Mannheim. Terrence Boyd stützte sich auf der Schulter eines Reporters ab, um sich während des Interviews nach dem existenziell wichtigen 1:0 (1:0)-Sieg im Kellerduell gegen Arminia Bielefeld die Fußballschuhe abzustreifen. Die Kraft war aufgebraucht. Nicht nur beim Mittelstürmer des SV Waldhof, sondern bei der kompletten Mannschaft – und nach einem echten Fußball-Thriller wohl auch bei einem Gutteil der Mannheimer Fans unter den 14.212 Zuschauern im Carl-Benz-Stadion. Es war zweifelsohne ein glücklicher, aber eminent wichtiger Erfolg, durch den sich der SVW im dramatischen Rennen um den Klassenerhalt wieder in eine vernünftige Ausgangslage gebracht hat.
SV Waldhof mit Sieg gegen Bielefeld: "1000 Steine vom Herzen gefallen"
„Zahlen lügen nicht. Uns ist es scheißegal, wie wir gewonnen haben. Fakt ist: Wir haben drei Punkte eingefahren“, sagte Boyd. „Bielefeld hatte echt viele Chancen in der ersten Halbzeit, das war nicht so cool.“ Aber: Während die Arminia ihre exzellenten Gelegenheiten ausließ, schlug der Waldhof in Person des reanimierten Torjägers Samuel Abifade (32.) beim einzigen Treffer des Abends zu.
Wie unfassbar wichtig dieser Sieg im dramatischen Rennen um den Klassenerhalt ist, zeigte der Drittliga-Samstag: Mit dem VfB Lübeck (19. Platz, 26 Punkte, +28 Tore/1:0 gegen Regensburg), dem MSV Duisburg (18. Platz, 29 Punkte, -13 Tore/2:0 gegen Saarbrücken) gewannen zwei direkte Konkurrenten des SVW (17. Platz, 31 Punkte, -13 Tore) ebenfalls ihre Spiele. Der Hallesche FC (16. Platz/32 Punkte/-13 Tore) liegt nach dem 2:2 gegen Schlusslicht SC Freiburg II jedoch nur noch einen Punkt vor dem Waldhof, Arminia Bielefeld (15. Platz, 33 Punkte, -3 Tore) zwei Zähler.
„Heute sind uns 1000 Steine vom Herzen gefallen. Das Glück war heute auf unserer Seite, aber das haben wir uns auch verdient, weil wir die Wilden gearbeitet haben. Wir haben mit Mann und Maus verteidigt und das im Stil einer Erwachsenenmannschaft heruntergespielt“, sagte Mittelfeld-Mann Baxter Bahn. In der zweiten Halbzeit, als Bielefeld drückte und Mannheim fast nur noch verteidigte, benötigte der SVW neben einem souveränen Torwart-Debütanten Omer Hanin und viel Leidenschaft vor allem die Unterstützung von den Rängen. „Das war eine unfassbare Stimmung. So etwas habe ich in dieser Form noch nicht erlebt. Ich habe schon vorher gesagt: Wir müssen die Fans mitnehmen, dann wird das hier ein absoluter Hexenkessel. Die Fans haben ihren Teil zum Sieg beigetragen. Diese Energie brauchen wir“, sagte Trainer Marco Antwerpen über die elektrisierende Atmosphäre am Freitagabend, auf die etliche Bundesligisten neidisch sein dürften. Nebenbei, zur Einordnung seiner Aussage: Antwerpen hat auch schon mal den 1. FC Kaiserslautern trainiert.
Dass der SV Waldhof mit dieser Wucht mindestens in die 3. Liga gehört, steht außer Zweifel. Die Frage bleibt nur, ob die Rettung aus höchster Not auch gelingen wird. Kapitän Marcel Seegert begründete seine neue Hoffnung im Formanstieg der vergangenen Wochen, die sich mit zuletzt sieben Punkten aus drei Spielen auch in den Ergebnissen ablesen lässt. „Wir waren von Freiburg bis Köln die bessere Mannschaft, hätten jedes Spiel für uns entscheiden müssen. Heute hatten wir ein bisschen Glück, das gehört dazu“, bekundete „Cello“.
