Mannheim. Ob er das noch einmal erleben wird? Es ist etwas mehr als fünf Jahre her, da präsentierte Uwe Gensheimer den Fans der Rhein-Neckar Löwen die Meisterschale. Im Friedrichspark feierten Mannschaft und Anhänger gemeinsam den großen Triumph in der Handball-Bundesliga und das Ende eines Fluchs. Gensheimer war am Ziel seiner Träume. Der Verein war am Ziel seiner Träume. Und der Club legte in den folgenden Jahren mit einer weiteren Meisterschaft und einem Pokalsieg nach.
Gensheimer erlebte diese Erfolge nicht mehr mit. Von 2016 bis 2019 feierte er dafür Titel mit Paris Saint-Germain, vor zweieinhalb Jahren kehrte er aber zurück zu den Löwen, bei denen der Weltklasse-Linksaußen nun seinen bis 2022 datierten Vertrag noch einmal bis 2024 verlängerte.
„Herzensverein“
Die Voraussetzungen sind aber längst andere. Der waschechte Mannheimer spielt mit den Badenern nicht mehr um Titel, so wie er es sich bei seiner Rückkehr 2019 erhofft hatte. Stattdessen stehen die Löwen nach einer langen Irrfahrt vor einem kompletten Neuaufbau, an dem Gensheimer allerdings unbedingt mitwirken will: „Wir stehen vor großen Herausforderungen und mitten in einem Umbruch, den ich unbedingt mitgestalten und bei dessen Gelingen ich sehr gerne helfen möchte.“ Und das aus gutem Grund: Die Löwen sind für ihn nicht nur ein Club, sondern sein „Herzensverein“, dessen Trikot er – abgesehen von den drei Jahren in Paris – seit 2003 trägt: „Ich habe die gesamte Historie des Vereins mit durchlebt, von der 2. Liga bis zur Meisterschaft und in die Champions League. Und ich weiß, dass dieser Weg noch nicht zu Ende ist.“
Wohin „dieser Weg“ führen wird, das ist momentan schwer vorhersehbar, seriöse Prognosen sind eigentlich sogar unmöglich. Denn auch wenn Gensheimers Vertragsverlängerung „für die Entwicklung der Löwen in den kommenden Jahren ein absoluter Meilenstein“ ist, wie Sportkoordinator Oliver Roggisch meint, so wird die Perspektive des Vereins dann doch vor allem davon abhängen, wie der zweifache deutsche Meister seine Mannschaft zeitnah verstärkt, um dem eigenen Anspruch mit dem neuen Trainer Sebastian Hinze (ab Juli 2022) wieder halbwegs gerecht zu werden.
Momentan gibt es bei der Kaderplanung nicht nur viele offene Stellen, sondern auch einige Rätsel: Wird Schlussmann Mikael Appelgren wirklich wieder zu 100 Prozent fit und kann ebenso zur neuen Saison wieder zwischen den Pfosten stehen wie der aktuell am Kreuzband verletzte David Späth? Oder soll Nationaltorwart Joel Birlehm doch ein Jahr früher als geplant kommen? Letzteres dürfte schwierig werden. Oder: Wie will der Club den Verlust von Weltklasse-Spielmacher Andy Schmid auffangen? Soll Juri Knorr all die Verantwortung künftig alleine tragen? Von einem 21-Jährigen wäre das ganz schön viel verlangt. Und wer soll angesichts des feststehenden Abschieds von Ilija Abutovic künftig im Abwehrzentrum neben Ymir Gislason agieren?
Kommt Pytlick?
Gesucht wird ein Mann, der große Qualitäten in der Deckung und auch im Angriff Stärken hat. Also ein Spieler wie Jonathan Carlsbogard, Max Darj oder Sebastian Heymann. Das Problem: Von allen drei Profis handelten sich die Mannheimer eine Absage ein. Anders als in den Meisterjahren stehen die Spieler mittlerweile nämlich längst nicht mehr Schlange, weil sie zu den Badenern wollen. Es ist also Kreativität bei der Personalplanung gefragt.
Für den Rückraum beschäftigen sich die Löwen nach Informationen dieser Redaktion mit Simon Pytlick, der bei GOG Gudme unter Vertrag steht, gerade seine ersten Länderspiele für Dänemark bestritt und nicht nur das Interesse der Badener auf sich gezogen hat. Auf der linken Außenbahn hätte der deutsche Pokalsieger von 2018 außerdem noch eine Planstelle hinter Gensheimer zu vergeben. Der Vertrag von Benjamin Helander endet im Juni, aus dem eigenen Nachwuchs drängt sich Junioren-Nationalspieler Lion Zacharias auf. Trainer Klaus Gärtner traut dem 18-Jährigen nicht nur viel zu, sondern ist sich sogar sicher, dass „die Löwen an diesem Spieler noch viel Freude haben werden“. Das klingt nach einem Profivertrag. Doch was wird dann aus Helander?
Gewiss: Die Besetzung der Ersatzrolle hinter Gensheimer wird für den künftigen Erfolg der Löwen nicht sonderlich entscheidend sein, so lange der Unumstrittene gesund bleibt. Denn dessen Qualitäten stehen außer Frage. „Für mich ist Uwe der beste Linksaußen, den die Handballwelt je gesehen hat“, adelt Roggisch den 204-fachen deutschen Nationalspieler, der zusätzlich von einem seiner sehr prominenten Vorgänger in der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) gelobt wird. „Wenn man seine Fähigkeiten, seine Athletik und sein Handgelenk sieht, ist Uwe das Nonplusultra“, sagt Stefan Kretzschmar und legt sich fest: „Das Gesamtpaket Gensheimer hat es bis jetzt in dieser Form noch nicht gegeben, er hat die Linksaußenposition revolutioniert. Daran gibt es keine Zweifel, dahinter steht noch nicht einmal ein Fragezeichen.“ Hinter dem Weg der Löwen schon. Trotz Gensheimer.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/sport_artikel,-sport-gensheimer-bleibt-loewe-aber-wer-kommt-noch-_arid,1889776.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/vereine_verein,_vereinid,2.html