Fußball

Krisenstimmung nach 1:3 in Halle: Der Waldhof-Komplex in der Fremde

Der SV Waldhof gibt auswärts in dieser Saison weiter ein desolates Bild ab. Nach dem niederschmetternden 1:3 in Halle gestehen erste SVW-Profis ein Kopfproblem ein

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Alexander Müller
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„Wir fahren weit, wir fahren viel und wir verlieren jedes Spiel“, sangen die frustrierten Waldhof-Fans in Halle. Alexander Rossipal (l.) und Baris Ekincier blicken nach dem Abpfiff enttäuscht zu Boden. © Michael Ruffler

Halle. Auf der Suche nach Erklärungen hilft wahrscheinlich nur noch ein Ausflug in die Psychologie. Fußball ist ja bekanntlich mindestens zur Hälfte Kopfsache. „Komplexe beeinflussen durch ihre emotionale Färbung und Assoziationsmuster häufig unbewusst Handlungen, Denken und Träume“, lässt einen das Lexikon wissen. Die Profis des SV Waldhof dementieren nicht mehr, dass sich der Negativstrudel bei Auswärtsspielen zu einem echten Komplex ausgewachsen hat.

„Natürlich geht es irgendwann in den Kopf, wenn du auswärts schon wieder gut im Spiel bist, 1:0 führst, und dann die Dinger so frisst. Natürlich verunsichert dich das“, sagte Verteidiger Julian Riedel nach dem niederschmetternden 1:3 (1:2) am Samstag beim Halleschen FC. Es war die sechste Auswärtsniederlage in Folge. Eine Horror-Statistik, die Riedel zurecht als „peinlich“ bezeichnete. Der SVW hat in der Fremde ein verheerendes Muster entwickelt: Ein einzelner Rückschlag genügt, um das Team auseinanderbrechen zu lassen. Dann kommen die Selbstzweifel, dann fängt es in den Köpfen an zu rattern.

In Halle war das ein – zugegeben überaus fragwürdiger – Handelfmeter in der 37. Minute, bei dem Riedel aus kurzer Distanz angeschossen wurde, nachdem Marten Winkler zuvor nur halbherzig in einen Zweikampf gegangen war. „Statt über den Elfmeter würde ich eher über die Situation vorher sprechen wollen, warum wir da nicht zum Ball gehen. Das versaut unser ganzes Spiel“, rügte Neidhart seinen jungen Flügelstürmer Winkler. Der verwandelte Strafstoß von Niklas Kreuzer zum 1:1 genügte, um die Mannheimer komplett aus der Fassung zu bringen.

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„Da kamen dann die Negativerlebnisse aus den Auswärtsspielen hoch. Es war einfach eine Verunsicherung zu spüren. Wir haben Halle extrem aufgebaut. Ein Mannschaftsteil steckt den anderen an, und dann kommt sowas dabei heraus“, sagte Kapitän Marcel Seegert. In der ersten halben Stunde war der SVW noch stabil aufgetreten, hatte durch Laurent Jans’ Premieren-Tor (8.) verdient mit 1:0 geführt und Chancen auf weitere Treffer gehabt.

Doch erst wurden mehrere Möglichkeiten aufs 2:0 zu nachlässig umgesetzt, und nach dem 1:1 war es um die Waldhöfer Widerstandsfähigkeit geschehen. Wieder einmal. „Auch nach einem Gegentor muss man sich aufbäumen und wieder ins Spiel reinkämpfen. Man darf sich davon nicht so runterziehen lassen“, meinte Routinier Marc Schnatterer. Das 1:2 noch vor der Pause durch Jonas Nietfeld (45.+2), an dem Alexander Rossipal und Torhüter Morten Behrens ihre Aktien hatten, fiel vor diesem Hintergrund fast zwangsläufig. Trainer Neidhart war danach komplett bedient. „In der Halbzeit habe ich den Jungs zum ersten Mal richtig meine Meinung gesagt. In so einem Spiel darfst du nicht mit einem 1:2 in die Pause gehen, eher mit einem 2:0. Das hat etwas mit Verteidigen zu tun, sich in jeden Zweikampf reinzuwerfen“, fauchte der 54-Jährige, eine Stunde nach dem Abpfiff immer noch sichtlich aufgebracht.



