Opferschutz

So hilft der "Weiße Ring" Opfern von Verbrechen

Opfer von Straftaten werden im Rechtssystem schnell vergessen. Um ihnen bei der Bewältigung des Erlebten oder dem Kampf um Entschädigung zu helfen, wurde der "Weiße Ring" gegründet - von einem prominenten TV-Moderator

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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TV-Journalist Eduard Zimmermann gilt als Gründer der Opferschutzorganisation "Weißer Ring". © Istvan Bajzat/dpa

Mannheim. Nach einer spannenden Verfolgungsjagd klicken die Handschellen. Der Täter, manchmal auch die Täterin, ist gefasst. So enden viele Fernsehkrimis. Ausgeblendet bleiben meist die Opfer. Dies galt lange Zeit auch jenseits der TV-Mattscheibe.  Bis 1986 sollte es dauern, ehe das erste Opferschutzgesetz kam. Und dafür hat sich der zehn Jahre zuvor gegründete „Weiße Ring“  eingesetzt. Der Verein engagiert sich bis heute für jene Menschen, die bei Verbrechen leicht aus dem Blick geraten – obwohl ihr Leben danach manchmal nie mehr so wird, wie es einmal war.

Welcher TV-Journalist hat den  Weißen Ring initiiert? 

„Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten“ -  so definiert sich der Weiße Ring  (Eigenschreibweise  „Weisser Ring") bei seiner Gründung am 24. September  1976 in Mainz. Initiator ist der Fernsehjournalist Eduard Zimmermann, der die erfolgreiche Sendereihe „Aktenzeichen XY“ erfunden und jahrzehntelang moderiert hat. Der Verein schiebt auch in anderen Ländern eigenständige Opferschutz-Organisationen an. Bereits zwei Jahre später in Österreich. 

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Wann kommt das erste Gesetz zum Opferschutz? 

Als der Weiße Ring entsteht, ist Opferschutz so etwas wie ein weißes Blatt. Nach intensiven Debatten, auch auf dem deutschen Juristentag 1983, und auf Drängen des Pioniervereins wird 1986 das erste Opferschutzgesetz verkündet.   Das damit verknüpfte Informationsrecht soll gewährleisten, dass Leidtragende von Straftaten grundsätzlich über das jeweilige Verfahren auf dem Laufenden gehalten werden.  Davor wurde nicht einmal mitgeteilt, wenn eine Strafanzeige eingestellt wurde.

Was für Anliegen verfolgt die Prozess-Nebenklage?  

Inzwischen stärkt die Strafprozessordnung gezielt Rechtspositionen von Opfern. Ein wichtiges Instrument ist die Nebenklage: Sie vertritt nicht nur deren Interessen, sondern leuchtet aus, wie sich eine schwere Straftat -  beispielsweise Vergewaltigung, vorsätzliche Körperverletzung, versuchter Mord, massives Stalking - auswirkt und manchmal Leben (auch das der Angehörigen)  komplett verändert.  Die Nebenklage ermöglicht Verletzten oder Geschädigten aktiv an dem jeweiligen Prozess teilnehmen. In vielen Fällen übernimmt die Staatskasse die Kosten des Anwaltes beziehungsweise der Anwältin. 

Kann Öffentlichkeit ausgeschlossen werden? 

Die Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs hat ein 2013 verabschiedetes Gesetz erweitert. Dazu gehört, dass die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Ansprüche, ob Schadensersatz oder Schmerzensgeld, auf 30 Jahre verlängert wurde.  Außerdem sind prozessuale Abläufe neu bestimmt worden. So sollen richterliche Videovernehmungen Opfern ersparen, in der Hauptverhandlung aussagen zu müssen. Außerdem kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn vor Gericht Intimes beziehungsweise Schutzwürdiges zur Sprache kommt.  Als Meilenstein gilt, dass insbesondere Kindern und Jugendlichen kostenfreie psychosoziale Prozessbegleitung zuerkannt wird.  

Gibt es einen Anspruch auf therapeutische Hilfe? 

