Handball

Trainer Hinze nach drei Jahren Rhein-Neckar Löwen: „Zu viele Kompromise“

Es gab Höhen wie den Pokalsieg – aber auch Tiefen. Nach drei Jahren bei den Rhein-Neckar Löwen zieht Trainer Sebastian Hinze Bilanz. Einen Spagat findet er besonders schwierig.

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Marc Stevermüer
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Sein größter Löwen-Moment: Trainer Sebastian Hinze (links) feiert mit Torwarttrainer Dragan Jerkovic den Pokalsieg. © IMAGO/Sven Simon

Mannheim. Sebastian Hinze bereitet in dieser Woche seinen Umzug vor. Ab der nächsten Saison trainiert er den ThSV Eisenach. Zuvor steht noch als Urlaub eine Alpenüberquerung an. Im Interview blickt der 46-Jährige zurück und voraus.

Herr Hinze, die Saison ist beendet. Ist für Sie damit auch das Kapitel Rhein-Neckar Löwen endgültig vorbei?

Sebastian Hinze: Nein, ich werde noch eine Saisonanalyse machen und meine Gedanken dann Uwe Gensheimer (Sportchef: Anm. d. Redaktion) zuschicken. So gehört sich das. Und erst danach werde ich an dieses Kapitel einen Haken machen.

Ich nehme an, die eine oder andere Idee haben Sie aber auch jetzt schon, warum die Saison nicht wie gewünscht lief.

Hinze: Es gibt dafür zwei wesentliche Gründe. Auf der einen Seite die Verletzungsproblematik, die uns eigentlich die ganze Saison und spätestens ab Dezember dann auch massiv begleitet hat. In Kombination mit dem kleinen Kader hat das zu Problemen geführt. Das soll keine Ausrede sein, ist aber ein Fakt. Dennoch möchte ich das keinesfalls als alleinige Erklärung gelten lassen. Ich bin sehr selbstkritisch und muss zugeben: Wir haben zu selten unsere maximale Leistung gezeigt. Gerade in Spielen, in denen wir trotz einiger Ausfälle eine individuell besser besetzte Mannschaft zur Verfügung hatten.

In den zurückliegenden sechs Wochen sah es vor allem oft danach aus, dass sich nicht mehr alle Spieler aufraffen können. Täuscht dieser Eindruck?

Hinze: Nach dem Final Four im DHB-Pokal war es emotional schwierig, was irgendwo verständlich ist. Aber es wäre reiner Selbstschutz, das als Argument und Erklärung für alles anzuführen. Natürlich war es eine schwierige Konstellation, weil es in der Liga nicht mehr um richtig viel ging, der Abschied von vielen Spielern feststand und auch klar war, dass der Trainer geht. Das verstehe ich alles. Und trotzdem ist es ja unser aller Job, bis zum Schluss alles rauszuhauen. Diesen Anspruch habe ich. Und diesem Anspruch sind wir in den letzten Saisonspielen nicht zu 100Prozent gerecht geworden.

Sebastian Hinze



Sebastian Hinze wurde am 26. April 1979 in Wuppertal geboren .

Vereine als Trainer: Bergischer HC (2012 – 2022), Rhein-Neckar Löwen (seit Juli 2022), ThSV Eisenach (ab Juli 2025).

Erfolge als Trainer: Bundesliga-Aufstiege mit dem Bergischen HC (2013 und 2018), Pokalsieger mit den Löwen (2023).

Es fällt auf, dass die Löwen in dieser Saison gegen viele große Mannschaften gewonnen, aber dann auch gegen viele vermeintlich schwächere Teams verloren haben. Liegt die fehlende Konstanz in dieser Spielzeit vielleicht auch daran, dass letztlich nur die erste Sieben höchsten Ansprüchen genügt?

Hinze: Auch das wäre mir zu einfach als Erklärung, weil dann würden wir nur über Qualität reden. Doch daran lag es nicht nur. Denn wir haben zu viele Spiele verloren, die wir unabhängig von verletzungsbedingten Ausfällen nicht hätten verlieren dürfen.

Sie haben den kleinen Kader angesprochen. Oft musste der Spielberichtsbogen mit zwei, drei Talenten aus dem Drittligateam aufgefüllt werden oder es wurden erst gar nicht alle Kaderplätze belegt. Klingt schwierig.

Hinze: Das war es auch. Wir haben durch den kleinen Kader auch nicht die Qualität im Training erzeugen können, die ich mir gewünscht hätte. Aber auch dafür gibt es Gründe.

Welche?

