Abschluss WM-Serie

Die Fans bei der WM: Katar kauft sich die Stimmung schön

Die Bilder feiernder Fans gehören fest zu einer WM. Damit das Turnier in Katar diesbezüglich in nichts nachsteht, unternimmt das Emirat einiges. Fans müssen sich aber an Regeln halten - und auf kurze Wege verzichten

Von 
Susanne Fetter
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Chinesische Fans haben sich zu einem Gruppenfoto aufgestellt. Sie tragen Trikots von der deutschen, englischen, belgischen, niederländischen und spanischen Mannschaft. © dpa © dpa

Yezenia Navarro wirft die blonden Locken zurück und geht in Pose. Die Mexikanerin weiß sich in Szene zu setzen. Auf Instagram hat sie 78 000 Follower. Auf ihrem Profilbild hält sie David Beckham im Arm.

Der englische Ex-Nationalspieler ist das umstrittene Werbegesicht dieser Fußball-WM. 180 Millionen Euro soll er dafür kassieren. Yezenia Navarro bekommt angeblich nichts. Zumindest kein Geld, sagt sie. Sie wird eingeladen zu Terminen, bei denen sie Stars wie David Beckham trifft, und hat Zugang zu exklusiven Events rund um die WM – in Katar und im Ausland.

Die Mexikanerin, die schon lange in Doha wohnt, ist eine von 200 Fan-Leadern, die die 32 Länder repräsentieren, die an der WM teilnehmen. 2014 war sie Miss Mexiko, heute arbeitet die Mitte-30-Jährige als Model, Schauspielerin und Influencerin und ist Mutter dreier Jungs. Mit neun weiteren Fanbeauftragten sitzt sie kurz vor dem WM-Start in der Kabine des Lusail-Stadions und plaudert mit Journalisten.

Sie alle sind Ansprechpartner für die Fans ihres Landes. Vieles läuft über soziale Netzwerke. Ob Alkohol oder Sex oft Thema sind? Nicht, dass sie wüsste, sagt Navarro. Auch die anderen schütteln den Kopf. Dann meldet sich Elisabeth Reis. „Also vielleicht ticken Portugiesen da ja anders, aber ich bekomme viele Anfragen zu diesen Themen.“

Wann und wo darf man Alkohol trinken? Wie ist es mit außerehelichem Sex, der in Katar verboten ist? Was passiert, wenn Fans mit nacktem Oberkörper durch die Straßen laufen? Und was, wenn sie sich küssen – egal ob Mann oder Frau?

Asiaten in Deutschland-Trikots

Die Antwort gibt Stevie Mackie. Auch der Engländer gehört der Gruppe an. Es gehe doch nur um Respekt, sagt er. Wenn man Katars Kultur respektiere, werde man eine ganz wunderbare WM erleben. Ein Statement, wie es den Organisatoren des Turniers gefällt. Vor zwei Jahren startete das Projekt der Fanbeauftragten. „Das Organisationskomitee hat eine Schulung abgehalten und allen gezeigt, wie sie mit Fans und Medien sprechen und was sie von Katar in die Welt bringen sollen“, sagt der Tunesier Aymen Sassi. Es scheint, gefruchtet zu haben.

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Aktuell gibt es aus Katar Szenen jubelnder Fans, die „ihre“ Teams begrüßen. Südasiaten, fast nur Männer, die in Deutschland-Trikots auf der Straße tanzen und Plakate und Fahnen schwenken. Der Spott hierzulande ließ nicht lange auf sich warten. In Katar folgte Unverständnis. Viele der Migranten seien Fans europäischer und südamerikanischer Stars und Teams, ließ das Organisationskomitee vermelden. Dem Vorwurf, diese Menschen seien bezahlt, wird widersprochen.

„Wir müssen aufpassen, wie wir solche Dinge bewerten. Wir wissen, dass es etwa in Indien viele Menschen gibt, die Fans des französischen Teams sind“, sagt Philipp Beitzel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS). „Trotzdem wirkt das natürlich orchestriert.“

Auch auf andere Art finanzieren die Organisatoren offenbar Stimmung. Einem Schreiben des WM-Organisationskomitees zufolge erleben Teilnehmer des Fan-Leader-Projektes aus dem Ausland das Turnier auf Kosten Katars – Flüge und Unterkunft werden bezahlt. Ein Taschengeld von 70 Euro pro Tag war ebenfalls angedacht, wurde am Wochenende aber wegen der immer lauter werdenden Kritik daran gestrichen.

450 Fans aus 59 Ländern seien beteiligt, berichtete die ARD. „Sie haben einen Verhaltenskodex bekommen, welche Bilder sie verbreiten sollen und welche nicht. Da muss man sich schon fragen, ob man sich da nicht instrumentalisieren lässt“, sagt Beitzel: „Mit Fantum, wie viele es leben, hat das nichts zu tun.“

Der „Fan Club Nationalmannschaft“ hat von dem Programm Kenntnis, wie ein Sprecher des Clubs auf Anfrage mitteilt. Unterstützt werde es vom Deutschen Fußball-Bund nicht, fügt er an.

