Frau Kettemann, dürfen die Löwen- Spieler nach dem Training warm duschen oder wird wegen der Energie-krise schon gespart?
Jennifer Kettemann: Wir haben das Glück, seit wenigen Wochen mit einer Wärmepumpe ausgestattet zu sein. Entsprechend können wir die Warmwasserversorgung gewährleisten. Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr wichtig für uns, weshalb wir weitere Dinge im Trainingszentrum angegangen sind. Beispielsweise wird die Trainingshalle in Kronau noch in diesem Jahr auf energieeffiziente LED-Leuchten umgestellt.
Sie sind auch Mitglied im Präsidium der Handball-Bundesliga. Wurden aus diesem Gremium bestimmte Vorgaben an die Vereine zum Energiesparen gemacht?
Kettemann: Es stand mal zur Diskussion, dass jeder Club 20 Prozent Energie einsparen sollte. Obwohl ich generell für die Einsparung von Energie bin, war ich persönlich von diesem Vorschlag nicht überzeugt. Die Vereine haben unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Einige Clubs haben in diese Richtung schon vorher viel unternommen, auch wir als Rhein-Neckar Löwen sowie unsere Heimspielstätte, die SAP Arena. Wir haben entschieden, dass es keine Vorgabe gibt, was jeder an Energie einsparen soll. Aber klar ist, dass jeder etwas machen muss.
Gibt es wiederum für die Löwen entsprechende Forderungen vonseiten der Politik?
Kettemann: Nein, bislang nicht. Wir befinden uns mit dem baden-württembergischen Sozial- und Umweltministerium im Austausch. Im Moment gibt es keine akuten Pläne, die uns irgendwie betreffen könnten.
Wie sehr erschwert die Energiekrise den Sponsorenmarkt?
Kettemann: Bislang wirkt sich das bei uns noch nicht aus. Unsere Partner halten uns wie schon in der Corona-Krise die Treue. Aber wir spüren, dass Energie für alle ein Thema ist und jeder seine Investitionen überdenken muss.
Inwieweit haben sich die Vereine auf dem Sponsorensektor gerade erst von der Pandemie erholt?
Kettemann: Gefühlt schlittern wir von der einen Krise in die nächste. Wir sind dankbar, dass nicht nur unsere bestehenden Sponsoren ihren Verpflichtungen nachkommen, sondern mittlerweile vermehrt auch ihr Netzwerk einbringen, um Unternehmen für die Rhein-Neckar Löwen zu begeistern. Das viel größere Problem sieht man beim Zuschauerzuspruch. Alle Vereine haben mit Rückgängen zu kämpfen, was nur allzu verständlich ist. Eine vierköpfige Familie muss sich überlegen, ob sie viermal in der Saison zum Spiel geht oder nur einmal. Das kann ich bei der momentanen Unsicherheit in der Gesellschaft nachvollziehen.
Wie wollen die Löwen dieser Entwicklung entgegenwirken, wenn man selbst als Verein mit steigenden Kosten zu kämpfen hat?
Kettemann: Grundsätzlich ist die Zuschauerrückgewinnung eine große Herausforderung. Es geht um Ticketing-Strategien. Das Verhalten der Fans hat sich nach der Corona-Pandemie verändert. Es wollen sich weniger für eine ganze Saison binden. Der Griff zur Dauerkarte ist zögerlicher. Darauf müssen wir eingehen und gewisse Abos anbieten, zum Beispiel dass man sich fünf Spiele in der Rückrunde aussuchen kann und dafür einen Pauschalpreis zahlt. Wir haben uns für die gesamte Saison unterschiedliche Angebote für unsere verschiedenen Zielgruppen überlegt.
Sind die sinkenden Zuschauerzahlen bei den Löwen nur eine Folge von Corona- und Energiekrise?
Kettemann: Nein. Wir müssen ehrlich sein und sagen: Zu dieser Entwicklung hat auch die sportliche Situation in den vergangenen Jahren geführt. Nach unserem guten Saisonstart spüren wir aber, dass das Interesse langsam zurückkommt. Man möchte bei den Löwen wieder dabei sein.
Was wiederum bedeutet, dass sportlicher Erfolg das beste Marketing ist.
