Paris. Stine Kurz schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen, dann sank sie langsam zu Boden. Minutenlang lag die Hockey-Spielerin des Mannheimer HC auf dem Platz des Stade Yves-du-Manoir. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben: Das olympische Turnier endet ohne Medaillengewinn. Im Viertelfinal-Krimi unterlag das Team des Deutschen Hockey-Bunds (DHB) Argentinien mit 0:2 im Penaltyschießen, nach regulärer Spielzeit hatte es 1:1 gestanden.
Die Pressevertreter warteten lange auf die Spielerinnen, um ein Stimmungsbild einzufangen. Sie warteten vergebens. Der DHB bat um Verständnis, dass die Enttäuschten die Niederlage erst einmal verarbeiten mussten. Im ZDF äußerte sich immerhin Torhüterin Nathalie Kubalski, die in 60 spannenden, aber selten hochklassigen Minuten eine starke Leistung gezeigt hatte, im Nervenkrimi Penaltyschießen aber die Versuche von Julieta Jankunas und Zoe Diaz passieren lassen musste. „Es ist bitter, dass wir kurz vor Schluss bei unserer Führung noch eine Ecke zulassen, die die Argentinierinnen gut ausspielen“, sprach Kubalski die letztlich spielentscheidende Situation an. „Wir hatten uns so viel vorgenommen.“
Deutsche Hockey-Frauen finden nach verschlafenem Start ins Spiel
Nach einem verschlafenen Start fand Deutschland immer besser ins Spiel. In der 57. Minute schalteten die DHB-Damen blitzschnell um. Nach einem langen Pass tauchte Jette Fleschütz allein vor der gegnerischen Torhüterin auf, sie umkurvte Cristina Cosentino und wurde gefoult - Siebenmeter! Viktoria Huse trat an, behielt die Nerven und versenkte die Kugel eiskalt zum 1:0, da waren nur noch dreieinhalb Minuten zu spielen.
Argentinien setzte alles auf eine Karte, Cosentino verließ ihren Kasten zugunsten einer weiteren Feldspielerin. 90 Sekunden vor Schluss gab es eine kurze Ecke für die Südamerikanerinnen. Und nachdem sie bis dahin bei den Standardsituationen keine Torgefahr versprüht hatten, funktionierte es diesmal zum Leidwesen der Deutschen: Diaz gab dem Schlagpass die entscheidende Richtungsänderung. Die Spannung wurde auf die Spitze getrieben. Für den olympischen Auftritt der DHB-Frauen war es sinnbildlich, dass alle vier Schützinnen nicht trafen.
Hockey-Bundestrainer Altenburg konstatiert: „Ziel nicht erreicht“
Zum zweiten Mal in Folge war damit bereits im Viertelfinale der Sommerspiele Schluss, der Traum von einer Medaille oder sogar dem ersten Gold seit 20 Jahren erfüllte sich in Paris nicht. „Ziel nicht erreicht“, sagte Bundestrainer Valentin Altenburg, der sich als Einziger den Fragen der Pressevertreter stellte: „Dass wir die Kleinigkeiten, die den Unterschied gemacht haben, nicht besser machen konnten, nervt tierisch. Deswegen bin ich mit dem Ergebnis sehr unzufrieden. Uns wäre egal gewesen, wie wir ins Halbfinale einziehen. Alles, was wir gemacht haben, war darauf ausgelegt, zu gewinnen.“
Nach dem 0:2 zum Abschluss der Gruppenphase gegen Belgien hatte Kurz für die K.o.-Runde eine konstant gute Leistung gefordert. Doch wieder fand Deutschland schleppend in die Partie. Ein ums andere Mal verhinderte Kubalski einen frühen Rückstand. Die deutschen Aufbaupässe kamen nicht an, Nachlässigkeiten bei der Ballannahme waren zu erkennen. Auch gedanklich waren die Argentinierinnen zunächst schneller.
Fleschütz scheitert kurz vor Schluss am Außennetz: Penaltyschießen
Das änderte sich mit dem zweiten Viertel. Lena Micheel (22.) verpasste das 1:0, auch die kurzen Ecken fanden - wie im gesamten Turnierverlauf - ihr Ziel nicht. Dennoch hätte das DHB-Team auch nach dem 1:1 den Halbfinaleinzug klarmachen können. Kurz schickte mit einem langen Pass Fleschütz auf die Reise, die am Außennetz scheiterte (60.).
Die Entscheidung musste die Lotterie Penaltyschießen herbeiführen. Im Duell Frau gegen Frau zogen Linnea Weidemann, Viktoria Huse, Anne Schröder und Sonja Zimmermann nur Nieten. „Es wird dauern, bis wir das verdaut haben“, betonte Torfrau Kubalski und versprach: „Wir werden wiederkommen.“
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