Handball

Ziele und Zukunft der Rhein-Neckar Löwen: Sebastian Hinze im Interview

Für die Rhein-Neckar Löwen steht eine "wichtige Saison an", wie Trainer Sebastian Hinze sagt. Im Interview mit dieser Redaktion erklärt er, warum das so ist

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Marc Stevermüer
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Sieht die Löwen gut aufgestellt: Trainer Sebastian Hinze. © Max Krause

Mannheim. Sebastian, die Radtouren im Trainingslager der Rhein-Neckar Löwen sind eher berüchtigt als berühmt, seit Sie im Club arbeiten. War es auch diesmal eine Tour der Leiden?

Sebastian Hinze: Wir waren nicht in Österreich, sondern in der Pfalz. Dort sind die Berge nicht so hoch, das war also nicht unbedingt maximal anstrengend, sondern eher eine sportliche Betätigung.

Traditionell wird anschließend der Kapitän gewählt. Gibt es vor dem Saisonstart am 5. September gegen den THW Kiel eine Überraschung bei dieser Personalie?

Hinze: Nein, Patrick Groetzki bleibt unser Kapitän und er hat auch sehr, sehr viele Stimmen bekommen.

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Welches Fazit ziehen Sie nach dem Trainingslager?

Hinze: Durch die Rückkehr der sechs Olympia-Teilnehmer (Juri Knorr, Sebastian Heymann, Jannik Kohlbacher, David Späth, Ivan Martinovic und Mikael Appelgren: Anm. der Redaktion) haben wir die Qualität und Intensität noch einmal erhöht. Wir haben die Woche sehr gut genutzt, um handballerisch Fortschritte zu erzielen und als Gruppe zusammenzurücken. Beides ist uns in dieser Woche sehr gut gelungen.

Welche Schwerpunkte wurden gesetzt?

Hinze: Es ging zunächst um unser Grundprinzip, also die Abwehr plus das Tempospiel. Und eine zweite Abwehrvariante haben wir einstudiert, auch wenn wir damit noch nicht so weit sind, wie wir uns das wünschen. Aber es ist wichtig, solch ein taktisches Mittel in der Hinterhand zu haben, um künftig vielleicht das eine oder andere Spiel drehen zu können.

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In der Saisonvorbereitung ist die Stimmung fast immer bei jeder Mannschaft gut. Warum passt es bei den Löwen auch wirklich?

Hinze: Mein Einblick ist natürlich kein kleiner, aber ich bin jetzt auch nicht mit den Jungs auf einem Zimmer. Ich höre allerdings aus verschiedenen Ecken, dass alle mit großer Freude und viel Lust dabei sind. Das hat sich auch in den Trainingseinheiten widergespiegelt. Die Jungs haben viel Energie, eine immense Leistungsbereitschaft und großen Teamgeist gezeigt.

Die deutschen Olympia-Teilnehmer stiegen erst in der vergangenen Woche ins Training ein. Welchen Eindruck haben sie hinterlassen?

Hinze: Zwischendurch kam ein bisschen Müdigkeit durch. Aber alle haben richtig Bock, 100 Prozent für die Rhein-Neckar Löwen zu geben. Das haben sie mir vom ersten Tag an sehr deutlich gezeigt. Und mal abgesehen davon: Juri, Jannik, David und Sebastian. Das sind alles keine Typen, die sagen: „Ich leide!“ Die wollen Handball spielen. Und zwar immer.

Viel prasselte in der vergangenen Saison auf Juri Knorr ein. Auch an Kritik. Sie haben stets seine Fortschritte gelobt. Wurden Sie durch Olympia bestätigt?

Hinze: Ja. Es gibt zwei wesentliche Dinge, bei denen Juri sich entwickelt hat.

Welche?