Kettemann: Natürlich, da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Ich merke ja selbst, dass meine Arbeit weitaus leichter ist, wenn es in der Bundesliga gut für uns läuft. Sportlicher Erfolg ist das Wichtigste. Aber die ganze Arbeit drumherum hat uns in den vergangenen Jahren über Wasser gehalten. Es war für uns wichtig, dass wir uns auf anderen Gebieten wie etwa der Digitalisierung extrem weiterentwickelt haben. Ohne diesen Fortschritt wären wir nicht so gut durch die Corona-Krise gekommen, denn es hat uns beispielsweise die Möglichkeit gegeben, gerade bei den Geisterspielen unseren Partnern reichweitenstarke Ersatzleistungen anzubieten. Nun gilt es, diese Reichweiten zu nutzen, um nachhaltig wieder viele Fans von den Löwen zu begeistern.
Die Löwen sind Tabellenführer und nun folgt das Spitzenspiel in Kiel: Kommt das etwas früher als erwartet?
Kettemann: Wir genießen den Moment, hätten allerdings niemals damit gerechnet, am achten Spieltag als Tabellenführer nach Kiel zu reisen. Ich war zwar immer davon überzeugt, dass diese Saison besser wird und Sebastian Hinze der richtige Trainer für uns ist. Aber mit diesem Saisonstart konnte niemand rechnen. Uns ist allerdings auch total bewusst, dass es noch viele Rückschläge geben und nicht immer so weitergehen wird. Deswegen bleiben wir demütig und vorsichtig. Vor uns liegt sehr viel harte Arbeit und bei der Kaderzusammenstellung gibt es noch einiges zu optimieren. Wir haben einen Fünfjahresplan. Und auch wenn es momentan vielleicht so aussehen mag, dass die Rückkehr in die Spitzengruppe schneller gehen könnte, werden wir unsere Zielsetzung jetzt nicht verändern.
Vor nicht allzu langer Zeit war eine Partie in Kiel immer ein Spitzenspiel: Warum war es das in den vergangenen drei Jahren nicht?
Kettemann: Wir hatten enormes Verletzungspech, haben Fehlentscheidungen in der Kaderzusammenstellung getroffen und hatten nicht die Konstanz auf der Trainerposition, die man aber haben muss, wenn man oben mitspielen will. Deswegen sind wir hart mit uns ins Gericht gegangen und haben aus unseren Fehlern gelernt.
Wurde die Notbremse zu spät gezogen? Es sah oft danach aus, dass mit kurzfristigen Lösungen versucht wurde, irgendetwas zu retten.
Kettemann: Eine der schwierigsten Entscheidungen war zum Beispiel, auf unseren Trainer Sebastian Hinze ein Jahr lang zu warten. Eine Übergangssaison wollten wir uns eigentlich nicht erlauben und uns war bewusst, dass es ein schwieriges Jahr wird. Platz zehn hatten wir allerdings nicht erwartet. Dennoch sage ich aus tiefstem Herzen: Es hat sich gelohnt, auf Sebastian Hinze zu warten, weil er wirklich der Trainer und Typ Mensch ist, den wir hier brauchen. Deswegen kann ich auch nicht sagen, dass ich das nicht noch einmal so entscheiden würde. Mal abgesehen davon, dass wir alles versucht haben, Sebastian ein Jahr früher zu bekommen.
War es falsch, auf das Vakuum in der Sportlichen Leitung nicht früher zu reagieren, als sich der Negativtrend abzeichnete?
Kettemann: Nein, weil man den zeitlichen Kontext sehen muss. Mitten in der Corona-Pandemie, als es ums wirtschaftliche Überleben des Vereins ging, die Spieler auf Teile ihres Gehalts verzichtet und wir Staatshilfen erhalten haben, wäre es nicht vermittelbar gewesen, Geld für einen neuen Sportlichen Leiter in die Hand zu nehmen. Auch in finanzieller Hinsicht waren uns da Grenzen gesetzt. Insofern verstehe ich zwar, dass unsere Entscheidung kritisch hinterfragt wird. Es war aber einfach nichts anderes möglich.
Was würden Sie rückblickend anders entscheiden?
Kettemann: Die sportliche Entwicklung hat ja gezeigt, dass wir bei der einen oder anderen Personalie nicht richtig lagen. Deswegen würden wir mit dem jetzigen Wissen auch manch eine Spieler- oder Trainerentscheidung anders fällen.