Hinze: Vor der Saison was es wichtig, dass wir mit wirtschaftlicher Vernunft agieren. Diesen Sparkurs habe ich mitgetragen. Am Ende war es für mich als Trainer aber ein Leben mit Kompromissen. Und im Nachhinein muss ich sagen: Ich bin zu viele Kompromisse eingegangen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung hat es sich allerdings richtig angefühlt. Denn mir ging es immer um das Beste für die Löwen. Und trotzdem muss ich sagen: Mit dem Wissen von heute hätte ich Dinge anders gemacht.

Welche?

Hinze: Ich bin als Trainer zu den Löwen gekommen, weil es mir um eine Grundstruktur und eine Spielidee ging. Das war auch der Arbeitsauftrag. Andererseits war mir klar, dass der Druck hier groß und das nächste Ergebnis wichtig ist. Ich habe mir die Fragen gestellt: Wie wollen wir spielen? Wie wollen wir trainieren? Wie wollen wir auftreten? Und zwar unabhängig vom Personal und von äußeren Einflüssen. In der ersten Saison hat das gut geklappt, auch weil wir von Beginn an einen Lauf hatten. Danach stand allerdings zu oft der kurzfristige Erfolg über der Idee und der Entwicklung. Und dieser Weg führte nicht zum Erfolg. Ich verstehe rückblickend, warum ich so gehandelt habe. Aber ich würde das nicht noch einmal so machen. Diese Erfahrung war sehr lehrreich für mich und wird mir in Zukunft helfen.

Sie sind 2022 aber auch mit dem Auftrag zu den Löwen gekommen, den Anschluss an die Spitzenvereine der Liga herzustellen. Ist das gelungen?

Hinze: Wir sind nicht so weit gekommen, wie ich mir das erhofft habe. In den vergangenen beiden Jahren ist es uns nicht gelungen, ein konstantes Niveau abzurufen. Punktuell waren zwar Topleistungen dabei, aber die große Kunst ist es, ein bestimmtes Level stabil zu zeigen.

War vielleicht das erste Jahr mit Pokalsieg und Platz fünf zu gut, weil es Erwartungen schürte?

Hinze: Nein. Nicht die Erwartungen waren das Problem, sondern – wie gesagt – die fehlende Konstanz. Und deswegen haben wir es nicht geschafft, sichtbaren Anschluss an die Spitzenvereine herzustellen. Die Bundesligatabelle ist dafür die entscheidende Größe – und daran sehen wir, dass uns das nicht gelungen ist. Und trotzdem sind auch Dinge gut gelaufen. Das Gerüst der Mannschaft steht und es ist nun die Aufgabe der Löwen, dieses Team zusammenzuhalten. Mit David Späth, David Móré und Robert Timmermeister werden in der nächsten Saison außerdem drei Spieler aus dem eigenen Nachwuchs eine große Rolle im Profikader einnehmen. Auch das war Teil meiner Jobbeschreibung.

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Im Sommer 2022 haben Sie gesagt, dass die Rückkehr an die Spitze für die Löwen mindestens drei Jahre dauern wird. Sie gingen aber eher von fünf Jahren aus. Fühlen Sie sich bestätigt?

Hinze: Ja. Auch wenn man bedenken muss, dass Dinge außerhalb des ursprünglich Geplanten passiert sind – wie etwa der lange Ausfall von Halil Jaganjac oder der Sparkurs, der vor dieser Saison gefahren werden musste. Das war nicht absehbar.

Die Löwen haben von 2016 bis 2018 große Erfolge gefeiert. Diese Ära gilt als Maßstab, doch Anspruch und Wirklichkeit passen seit einigen Jahren nicht mehr zusammen. Eigentlich weiß man, dass es nicht für ganz oben reicht. Und doch will man immer international spielen.

Hinze: Es war und ist herausfordernd, hier in solch einem Spannungsfeld zu arbeiten. Und das geht nicht nur dem Trainer so, sondern auch den Spielern. Es geht immer um einen Spagat zwischen Entwicklung und kurzfristigem Erfolg – und zwar unabhängig von den Rahmenbedingungen. Wenn es dann mal nicht so gut läuft, sind das Dinge, die aufgrund dieser Konstellation eine große Wirkung haben oder auch eine Last sein können.

Sind die Rhein-Neckar Löwen denn ein Spitzenclub?

