Mannheim. Wenn wir über Kriminalfälle berichten, dann geht es oft um die Täter. Um Fragen wie: Wer hat das getan? Wo kommt dieser Mensch her? Und was ist sein Motiv? In Folge Drei der neuen Staffel von „Verbrechen im Quadrat“ geht es um die, die viel zu oft nicht in der Kriminalberichterstattung auftauchen: Opfer von Verbrechen und ihre Angehörigen.
8. August 2015: Der 20-jährige Fabian Pozywio macht sich mit Freunden auf den Weg zur „Beach House Invention“ im Soccerpark im vorderpfälzischen Dirmstein. Die Strand Party mit elektronischer Musik ist beliebt bei jüngeren Leuten in der Region. Und auch Fabian und seine Freunde freuen sich auf einen ausgelassenen den Abend.

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Doch dann passiert etwas - und dieser Moment verändert alles. Ein Schlag mit einer Bierflasche trifft Fabian am Kopf. Er wird lebensgefährlich verletzt. Eine Not-OP rettet zwar sein Leben. Doch Fabian liegt mehrere Wochen im Koma. Irgendwann kommt er endlich wieder zu sich. Und muss die elementarsten Dinge neu lernen: Er kann nicht lesen, nicht sprechen, nicht gehen.
Emotionaler Facebook-Post ein Jahr nach der Tat
Ein Jahr, nachdem Fabian Pozywio so schwer verletzt worden ist, verfasst er einen emotionalen Facebook-Post, in dem er an die verhängnisvolle Begegnung im Soccer Park erinnert. Darauf bricht eine Riesenwelle der Hilfsbereitschaft über ihn herein - rund 60.000 Euro an Spenden kommen zusammen. Das ist wichtig, weil die Familie mit der Krankenkasse um die Kostenübernahme für die weitere Reha ringt.
Gleichzeitig rückt mit dem Post die juristische Aufarbeitung des Falls in den Fokus des öffentlichen Interesses. Ein ehemaliger Mitschüler von Fabian muss sich schließlich vor Gericht verantworten. Er bestreitet, etwas mit dem Fall zu tun zu haben.
Jetzt anhören: True-Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"
Im True-Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat" taucht Gerichts- und Kriminalreporterin Agnes Polewka in wahre Kriminalfälle ein, die Mannheim und die Rhein-Neckar-Region erschüttert haben.
Alle Folgen der Staffel, zahlreiche Hintergründe und Berichte gibt es hier
Dennoch wird er zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, gegen das Urteil des Amtsgerichts legt er Berufung ein. Und nicht nur er, auch die Staatsanwaltschaft, die eine höhere Strafe gefordert hat, geht gegen das Urteil vor. Vier Jahre nach der Tat landet der Fall vor dem Landgericht. Weil der Angeklagte seine Verteidiger wechselt muss das Verfahren abermals neu begonnen werden. Und dann verschwindet der Angeklagte während des laufenden Berufungsverfahrens. Gerüchten zufolge befindet er sich in der Türkei - er besitzt laut Staatsanwaltschaft die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft.
Übergriff im Soccerpark: 2029 verjährt die Strafe
Das Frankenthaler Landgericht verwirft in Abwesenheit des Angeklagten dessen Berufung und die Staatsanwaltschaft zieht ihre zurück. Das Urteil wird rechtskräftig. Sobald der nun verurteilte Täter deutschen Boden betritt oder in ein anderes EU-Land einreist, wandert er ins Gefängnis. Zumindest gilt das bis zum Jahr 2029. Dann verjährt die Strafe.
Gerichts- und Kriminalreporterin Agnes Polewka beschreibt im Podcast die tragischen Wendungen in diesem Fall und über die Jahre, die vergehen, bis es endlich zu einer Verurteilung kommt. Sie spricht mit Fabian Pozywio, der ihr von seinem langen Weg zurück in ein normales Leben berichtet und beschreibt, was die Tat mit ihm hat. Außerdem spricht er darüber, wie es ihm heute geht, über seine Einschränkungen und die großen Fortschritte, die er gemacht hat.
Neben Fabian erinnern sich auch seine Eltern - Björg und Andreas Pozywio - in der Podcast-Episode an den schlimmsten Moment ihres Lebens. Sie beschreiben, wie es ihnen als Familie in den Jahren nach der Tat im Soccerpark ergangen ist und warum sie die prozessuale Aufarbeitung als besonders zehrend empfunden haben. Heute sagt Fabians Mutter: „Es geht uns gut, weil es Fabian gut geht. Fabian ist glücklich.“
Und doch haben sie bislang nicht mit der Tat abschließen können. „Ich denke oft daran, einmal die Woche mindestens, weil es mir einfach keine Ruhe gibt, dass der Täter unbestraft weiterleben kann“, sagt Andreas Pozywio im Podcast.
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