Hinze: In der Abwehr, weil er dort sehr viel bei uns eingesetzt wurde. Und das Thema Spielsteuerung setzt Juri immer besser um. Er musste bei uns in der vergangenen Saison sehr oft den ersten Impuls setzen und Ideen für andere im Kopf haben. Diese Erfahrung hat ihm gutgetan, ihn weitergebracht. Unabhängig davon sind seine Hauptqualitäten aber weiterhin die Bewegung ohne Ball, sein Abschluss und seine Geschwindigkeit. Dafür benötigt Juri Mitspieler, die auch etwas für ihn initiieren.

Wovon es vergangene Saison wenige gab.

Hinze: Deswegen bin ich jetzt auch froh, dass wir durch unsere neuen Rückraumspieler Sebastian Heymann und Ivan Martinovic variabler geworden sind. Juri wird von unseren Neuzugängen profitieren und seine individuellen Stärken wieder viel, viel stärker einbringen können.

Zwangsläufig kommen wir so zum Thema Verantwortung. Hängt nun weniger an Knorr?

Hinze: Das denke ich schon. Es war ein bisschen viel für ihn in der vergangenen Saison. Mein Ziel ist es immer, die Mannschaft unabhängiger von einem einzelnen Spieler zu machen und die Verantwortung zu verteilen. Das ist künftig besser möglich. Es geht um das Gesamtkonstrukt, das funktionieren muss, um weniger berechenbar zu sein.

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Zu Beginn der Saisonverbreitung sprachen Sie davon, dass das Fehlen der Olympia-Fahrer auch etwas Gutes habe, weil sich nun andere Spieler zeigen müssten. Wer hat sich aufgedrängt?

Hinze: Gustav Davidsson hat es schon in der vergangenen Saison in gewissen Phasen gut gemacht und war teilweise sogar ein prägender Spieler. Er hat jetzt noch einen Sprung gemacht. Jon Lindenchrone hat eine sehr gute Vorbereitung gespielt. Ihm tat es gut, viel auf dem Feld zu stehen. Und bei Steven Plucnar sehe ich gerade in der Offensive eine Entwicklung. Die Jungs haben ihre Chance genutzt, kennen aber auch ihre Rollen.

Als Spieler der zweiten Reihe.

Hinze: Ich bin kein Fan von dieser Formulierung. Wir haben einen kleinen, aber feinen Kader. Wir sind sehr gut aufgestellt. Ich habe ein gutes Gefühl.

Genügt das Team höheren Ansprüchen?

Hinze: Was sind höhere Ansprüche?

Die Startformation kann vielleicht um Platz fünf spielen.

Hinze: Möglicherweise ist das so. Vielleicht geht es sogar besser. Wir haben eine gut zusammengestellte Mannschaft, die zu meiner Spielidee passt. Das Entscheidende für mich ist nicht, wie stark die anderen sind, sondern welche Konstanz wir abrufen.

Was erwarten Sie von Ihrer Mannschaft?

Hinze: Wie ich gerade sagte: Stabilität. Und wenn uns das gelingt, werden wir auch mit den Dingen, die wir spielen wollen, erfolgreich sein. Davon bin ich überzeugt. Konstanz ist eine Grundvoraussetzung für Erfolg.

Was nehmen sich die Löwen konkret vor?

Hinze: Die vergangene Saison entsprach mit Platz zwölf nicht unserem Anspruch. Das ist klar. Ein positives Punktekonto ist für einen Verein wie die Löwen das Mindeste. Viel wichtiger ist mir jedoch die Art und Weise, wie wir auftreten, mit welcher Energie wir die 60 Minuten in jedem einzelnen Spiel bestreiten. Dies kombiniert mit einer konsequenten Umsetzung der Spielidee ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Saison.

Wo ordnen Sie die Löwen also ein?

