Wer im Programm der aktuellen Faustball-WM in Mannheim die Mannschaftsaufstellungen durchblättert, wird bei den Teams von Brasilien, Chile und Argentinien auf viele deutsche Namen stoßen. Das mag auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen. Blickt man jedoch auf die Geschichte des Faustballs dieser Länder, wird man unweigerlich auf die Verbindung zu ehemaligen Deutschen Turnvereinen stoßen.
Mit der massenhaften Auswanderung aus Deutschland haben Turnen und der Sport den Weg in alle Welt genommen. Faustball galt bis in die Nachkriegsjahre als reines „Turnspiel“. In Südamerika ist es das geblieben. Die brasilianischen Spieler etwa kommen aus nur zwei Vereinen: Sociedade de Ginástica Porto Alegre (Sogipa), dem ehemaligen Turnerbund Porto Alegre, und Sociedade de Ginástica Novo Hamburgo, dem ehemaligen Turnverein Neu-Hamburg. Die Umbenennungen erfolgten im Zug der „Nationalisierung“ 1938, unter anderem gegen die Aktivitäten nationalsozialistischer Ortsgruppen in den brasilianischen Südstaaten. Faustball nennt sich seither Punhobol.
Erstes öffentliches Spiel 1911
In Porto Alegre lässt sich die Einführung des Faustballspiels genau datieren. Der als „Kolonist“ nach Brasilien ausgewanderte Münchner Georg Black hatte Kurse an der Bayerischen Turnlehrerbildungsanstalt unter Otto Heinrich Weber absolviert.
Dieser wiederum hat das Faustballspiel in den frühen 1890er Jahren als einfaches Rückschlagspiel entwickelt. Mit seinem Turnlehrerpatent zog Black 1902 in die Stadt Porto Alegre, wo er eine Anstellung beim dortigen Deutschen Turnerbund fand. Der Verein erwarb 1910 ein großes Freigelände in der Vorstadt São João. Zur Erinnerung an die Eröffnung des ersten Turnplatzes in der Berliner Hasenheide 1811, wurde am 21. Mai 1911 zum ersten Mal öffentlich ein Faustballspiel ausgetragen.
Das Faustballspiel wurde bei allen Turnvereinen Rio Grande do Suls (und in anderen Bundesstaaten) eingeführt und entwickelte sich zu einem der beliebtesten Spiele der Turner. Novo Hamburgo war 1976 Austragungsort der ersten in Brasilien ausgetragenen Weltmeisterschaften. In den Akten der Sogipa ist ein signiertes Foto der siegreichen deutschen Faustballer überliefert. Auf dessen Rückseite bedanken sie sich für die herzliche Aufnahme in Novo Hamburgo und Porto Alegre.
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