Mannheim. Die völlig ekstatischen Waldhof-Anhänger auf der Otto-Siffling-Tribüne wollten ihre Helden einfach nicht gehen lassen. Mehrere Male wurden Marcel Costly, Joseph Boyamba, Marc Schnatterer & Co. zurück vor die Kurve zitiert, im einsetzenden Platzregen sprintete die komplette Mannschaft in Richtung der frenetischen Fans und feierte einen denkwürdigen Fußball-Nachmittag. Die zeitweise wie entfesselt auftretenden Mannheimer hatten gerade den haushohen Favoriten Eintracht Frankfurt dank einer überragenden Team-Leistung mit 2:0 (0:0) aus dem DFB-Pokal geworfen. Völlig verdient gewonnen, den zwei Klassen höher angesiedelten Bundesligisten geradezu düpiert – es war ein großer Sonntag für alle, die es mit dem SVW halten.
„Das war ein geiles Spiel. Die Jungs haben sich aufgeopfert, ich bin wirklich stolz auf die Truppe. Am Ende haben wir verdient gewonnen“, sagte Waldhof-Trainer Patrick Glöckner. Ein Urteil, dem auch sein Frankfurter Kollege Oliver Glasner beipflichtete: „So ehrlich müssen wir sein: Mannheim hat verdient gewonnen.“
Als sich die Sensation in den letzten Spielminuten abzeichnete, bebte das Carl-Benz-Stadion in seinen Grundfesten. Oben auf der Pressetribüne vibrierten die Tische. Die fantastische Stimmung unter den 12151 Zuschauern auf den Rängen erinnerte an den Karsamstag im Frühjahr 2019, als der SVW die Rückkehr in den Profifußball perfekt gemacht hatte. Von einem Doppelschlag mit Treffern von Seegert (48.) und Boyamba (52.) erholte sich die Eintracht nicht mehr, nach der Gelb-Roten Karte für Frankfurts Martin Hinteregger (61.) kippte die intensive Partie endgültig in Richtung des furios kämpfenden Außenseiters, dem Trainer Glöckner den richtigen Plan an die Hand gegeben hatte.
In der ersten Halbzeit legte der SVW zunächst das Hauptaugenmerk darauf, mit Kompakt- und Robustheit die individuelle Überlegenheit des Gegners zu neutralisieren. Das gelang, weil sich die etlichen Fragezeichen in der Aufstellung mit fortlaufender Spieldauer in Ausrufezeichen verwandelten. Niklas „Willy“ Sommer hielt die rechte Abwehrseite halbwegs dicht, im zentralen Mittelfeld verdichteten Stefano Russo und Neuzugang Alexander Rossipal bei seinem Heimdebüt die Frankfurter Wege, Kapitän Seegert und Jesper Verlaat hielten die Abwehr zusammen. Im Angriff brillierte Schnatterer als Ballverteiler und Rhythmusgeber, während die schnellen Boyamba, Martinovic und Costly einen Sprint nach dem anderen anzogen. „Wir wussten, dass Frankfurt uns nach dem 3:5 vor zwei Jahren nicht noch einmal unterschätzt. Wir mussten eklig sein, ihnen auf die Füße treten, auch mal auf Zeit spielen. Alle Tricks, die es gibt. Wir haben die Frankfurter richtig bearbeitet, bei denen war am Ende komplett die Luft raus, die hatten gar keinen Spaß mehr. Das war unser Ziel, das haben wir überragend umgesetzt“, sagte Seegert hinterher.
Die Eintracht verzeichnete im ersten Durchgang 73 Prozent Ballbesitz, besaß aber bis auf Daichi Kamadas Kopfballgelegenheit keine hochkarätigen Chancen. Kurz vor dem Pausenpfiff drehte stattdessen der SVW auf. Schnatterers 20-Meter-Freistoß fischte Frankfurts Schlussmann Kevin Trapp gerade eben so aus der Ecke (40.), danach scheiterten sowohl Martinovic als auch Costly hintereinander aus kurzer Distanz am Nationaltorwart (44.).
„2:0 ist fast noch niedrig“
Das war aber nur ein Vorgeschmack auf die außergewöhnliche Entwicklung, die diese Partie nach der Pause nehmen sollte. Schnatterers kurz geschlagenen Eckball verlängerte Seegert mit dem Kopf zum 1:0 vorbei an Trapp (48.), zum ersten Mal rasteten die Waldhof-Fans komplett aus.
„Davon träumt man, das ist das Geilste, was es gibt. Man schaut in die bekloppten Gesichter in der Kurve. Man ist genauso bekloppt, aber Spieler und kein Fan. Da geht einem das Herz auf“, sagte Seegert.
Nur drei Minuten später spielte Martinovic in den Lauf von Boyamba, der den Ball trotz Bedrängnis technisch erstklassig ins lange Eck schlenzte (52.). Es stand 2:0, das Carl-Benz-Stadion war ein Tollhaus. Und als der bereits mit Gelb verwarnte Hinteregger Costly am Trikot hielt und nach einer Stunde vom Platz musste, wurde aus der kleinen Hoffnung auf die Sensation langsam ein bisschen ungläubige Gewissheit.
„Mannheim hat immer mehr Glauben bekommen und unser Glauben ging zurück“, beschrieb Frankfurts Coach Glasner dieses Phänomen. Der Favorit war geschlagen, der Waldhof hätte ihn bei weiteren Großchancen durch Martinovic (59., 71.) und den eingewechselten Neuzugang Adrien Lebeau bei seinem Waldhof-Debüt (71.) sogar noch demütigen können. „Wir hatten fünf dicke Chancen, da ist ein 2:0 fast noch zu niedrig“, sagte Seegert. Was für ein Satz, wenn ein Drittligist gerade gegen den Bundesliga-Fünften der Vorsaison gewonnen hat.
Als auch die letzten Frankfurter Angriffe weitgehend souverän wegverteidigt waren, konnte die große Pokal-Party in blau und schwarz ihren Lauf nehmen. Vor allem die, die nach einer Saison fast nur mit Geisterspielen kaum wussten, welche Wucht die Waldhof-Fans erzeugen können, zeigten sich beeindruckt. „Es war Zeit für eine Sensation in Mannheim“, sagte Martinovic. „Ich bin mit 24 nicht mehr der Jüngste, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Ich hatte durchgehend Gänsehaut.“
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