 Minuten hat sie dafür auf sich genommen. „Mit dem Rollator kein Problem, der gibt mir Sicherheit. Ich laufe aufrecht und bekomme dadurch auch besser Luft“, schwärmt die Seniorin. Dass es nach all den Tipps noch Kaffee und Kuchen gibt, gefällt ihr auch. Dabei lässt es sich prima unterhalten, ehe sie den Rollator wieder nach Hause schiebt.
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