Von Gewalttaten betroffenen Kriminalitätsopfer steht nach dem Sozialen Entschädigungsrecht ein Anspruch auf eine (kurzfristige) Behandlung in einer Trauma-Ambulanz zu. Die therapeutische Hilfe umfasst bis zu 15 Stunden bei Erwachsenen, bei Kindern und Jugendlichen sind 18 Behandlungsstunden vorgesehen. Von diesem Recht profitieren auch Angehörige und Partner. 

Gilt Freiwilligkeitsprinzip für Täter-Opfer-Ausgleich? 

Das deutsche Strafrecht sieht ausdrücklich einen Täter-Opfer-Ausgleich, kurz TOA, vor. Aber mit dem Prinzip der Freiwilligkeit.  Auf beiden Seiten. Die Idee, einen Konflikt außergerichtlich beizulegen, ist nicht neu und hat historische Wurzeln. Meist regen Behörden wie Polizei, Jugendgerichtshilfe oder Staatsanwaltschaft ein solches Verfahren an.  Initiative können auch Oper beziehungsweise Täter ergreifen. Zum Ablauf gehören getrennt geführte Vorgespräche. Beim Schlichtungsgespräch handeln die Parteien begleitet von einem neutralen wie qualifizierten Mediator eine Vereinbarung über Schmerzensgeld oder Schadensersatz aus. Neben finanziellem Ausgleich geht es auch darum, dass Opfer aus ihrer Sicht über die Folgen einer Straftat berichten können. Und dass   (einsichtige) Täter Gelegenheit erhalten, Verantwortung zu übernehmen und sich zu entschuldigen - was sich strafmildernd auswirken kann.  

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Wie unterstützt der Verein Kriminalitätsopfer? 

Ob Opfer von Trickdiebstahl, Stalking, Mobbing oder körperlicher Attacke – wer niemanden hat, um über das, was ihn aufwühlt, zu sprechen, kann sich an den Weißen Ring wenden. Der Verein bietet menschlichen Beistand verknüpft mit Informationen über Rechte sowie finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten. Geboten wird auch Begleitung bei Gesprächen mit Behörden. Zum Angebot gehören ebenfalls Hilfeschecks.  Beispielsweise für eine jeweils kostenlose und frei wählbare anwaltliche beziehungsweise psycho-traumatologische Erstberatung. 

Welche Rolle kommt Ehrenamtlichen zu?  

 Eine zentrale Säule des Weißen Ringes sind die rund 3000 Ehrenamtlichen, die   aus unterschiedlichen Berufen kommen.  Häufig, aber nicht nur sind es Juristen, Polizisten und Pädagogen, die sich im Erwerbsleben oder nach der Pensionierung engagieren.  Sie werden schrittweise und intensiv auf die vielfältigen Aufgaben vorbereitet und regelmäßig weitergebildet. Wer an Mitarbeit interessiert ist, kann sich an die jeweilige Außenstelle innerhalb seines Wohngebietes wenden.  

Über welche Geldtöpfe läuft die Finanzierung? 

Der Weiße Ring bekommt keine öffentlichen Zuschüsse, sondern  finanziert sich durch die Beiträge seiner rund 41 000  Mitglieder, außerdem durch Spenden, Stiftungen und Zuweisungen aus Geldbußen.  Sämtliche Angebote sind kostenfrei  - auch für Nichtmitglieder. Der Verein hat 2022 für den Satzungsweck Opferhilfe über zehn Millionen Euro bereitgestellt. 

Wie ist in Krisen Kommunikation möglich? 

Bundesweit ist ein anonymes Opfertelefon geschaltet -  täglich von  7 bis 22 Uhr besetzt. Die Nummer lautet 116 006. Möglich ist außerdem Online-Beratung:  www.weisser-ring.de. Dazu bedarf es einer Registrierung mit frei gewähltem Benutzernamen und Passwort, weil die gesamte Kommunikation über einen gesicherten Surfer läuft. Eine erste Antwort gibt es üblicherweise  innerhalb von72 Stunden. 

Die Leitung der Außenstelle Mannheim hat neu Ralf Maudanz (Mobil 0175 7030656) übernommen. Beim Rhein-Neckar-Kreis ist Ansprechpartnerin in gleicher Funktion Patricia Wickert (0175 6525896). Den Bezirk  Ludwighafen leitet Fenja Tappe (0151 23410686). 

Freie Autorin

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