Es dauerte nicht lange, bis Joseph Cramarossa seinen ersten Aha-Moment in neuer Umgebung hatte. Nach dem Transatlantikflug am Montag wollte sich der neue Angreifer der Adler Mannheim tags darauf in einem Supermarkt mit Brötchen eindecken, um verwundert festzustellen, dass seine Bezahl-App noch nicht funktionierte.
Wie gut, dass nicht alle neuen Teamkollegen in der Quadratestadt neue Gesichter für den 30-jährigen Kanadier sind. Er fragte Korbinian Holzer um Rat, mit dem er in der Saison 2016/17 in der Organisation des NHL-Clubs Anaheim Ducks zusammenspielte - und der Adler-Verteidiger half ihm mit Bargeld aus.
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„Ich kann mich ganz gut in Joe hineinversetzen“, sagt Holzer nach dem Mannschaftstraining am Mittwoch. „Schließlich habe ich ab und zu auch im Ausland gespielt. Als ich in Russland war, habe ich mich zum Beispiel auch sehr darüber gefreut, als mir ein Teamkollege einige Rubel in die Hand gedrückt hat.“
Zur Not auch mit den Fäusten
Bis zum Wochenende hofft Cramarossa, dass er alle Bankangelegenheiten in Deutschland geregelt hat und auf sein Konto zugreifen kann. Bis dahin möchte er den ersten Sieg in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) eingefahren haben. Doch die Aufgabe könnte herausfordernder kaum sein. Am Freitag (19.30 Uhr) kommt der unangefochtene Tabellenführer München in die SAP Arena. Bis Mittwochmittag waren schon 11 700 Tickets für das Topspiel verkauft. Karten gibt es noch an der Abendkasse.
So bin ich gleich drin im Geschehen und bringe meinen Körper schnell auf Betriebstemperatur.
Für ihn selbst, betont Cramarossa, könnte es kein besseres DEL-Debüt geben. „Meine Premiere für die Adler gleich daheim gegen den Spitzenreiter - besser hätte ich den Spielplan gar nicht gestalten können“, betont der Linksschütze. „So bin ich gleich drin im Geschehen und bringe meinen Körper schnell auf Betriebstemperatur.“
Mittendrin im Geschehen - diese Beschreibung trifft die Spielweise des Kanadiers ohnehin ziemlich gut. Er geht keinem Zweikampf aus dem Weg, steht für seine Mannschaftskameraden ein und lässt auch die Fäuste sprechen, wenn es denn sein muss. „Ich bin ein ziemlich kompletter Spieler“, sagt Cramarossa über sich. „Natürlich denken viele an meine physische Präsenz, wenn sie mich als Eishockeyspieler charakterisieren sollen. Ich bin mir aber sicher, dass ich dem Team auch offensiv weiterhelfen kann.“
Holzer teilt diese Einschätzung. „In Anaheim hat Joe damals ein sehr gutes Camp absolviert und sich seinen Platz im NHL-Team verdient“, erinnert sich der Adler-Verteidiger: „Er geht dem Gegner mit seiner giftigen Spielwiese unter die Haut.“
Obwohl Cramarossa auch als Mittelstürmer gelistet wird, sieht er sich als Linksaußen. Auf dieser Position wird er auch in Mannheim eingesetzt. Am Mittwoch bildete er eine Reihe mit Jordan Szwarz und Tyler Gaudet. „In meiner Karriere habe ich schon das eine oder andere Mal gegen die beiden gespielt. Wir kennen uns und haben trotz der kurzen Zeit schon eine gute Chemie entwickelt“, betont Cramarossa, der auch in Unterzahl auflaufen soll.
Mannheim stand auf meiner Liste. Insofern habe ich eine Ahnung, was mich hier erwarten wird.
Als Adler-Sportmanager Jan-Axel Alavaara ihm in der vergangenen Woche das Angebot unterbreitete, wusste der 30-Jährige ziemlich genau, wie er sich entscheiden würde. „Ich habe schon früher mit dem Gedanken gespielt, nach Europa zu gehen. Mannheim stand auf meiner Liste. Insofern habe ich eine Ahnung, was mich hier erwarten wird“, sagt Cramarossa, der bei den Adlern die Nummer 91 trägt.
Er könnte sich auch gut vorstellen, länger als bis zum Saisonende zu bleiben: „Meine Frau arbeitet in Toronto. In dieser Saison wird sie mich nur besuchen. Wenn ich aber im nächsten Jahr zurückkehren sollte, hat sie mir schon zugesichert, dass sie dabei ist.“
Cramarossa macht einen offenen, reflektierten Eindruck. Und er war beeindruckt von der spielerischen Klasse, die in seinem neuen Team steckt. „Das ist ein Augenöffner“, betont er. „Es zeigt dir, wie viel Talent es in der Eishockey-Welt gibt. In Nordamerika hast du dann doch nur einen ganz engen Fokus.“
Zugute kommt ihm auch, dass er europäische Wurzeln hat: Papa Vito, der 1984 in der sechsten Runde an 122. Stelle von den Washington Capitals gedraftet wurde, aber nie in der NHL zum Einsatz kam, ist Italiener; seine Mutter Griechin.
Noch in dieser Saison absolvierte Cramarossa vier NHL-Spiele für die Minnesota Wild. Im Farmteam in Iowa kam er kaum zum Einsatz, obwohl er nicht verletzt war. Nun sah er die Zeit gekommen, um etwas anderes auszuprobieren. In Mannheim hat er mit Matt Donovan einen Spieler an seiner Seite, mit dem er sich vor gut drei Jahren einen Faustkampf lieferte: „Für mich ist es nichts Neues, auf Jungs zu treffen, mit denen ich ein bisschen gerauft habe. Wir schütteln uns dann die Hände - und alles ist erledigt.“
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