Hannover. Die Gesamtsituation fühlt sich mindestens skurril an. Der SV Waldhof wirkte noch vor zwei Wochen und einem 2:2 beim SV Wehen Wiesbaden wie ein stabiles, gefestigtes Team, das sich trotz mancher Probleme seriös betrachtet auf einem soliden Weg zum Klassenerhalt befand. Von dieser intakten Ausgangslage ist fast nichts mehr übriggeblieben.
Das 1:1 (1:1) bei Hannover 96 II am Ostersonntag beendete eine chaotische Phase, bei der in der sportlichen Führung des Vereins kein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist. In der die Mannschaft gegen drei Gegner auf Augenhöhe und darunter nur noch einen von neun möglichen Punkten holte. In der sich im Umfeld mit Blick auf das immer realistischere Alptraumszenario Abstieg langsam Verzweiflung breitmacht.
Das merkwürdige Schweigen der Vereinsführung
Der neue Trainer Dominik Glawogger hat eine Aufgabe angetreten, um die man ihn nicht beneiden sollte. Der große Schatten seines bei den Fans enorm beliebten Vorgängers Bernhard Trares. Eine verunsicherte und in vielen Bereichen limitierte Mannschaft. Die generell mehr als fragwürdigen Begründungen für die Notwendigkeit eines Trainerwechsels sechs Spieltage vor dem Ende. Eine merkwürdig agierende Vereinsführung um Präsident Bernd Beetz und Aufsichtsratschef Christian Beetz, die schweigt, statt endlich einmal öffentlich ihre Motive für den harten Schnitt in einer hochsensiblen Phase der Saison zu erklären.
Die nagenden Zweifel aufgrund seiner fehlenden Erfahrung im deutschen Profifußball haben Glawogger vom ersten Tag an begleitet. Es kann durchaus der Realität entsprechen, dass der junge Österreicher, wie der neue Sportgeschäftsführer Gerhard Zuber behauptet, ein Trainertalent ist. Er hat es in der enorm komplizierten Gemengelage beim SVW auf jeden Fall bisher nur nicht zeigen können. Glawogger wirkt wie der falsche Mann zur falschen Zeit am falschen Ort.
Nach zwei Spielen unter dem jungen Coach lässt sich ganz wertneutral feststellen: Der Trainerwechsel hat keinen positiven Effekt gezeigt, er ist völlig verpufft. Beim nächsten schwachen Mannheimer Auftritt am Ostersonntag im kleinen Eilenriedestadion zu Hannover musste man spielerische Verbesserungen im Vergleich zum desolaten 0:3 beim Glawogger-Debüt gegen 1860 München mit der Lupe suchen. Das zweitschlechteste Team der Liga war einem Sieg näher als der SV Waldhof.
Die Ereignisse rund um die groteske Gelb-Rote Karte für Spielmacher Arianit Ferati, der aus Frust über seine gerade angezeigte Auswechslung den Ball wegschoss und dafür vom Platz flog (76.), deuten Autoritätsprobleme Glawoggers an. Dazu kommen Aufstellungen, Matchpläne, Systemänderungen und Auswechslungen, die einfach nicht funktionieren wollen. Und realitätsfremde öffentliche Auftritte, die einen ratlos zurücklassen.
„Wir haben die schwierige Situation nach dem Platzverweis richtig gut gemeistert und können deshalb mit einem positiven Gefühl hier vom Platz gehen“, sagte Glawogger in Hannover. Die Körpersprache seiner Profis nach dem Abpfiff erzählte etwas anderes. Da waren nur Frust und Niedergeschlagenheit über die nächste verpasste große Chance, sich im Abstiegskampf ein bisschen Luft zu verschaffen. Gegen die locker schlagbare Hannoveraner U23 ließen die Mannheimer fast kläglich die Vorlage des direkten Konkurrenten VfB Stuttgart II aus, der beim 1:1 gegen Verl in Überzahl noch den Ausgleich kassiert hatte. Stattdessen bewegt sich der Waldhof nach fünf Partien ohne Sieg in der entscheidenden Saisonphase immer näher an den Abgrund.
Lohkemper spricht Klartext: „Das ist ein Pflichtsieg“
In den Abstiegsgipfel am nächsten Sonntag (19.30 Uhr) gegen Stuttgart II geht der SVW punktgleich und mit der nur um acht Treffer besseren Tordifferenz. Selbst wenn dann im Carl-Benz-Stadion mal wieder ein Sieg gelänge, hat die U21 des VfB in den letzten drei Spielen mit dem leichteren Restprogramm (Aachen, Dortmund II, Essen) gegenüber dem Waldhof (Cottbus, Dresden, Bielefeld) weiterhin die Möglichkeit, aus eigener Kraft am Ende ans rettende Ufer zu springen. Schon jetzt ist klar: Es steht ein nervenzehrendes Drama im Abstiegskampf bevor. Nur die Wahrscheinlichkeit eines guten Ausgangs für den SV Waldhof sinkt mit jedem Spiel ohne Sieg.
Zu denen, die in der eskalierenden Krise wohltuenden Klartext sprechen, statt sich in immergleiche Durchhalteparolen zu flüchten, gehört Felix Lohkemper. Der Angreifer erzielte in Hannover die 1:0-Führung (19.), die der Ex-Waldhöfer Valmir Sulejmani mit einem Traum-Freistoß noch vor der Pause ausglich (45.+2). „Ich bin schon sehr geknickt, enttäuscht“, resümierte Lohkemper am Ostersonntag: „Ich hatte mir heute einen Sieg vorgenommen.“
Der womöglich letzte Rettungsanker dieses Vereins, der sich durch eigene Entscheidungen selbst in einen Orkan auf offener See manövriert hat, heißt VfB Stuttgart II. „Das muss ein Pflichtsieg für uns werden. So müssen wir in dieses Spiel gehen, mit breiter Brust“, sagte Lohkemper. „Wir müssen den Kopf jetzt hochnehmen, damit wir frisch und voller Energie Stuttgart weghauen.“ Sollte dies nicht gelingen, wäre ein erneuter Trainerwechsel, so verrückt es nach den zurückliegenden Chaostagen auch klingen mag, vielleicht die letzte Patrone des SV Waldhof im Abstiegskampf.
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