Die Füchse Berlin haben sich zuletzt mit Mathias Gidsel verstärkt und sind auch durch ihn noch einmal besser geworden. Wann verpflichten die Löwen wieder Spieler dieses Formats?
Kettemann: Es ist für uns nicht unmöglich, Spieler dieses Kalibers zu bekommen. Aber wir müssen auch zugeben: Wir spielen nicht im Europapokal, haben vor ein paar Monaten die Saison als Zehnter abgeschlossen. Wenn man sich in dieser Situation um Topspieler bemüht, ist man schlichtweg nicht die erste Wahl. Aktuell ist es auch nicht Teil unserer Strategie, Spieler dieses Formats zu verpflichten. In den nächsten Jahren haben wir das aber vor und wir spüren schon jetzt, dass der eine oder andere Spieler, den wir aktuell noch gar nicht hätten ansprechen wollen, nun doch wieder die Löwen auf seiner Liste hat.
Wie wirkt es sich auf die Löwen aus, dass es mit Kolstad und Aalborg zwei finanzstarke neue Player aus Skandinavien gibt?
Kettemann: Wir merken das und wissen, dass wir auf dem Transfermarkt im Vergleich mit diesen Vereinen mit anderen Dingen überzeugen müssen: das Umfeld, die Infrastruktur, die Trainingsmöglichkeiten, der Trainerstab, der Umgang miteinander. Damit müssen wir punkten, weil wir in finanzieller Hinsicht oft nicht das beste Angebot abgeben können.
Klar ist auch, dass deutsche Clubs durch die starke Entwicklung der gesamten dänischen Liga nicht mehr zwangsläufig ein Magnet für die umworbenen skandinavischen Talente sind. Wie wollen die Löwen dem entgegenwirken?
Kettemann: Es hilft uns, dass wir mit Michael Jacobsen einen dänischen Co-Trainer haben. Er kennt den skandinavischen Markt sehr gut, hat ein großes Netzwerk, steht mit vielen Talenten in Kontakt und hat bei der Kaderplanung für jede offene Position zwei, drei Namen im Angebot, die er mit Sebastian Hinze diskutiert.
Wie soll die Einbindung der eigenen Jugendspieler vorangetrieben werden?
Kettemann: Auch bei diesem Thema ist Michael Jacobsen ganz wichtig. Wir haben gemerkt, dass wir besser werden müssen, wenn es um unsere eigenen Talente geht. Wir müssen uns intensiver um sie kümmern, ihnen mit Zweitspielrechten und Leihen helfen, mit ihnen in Kontakt bleiben, wenn sie bei uns den Sprung in die Bundesliga nicht sofort packen. Diese Aufgabe ist sehr zeitintensiv – unter anderem deswegen haben wir Michael geholt.
Sprechen wir konkret über David Späth. Ist der Junioren-Nationaltorwart ein Kandidat für einen zeitlich begrenzten Abschied?
Kettemann: Wir halten große Stücke auf David. Von ihm glauben wir, dass er künftig für uns in der Bundesliga spielen kann. Gleichzeitig haben wir auch das Szenario einer Leihe im Kopf und sind mit David dahingehend im Gespräch, dass solch eine Lösung für seine Karriere eventuell besser sein könnte. Aber konkret ist da nichts. Im Gegenteil. Stand heute würden wir David nicht abgeben.
Haben Sie Sorge, dass Juri Knorr von seiner Ausstiegsklausel im Sommer 2023 Gebrauch macht?
Kettemann: Nein.
Warum nicht?
Kettemann: Weil wir eine gute Zusammenarbeit haben. Wir sind sehr glücklich über seine positive Entwicklung. Er ist jetzt richtig angekommen bei den Löwen.
Hat Niclas Kirkeløkke Sie schon informiert, dass er 2024 nach Flensburg wechselt?
Kettemann: Ich habe davon gelesen, dass es solche Gerüchte gibt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Neuzugang Halil Jaganjac trumpft bislang auf. Er ist nur von Vive Kielce ausgeliehen. Kann ihn der polnische Spitzenclub jederzeit zu sich holen?
Kettemann: Nein, diese Option gibt es nicht. Halil ist für drei Jahre fest an uns verliehen und hat danach noch ein viertes Vertragsjahr in Kielce. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass es Halil zeitnah nach Polen zieht. Er fühlt sich total wohl und identifiziert sich zu 100 Prozent mit den Löwen.
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