Auch an einer anderen Veranstaltung beteiligt sich der Fanclub nicht. Ein Fanturnier des Organisationskomitees in Doha wurde abgesagt. „Auf Nachfrage hatte man uns mitgeteilt, dass nur gleichgeschlechtliche Teams antreten dürfen. Deshalb haben wir uns dagegen entschieden“, sagt ein Sprecher des „Fan Clubs“. Beitzel führt weiter aus: „Unseren Informationen zufolge haben die Organisatoren darauf verwiesen, dass sie die Männer-WM nachspielen. Dann hieß es, das Turnier sei auch für Frauen offen, jedoch dürften die Teams nicht durchmischt werden.“

Eine deutsche Mannschaft soll dennoch an dem Turnier teilnehmen. Der Kontakt soll über Fans des FC Bayern entstanden sein, die in Katar regelmäßig ihr Wintertrainingslager abhalten. Der „Fan Club“ plant stattdessen nun ein eigenes Turnier.

35 000 Tickets für die WM wurden über die FIFA nach Deutschland verkauft. Zum Vergleich: Beim Turnier in Brasilien waren es 56 000, in Russland 70 000. Da die meisten für mehrere Spiele bleiben und nicht alle auch Fans des deutschen Teams sind, ist eine exakte Zahl schwer zu ermitteln. Etwas mehr als 4000 deutsche Fans sollen wohl fliegen.

Die Kritik an fehlenden Menschenrechten, an der Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen, der Zeitpunkt im Winter sowie die nicht gerade günstigen Preise vor Ort vergällen so manchem die Freude.

Alkohol leichter zu bekommen

Der „Fan Club“ schlägt sein Lager bei der WM in Dubai auf. 2609 Euro kostet die Reise für zwölf Nächte im Dreibettzimmer. Ein Einzelzimmer ist für die Zeit für 3849 Euro zu haben. Klingt teuer, relativiert sich aber, wenn man weiß, dass das Paket alle Flüge sowie den Transport zum Flughafen beinhaltet und im ohnehin nicht gerade billigen Dubai zu diesem Zeitpunkt Hauptreisesaison ist. Tickets müssen extra bezahlt werden. Sie kosten zwischen 10 Euro und 1416 Euro.

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Von einem Luxushotel berichteten einige Medien, doch davon ist das „La Quinta by Wyndham Dubai Jumeira“ weit entfernt. Das kürzlich renovierte Gebäude steht an einer der wichtigsten Verkehrsstraßen der Stadt, benannt nach Sheikh Rashid, dem einstigen Herrscher des Emirats. 100 Zimmer hat es.

Die Zimmer sind groß. Es gibt einen kleinen Fitnessraum, einen Spa-Bereich und einen Außenpool auf dem Dach, den man schnell durchquert hat. Neben dem Hotel ist ein Krankenhaus.

Freizeitangebot gigantisch

Während der WM werden etwa 150 Fans dorthin reisen. „Die meisten bleiben zwei Spiele“, sagt ein „Fan-Club“-Sprecher: „Fast alle wollen Spanien sehen.“ Für die Partien werden die Fans mit Shuttles zum nahe gelegenen Flughafen gebracht. Von dort aus fliegt der Tross nach Doha, wo Busse ihn zum Stadion bringen. Nach dem Spiel geht es zurück. Lange Tage für ein Spiel und ein Turnier, das mit dem Titel „WM der kurzen Wege“ wirbt.

„Wir haben auch versucht, ein Quartier in Doha zu finden, und waren auf einem guten Weg. Am Ende scheiterte es an organisatorischen Problemen“, so der „Fan-Club“-Sprecher. Und er gibt zu, dass in Dubai natürlich einiges einfacher und angenehmer sei. Das Emirat ist offener als Katar und auf Touristen ausgelegt.

Das Freizeitangebot ist gigantisch – wie vieles in Dubai. Neben dem höchsten Gebäude der Welt, dem Burj Khalifa, liegt das größte Aquarium des Erdballs, das in einem riesigen Einkaufszentrum untergebracht ist. Die „Dubai Mall“ beherbergt auch eine Eislaufbahn und einen Wasserfall. Wer will, kann mit dem Shuttle des Hotels zum Strandviertel „La Mer“ fahren, das im alten Industrie-Chic gebaut ist. Während der Zugang zu vielen Stränden in Katar zumindest vor und nach der WM etwas kostet, ist er hier frei.

Auch Alkohol ist in Dubai leichter zu bekommen. Am Flughafen stehen Regale mit Wein, Sekt und Schnaps. Davor wird Bier in Paletten angeboten. Nicht günstig, wie überall in der Golfregion. Aber immerhin vorhanden. Ansonsten wird auch hier Alkohol nur in bestimmten Bars, Restaurants und Hotels ausgeschenkt.