Man verrät deshalb nicht zu viel, wenn man sagt, dass sich Neidharts Laune im zweiten Durchgang nicht mehr bessern sollte. Erst durfte Halles Tom Zimmerschied fast ohne Mannheimer Gegenwehr zum 3:1 einschießen (48.), bevor Gerrit Gohlke einen kapitalen Fehlpass nur noch mit einem Foul an Timur Gayret zu korrigieren wusste (59.). Eine Gelb-Rote Karte war die Konsequenz, das Spiel damit faktisch verloren. „Wenn du Gelb hast, darfst du so einen Fehler nicht machen“, rüffelte Neidhart seinen Verteidiger.

Drohen interne Risse?

Der Waldhof-Trainer hatte sich dafür entschieden, den nach seiner Sperre gegen Dresden wieder spielberechtigten Kapitän Seegert zunächst nur auf die Bank zu setzen und stattdessen mit Gohlke und Riedel in der Innenverteidigung zu beginnen. Mit Blick auf Gohlkes schwachen Auftritt eine Fehleinschätzung, die zudem eine weitere Baustelle eröffnet haben könnte. Denn Seegert konnte seinen Unmut über die kurzzeitige Degradierung zum Reservisten nach dem Abpfiff nur mühsam verbergen. „Heute Morgen im Hotel habe ich es mitgeteilt bekommen. Ich akzeptiere die Entscheidung, fertig“, sagte er nur schmallippig. Ob es klug war, den einzigen unumstrittenen Führungsspieler im Team ohne zwingende Leistungsgründe zu schwächen? Fraglich. Neidhart reagierte kühl auf Nachfragen zum Seegert-Thema. „Riedel und Gohlke hatten das Vertrauen verdient, sie haben gegen Dresden ein gutes Spiel gemacht. Da ging es auch gar nicht um gegen oder für Cello. Er hat es professionell aufgenommen. Aber er wollte auf dem Platz stehen, das ist auch richtig so“, sagte der SVW-Coach und fügte an. „Cello hatte sich vorher eine Gelb-Rote Karte eingehandelt, da ist man dann auch selbst für zuständig.“

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Neidharts kleiner Seitenhieb klingt nicht nach übergroßer Harmonie zwischen dem Trainer und seinem Kapitän – und interne Risse sind wirklich das Letzte, was der Waldhof in seiner maladen Situation gebrauchen kann. Neidhart gestand im Nachgang allerdings auch ein, dass die Entscheidung gegen Seegert nach Gohlkes fehlerbehafteter Leistung Kritik an seiner Person zulässt. „Am Ende des Tages muss ich mir das auch selber ankreiden.“

Seit dem verkorksten Nachmittag in Halle knirscht es wieder gewaltig im blau-schwarzen Gebälk. In den sozialen Medien und Fan-Foren sind viele außer sich, welch desolates Bild als Aufbaugegner und Punktelieferant ihr Club auswärts abgibt. Die Schuldigen für die Misere sind schnell ausgemacht: Trainer Neidhart und Sportchef Tim Schork, dessen Kaderzusammenstellung bisher nicht für zwei Siege am Stück gut genug war. Noch stehen zwei Spiele vor der Winterpause an, am Mittwoch gegen Zwickau, am Sonntag in Oldenburg, dann wird Zwischenbilanz gezogen.

Der beängstigende Mannheimer Auswärtskomplex zieht das Vorrunden-Fazit schon jetzt gewaltig ins Negative. Die immer wiederkehrenden Ausfallerscheinungen in gegnerischen Stadien gehören natürlich direkt in Neidharts Verantwortungsbereich. Bisher hat sich Präsident Bernd Beetz ruhig verhalten, auch wenn das Saisonziel Aufstieg längst in akuter Gefahr ist.

Tabellenplatz acht gibt die Diskrepanz zwischen vernünftigen Heim- und katastrophalen Auswärtsauftritten korrekt wieder. Der SVW ist momentan bestenfalls Mittelmaß. Die versprochene Trendwende mit Stabilität in Leistungen und Ergebnissen hat Neidhart bisher nachweislich nicht geschafft. Man darf davon ausgehen, dass auch die Geduld von Mäzen Beetz endlich ist. Um den Komplex Trainerfrage zu bearbeiten, wird jedoch kein Psychologe nötig sein.

Das nächste Spiel: SV Waldhof gegen Zwickau (Mittwoch, 9. November, 19 Uhr). Alle Spiele der 3. Liga live bei MagentaSport.

Redaktion Fußball-Reporter: Nationalmannschaft, SV Waldhof, Eintracht Frankfurt, DFB

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