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Aufregung bei Bielefeld wegen Szene vor 1:0
Seegerts neuer Kumpel Terrence Boyd verwies darauf, dass die Mannschaft die Prinzipien des Antwerpen-Fußballs mittlerweile verinnerlicht habe. „Jetzt haben wir uns eingegroovt. Für den Trainer war es auch schwerer als gedacht, als er gekommen ist. Taktisch und vom Personal hat es gedauert“, erklärte der Mittelstürmer, der nicht nur von seinen fußballerischen Qualitäten, sondern auch von seiner Persönlichkeit eine absolute Bereicherung für dieses Team ist. Ein wenig habe Antwerpen vor der gleichen Problematik wie aktuell Bundestrainer Julian Nagelsmann gestanden. „Es muss nicht immer der beste Spieler spielen, sondern die, die miteinander als Team harmonieren. Jeder kann dir im Training sagen, wie toll er angeblich ist, der klassische Trainingsweltmeister. Und am Spieltag bist du nicht da“, sagte Boyd und fügte ironisch mit einem Lachen hinzu: „Ich bin das Gegenteil: Mich sieht man im Training gar nicht.“
Dass sich die Bielefelder darüber aufregten, dass der SV Waldhof vor dem 1:0 weiterspielte, obwohl Arminia-Verteidiger Christopher Lannert in der Entstehung des Tores auf dem Boden liegengeblieben war, verstand der SVW-Angreifer nicht. „Wenn der Schiedsrichter nicht abpfeift, dann muss ich die Situation weiterspielen, tut mir leid. Wir sind im Abstiegskampf. Denkst du, der Gegner würde Rücksicht auf uns nehmen? Das juckt die auch nicht“, meinte Boyd. Bielefelds Trainer Mitch Kniat sprach zwar im Nachgang davon, Schiedsrichter Wolfgang Haslberger habe ihm gegenüber eingestanden, einen Fehler gemacht zu haben, indem er die Partie vor dem Abifade-Tor nicht unterbrochen habe. Aber beim Weiterspielen des SVW ging es primär um die Etikette, weniger um das Regelwerk.
Die Arminia hatte allerdings ein Foulspiel von Boyd gesehen, als dieser sich kurz vor dem 1:0 gegen Lannert durchsetze. "Ich spüre einen Schlag am Kehlkopf, liege am Boden und bekomme 500 Hustenanfälle", sagte der Bielefelder Profi bei "MagentaSport". In der Halbzeit sei der Schiedsrichter auf ihn zugekommen und habe eine Fehlentscheidung eingeräumt. Es habe ihm "total leidgetan", berichtete Lannert. Boyds Aktion war jedoch nach Ansicht der Fernsehbilder kein klares Foulspiel.
"Es ist ein rauhes Pflaster hier": Wortgefechte durch den Zaun
Emotional hoch her ging es dann noch einmal nach dem Abpfiff, als die Bielefelder Mael Corboz und Gerrit Gohlke, der früher für den SVW spielte, von Zuschauern auf dem Weg in die Kabine beleidigt wurden. Es kam zu Wortgefechten durch den Zaun des Spielertunnels, der Ordnungsdienst musste einschreiten. "Das habe ich noch nie erlebt. In keinem Stadion“, sagte Corboz der "Neuen Westfälischen". Arminia-Trainer Mitch Kniat erklärte: "Es ist ein raues Pflaster hier. Das gehört zum Fußball dazu. Das können die Jungs ab."
Nebengeräusche, die nicht vom Wesentlichen ablenken sollten. Durch die drei Punkte hat sich die Situation beim SV Waldhof zwar nicht substanziell entspannt, aber der zweite Heimsieg in Folge hat einen Stimmungsumschwung befeuert. Zwischen Mannschaft und Fans passt wieder kein Blatt mehr, wie bei der typischen Party nach dem Bielefeld-Sieg vor der Otto-Siffling-Tribüne zu beobachten war. Das ist ein Pfund, wenn die Saison jetzt auf die Zielgerade einbiegt.
Boyd warnte jedoch prophylaktisch davor, in den nächsten Wochen auch nur ein paar Prozentpunkte nachzulassen. „Wir müssen weiter scharf bleiben. Noch haben wir nichts erreicht“, sagte der 33-Jährige. Am Karsamstag (30. März) bei Borussia Dortmund II können die Mannheimer den nächsten wichtigen Schritt machen, um das Schreckensszenario zu verhindern, das Boyd neulich im familiären Kreis diskutierte: „Ich habe letzte Woche zu meiner Frau gesagt: Wir können doch nicht in die Regionalliga absteigen, das geht nicht.“
Das nächste Spiel: Dortmund II gegen SV Waldhof, Samstag, 30. März, 14 Uhr. Alle Spiele live bei MagentaSport
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Wichtige Weckrufe beim SV Waldhof Mannheim