Das ist auch im „Lan Quinta“ so. Für die deutschen Gäste, für die während der Vorrunde das Hotel geblockt wurde, gibt es zwei Public-Viewing-Bereiche – einen in der „Players Bar“ im Erdgeschoss und einen auf dem Dach. Dazu soll es ein spezielles Preisangebot geben, sagt Jan Hüpers, der General Manager des Hotels. Er ist in Kiel geboren, als Jugendlicher war er oft bei Spielen des Hamburger SV.

Schon einen Monat vor dem WM-Start testen Hüpers und seine Küche eine Currywurstsoße. Nur Schweinefleisch wird es nicht geben. Dafür benötigt man in Dubai eine spezielle Lizenz. „Wir werden Snacks und ein Bier zu annähernd deutschen Preisen anbieten“, sagt er. 20 Dirham soll ein großes Bier kosten. Etwas über fünf Euro. Rund ein Drittel des Normalpreises in Dubai.

In Katar sollte ursprünglich im Umfeld der Stadien vor und nach den Spielen alkoholisches Bier ausgeschenkt werden. In letzter Minute wurde die Entscheidung aber doch noch gekippt.

Getrunken wird nun anderswo. Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Saudi-Arabien, Bahrain – in der ganzen Golfregion sind Fans untergebracht. Bei vier Spielen am Tag kann man von 200 000 Menschen ausgehen, die täglich die Stadien besuchen, die alle innerhalb von etwas mehr als einer Autostunde erreichbar sind.

Viel wurde an der Infrastruktur gearbeitet. Eine Metro wurde gebaut, seit Wochen fahren Busse Probe. Trotzdem beschleicht einen das Gefühl, dass diese Aufgabe eine Nummer zu groß für das kleine Katar sein könnte.

„Es wird eine Herausforderung“, sagt der Sprecher des „Fan Clubs“: „Da Deutschland aber erst am Mittwoch spielt, hoffen wir, dass – wenn Probleme auftauchen – sie bis dahin im Griff sind.“

Wie sich das alles mit dem Ziel verträgt, die „nachhaltigste WM aller Zeiten“ zu werden? Beim „Fan Club“ sagt man: Man hätte mit Blick auf die Nachhaltigkeit gerne eine andere Lösung gefunden, verweist aber auch darauf, dass in riesigen Ländern wie Brasilien oder Russland die Wege noch weiter waren. Dort fuhren allerdings auch viele Fans mit dem Zug durchs Land, der in Russland kostenlos war. Diesmal geht es – Katar hat nur zu Saudi-Arabien eine Landgrenze – fast nur mit dem Flieger. Etwa 50 Minuten ist man von Doha nach Dubai in der Luft.

Was kommt danach?

„Es war immer klar, das ist eine WM für die ganze arabische Welt“, sagt Berthold Trenkel. Der Deutsche ist seit 2021 Chef der Tourismusorganisation Katars. Er weiß, wie man Botschaften platziert. Denn dass die erste WM in der arabischen Welt in viele ihrer Teile strahlt, hat auch damit zu tun, dass sie das kleine Katar an seine Kapazitätsgrenze bringt. Vor wenigen Wochen wurden extra noch Kreuzfahrtschiffe angemietet, die zusätzliche Kabinen brachten. Dazu wurden Unterkünfte in Containern geschaffen. Einladend sind sie nicht, dafür teuer.

120 000 Zimmer werde es insgesamt nun geben, sagt Trenkel. Was passiert mit ihnen nach dem Turnier? Dann sollen Touristen sie füllen. Katar investiert hier enorm. „Aktuell kommen sechs bis sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus dem Tourismus“, so Trenkel: „Bis 2030 soll die Zahl auf etwa zwölf Prozent anwachsen.“

Besonders Familien sollen angelockt werden. Katar und auch die Emirate gelten als extrem sicher. Kein Wunder, ist doch jeder Fleck öffentlichen Raums mit einer Kamera abgedeckt. Und auch in den Hotels und Restaurants sind solche Systeme Pflicht.

Wie Dubai will auch Doha auf Erlebnisse setzen. Wüstensafaris, Jetskifahren auf dem Persischen Golf. Bald soll hier die größte Wasserrutsche der Welt stehen, sagt Trenkel. Trotzdem soll alles etwas ruhiger sein. Der Titel „Las Vegas des Mittleren Ostens“ sei schließlich schon vergeben, sagt er mit einem kleinen Seitenhieb Richtung Dubai.

Welchen Titel Doha nach der Weltmeisterschaft tragen wird, ist noch unklar. Ob er am Ende allen gefällt? Manchmal reichen schöne Bilder alleine nicht aus, um ein positives Image zu schaffen.

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