Hinze: Wenn wir auf die Tabelle schauen, dann nicht. Andererseits haben wir in jeder Saison auch ein Final Four erreicht. In diesem Verein steckt ganz viel Power und ich habe hier jeden Tag gespürt, dass es in diesem Club einen sehr großen Ehrgeiz gibt, wieder dorthin zu kommen, wo man einmal war. Das Umfeld ist top, aber wenn wir auf den Sport schauen: Da sind noch einige Schritte zu gehen, um wieder nach ganz oben zu kommen. Ich wünsche meinem Nachfolger Maik Machulla von ganzem Herzen, dass das klappt. Und ich bin zuversichtlich, dass es so kommen wird. Die Löwen werden den nächsten Schritt gehen. Ich bin vom Potenzial dieses Vereins überzeugt.

Was macht Sie so optimistisch?

Hinze: Über ein sicherlich wieder wachsendes Budget wird es mehr Kaderbreite und vielleicht auch mehr Qualität geben. Mit Maik kommt ein neuer Trainer. Das sorgt für einen Impuls. Und man spürt immer, dass dieser Club etwas Besonderes ist. Dieser Verein hat immer noch eine gewisse Strahlkraft – und das ist ein Faustpfand gegenüber vielen anderen Vereinen, die auch oben angreifen wollen. Ich hoffe, dass die Löwen daraus das Beste machen und würde mich wirklich freuen, wenn ich irgendwann sagen könnte: „Wow, die Löwen sind wieder da.“

Mit Uwe Gensheimer haben die Löwen einen prominenten Sportchef, bald kommt Patrick Groetzki noch in einer Führungsposition dazu. Wie sehr hilft das?

Hinze: Mit Patrick habe ich auf dieser Ebene noch nicht zusammengearbeitet. Aber ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass er dem Verein helfen wird. Und bei Uwe spüre ich jeden Tag, wie sehr ihm die Löwen am Herzen liegen. Er trägt den Verein in sich, genießt hohes Ansehen, kennt sich sehr gut aus – diese Kombination ist ein Glücksfall für den Club. Aber klar ist auch: Die zwei Jungs werden nicht reichen. Auch sportlich muss der Club wachsen.

Wozu gehören würde, die Leistungsträger zu halten. Vor zwei Jahren ging Albin Lagergren, jetzt verlässt Juri Knorr den Club und 2026 wird vermutlich Ivan Martinovic weg sein.

Hinze: Es kommt auf eine Kombination an. Für eine Weiterentwicklung ist es entscheidend, seine wichtigsten Spieler zu behalten. Das stimmt. Genauso muss aber auch Qualität entwickelt und dazugeholt werden. Das bedeutet also konkret: Angesichts der Konkurrenzsituation werden die Löwen sehr viele richtige Entscheidungen treffen und auch finanziell entsprechend aufgestellt sein müssen, um ernsthaft für die ersten vier Plätze infrage zu kommen. Und wenn es einen sichtbaren Schritt nach vorne gibt, fällt es auch leichter, Topspieler vom Bleiben zu überzeugen.

Apropos richtige Entscheidung: Im Sommer 2024 wurde der Druck auf Sie auch vonseiten des Aufsichtsrats erhöht. War das der Punkt, an dem Sie nicht mehr das Vertrauen gespürt haben und entsprechend im Spätherbst nicht mehr zu einer Vertragsverlängerung bereit waren?

Hinze: Ich würde nicht von fehlendem Vertrauen sprechen. Es ist einfach sehr viel passiert und vielleicht gab es auf beiden Seiten auch unterschiedliche Erwartungen. Das ist für mich aber vollkommen in Ordnung. Nur ist es dann auch konsequent, wenn beide Seiten sagen, dass man die Zusammenarbeit nicht verlängert. Für mich hat sich die Entscheidung damals richtig angefühlt. Und sie fühlt sich jetzt immer noch richtig an. Trotzdem gehe ich nicht im Groll.

Welcher Löwen-Moment wird für Sie immer bleiben?

Hinze: Es wäre zu einfach, jetzt nur den DHB-Pokalsieg zu nennen. Natürlich war das schön, weil ein Titel etwas Besonderes ist und für immer bleibt. Wenn ich in 20 Jahren zurückblicke, würde ich wahrscheinlich den Pokalsieg nennen. Aber gerade jetzt denke ich auch an viele andere schöne Geschichten. An unsere Europapokalsaison mit dem Viertelfinale in Lissabon. Oder auch an die vielen Siege in der gerade zu Ende gegangenen Saison gegen die Topteams. Es waren drei Jahre mit vielen Höhepunkten und auch einigen Rückschlägen. Aber ich war gerne hier und bin mit mir absolut im Reinen.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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