Hinze: Wir müssen anerkennen, dass andere Vereine auch gute Arbeit machen. Es gibt mehrere Clubs, die um die Ränge sechs bis neun spielen. Zu diesen Vereinen zähle ich uns auch. Klar ist aber, dass wir den maximalen sportlichen Erfolg haben wollen. Wir sollten die Saison mit Demut, aber auch mit dem Streben nach einer hohen Performance angehen.

Warum ist es gut, dass Sie mit Uwe Gensheimer nun einen Sportlichen Leiter an Ihrer Seite haben?

Hinze: Wir müssen nicht darüber sprechen, dass es sinnvoll für einen Verein ist, diese Position zu besetzen. Das steht nämlich außer Frage. Uwe und ich befinden uns in einem guten Austausch. Es ist schön, mit ihm gewisse Dinge auch mal ungefiltert besprechen zu können. Ich freue mich, mit ihm die Zukunft der Rhein-Neckar Löwen gestalten zu können. Wir haben die gleichen Ansätze, marschieren relativ kompromisslos gemeinsam in eine Richtung. Und das ist meiner Meinung nach neben Konstanz ein weiterer wesentlicher Faktor für Erfolg.

Sie sprechen von der Zukunftsplanung. Was macht die Suche nach einem Nachfolger von Juri Knorr, der den Verein 2025 verlässt?

Hinze: Diese Entscheidung hängt von mehreren Faktoren ab. Wir sind bei diesem Thema nicht festgefahren und auch noch nicht auf einen einzigen Kandidaten fixiert. Es gibt mehrere Gedankenspiele. Letztendlich kommt es beispielsweise auch darauf an, in welcher Verfassung Halil Jaganjac nach seiner Schulterverletzung zurückkehrt. Er war zwar mit im Trainingslager und macht große Fortschritte. Aber es bleibt dabei: Vor Dezember wird das eher nichts mit ihm.

Im Sommer 2022 hieß es, die Löwen wollen in drei bis fünf Jahren zur Spitzengruppe gehören. Ex-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann sprach von einem Fünfjahresplan, Aufsichtsratschef Lars Lamadé verabschiedete sich aber gerade erst von eben diesem. Werden die Löwen jemals wieder oben stehen?

Hinze: Ich bin ehrgeizig und davon überzeugt, dass die Löwen es schaffen können. Wir werden vermutlich nicht in zwei Jahren in der Champions League spielen. Aber wir haben eine Mannschaft mit einem großen Potenzial und einer guten Altersstruktur. Punktuell sind wir von den Topclubs nicht weit weg. Und jetzt geht es eben um die Frage, wie wir diese Lücke dauerhaft schließen.

Wie geht das denn?

Hinze: Entscheidend sind meiner Meinung nach nicht immer die finanziellen Mittel. Mit dem meisten Geld ganz oben zu stehen, das ist einfach. Wir gehen den schwierigeren Weg. Wir müssen unsere Spieler entwickeln, wir müssen unser System entwickeln. Wir müssen gewiss auch den einen oder anderen Spieler dazuholen, vor allem aber auch unseren Kader zusammenhalten und den Spielern hier die Perspektive bieten, es wirklich schaffen zu können. Wir müssen ihnen also zeigen, dass es keinen Grund gibt, die Löwen zu verlassen. Wenn uns das gelingt, ist es möglich, dass wir unser ehrgeiziges Ziel auch erreichen und beweisen, dass unser Weg erfolgreich sein kann.

Ist die nächste Saison schon eine entscheidende für die Zukunft der Löwen?

Hinze: Die Enttäuschung der vergangenen Saison müssen wir ablegen. Das schaffen wir nur mit guten Ergebnissen. Entsprechend ist auch klar: Das wird eine wichtige Saison für die Löwen.

Verspüren Sie deswegen mehr Druck?

Hinze: Nein. Ich habe Bock auf die Mannschaft. Ich habe Lust auf diese Saison. Und ich mache mich frei von äußeren Einflüssen. Ich erwarte von mir ohnehin viel. Das reicht dann auch schon als Druck.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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