Flensburg. Es dauerte ein wenig, bis Mads Mensah Larsen aus der Kabine kam. Und zwar aus der von den Rhein-Neckar Löwen, für die der Däne von 2014 bis 2020 spielte, ehe er sich der SG Flensburg-Handewitt anschloss. „Freundlich“ hätten ihn die ehemaligen Kollegen empfangen, berichtete der 30-Jährige, der traditionell zu den am besten gelaunten Menschen gehört. Am Samstagabend hatte der Rückraummann dazu auch noch allen Grund. Denn mit der SG bezwang er vor 5574 Zuschauern nicht nur seinen Ex-Club mit 31:26 (17:11), sondern gehörte mit sechs Treffern außerdem zu den besten Spielern auf dem Feld. Wieder einmal.
Schon 72 Stunden zuvor hatte er die Norddeutschen mit einer überragenden Leistung zum Topspiel-Sieg über Berlin geführt, weshalb man sicherlich keine Proteststürme mit der These auslöst, dass die Löwen einen wie ihn momentan sehr gut gebrauchen könnten. Oder einen wie Gedeón Guardiola, der erst am Mittwoch mit dem TBV Lemgo Lippe in der Mannheimer SAP Arena zwei Punkte mitgenommen hatte und erneut seinen Ruf als Weltklasse-Abwehrmann bestätigte.
Wenn man so will, führte der Spielplan den Löwen zuletzt also in einem schonungslosen Schnelldurchlauf zwei von ziemlich vielen unverzeihlichen Sünden der Vergangenheit vor Augen. Ihnen wurde der fragwürdige Umgang mit zwei Meister-Helden, die damit einhergehende Verschlechterung des Kaders und somit das eigene Verschulden, vielleicht sogar das Scheitern gezeigt, was aus den Partien gegen Lemgo und in Flensburg auch eine Art Mini-Serie, eine Dokumentation macht. Der Titel des lehrreichen Zweiteilers lautet: „Schmerzhafte Erinnerung, Teil eins und zwei“.
Ex-Spieler auf Erfolgskurs
Die in Mannheim aussortierten Guardiola und Mensah Larsen zeigen seit ihren erzwungenen Abschieden aus Mannheim recht eindrucksvoll an anderer Stelle ihren Wert. Guardiola holte den Europameister-Titel mit Spanien und den Pokalsieg mit Lemgo, Mensah Larsen wurde Weltmeister mit Dänemark und spielt seitdem mit Flensburg um die Meisterschaft. Und die Löwen? Nun ja, die wären froh, an Weihnachten ein positives Punktekonto zu haben.
In Flensburg setzte es nun die nächste Niederlage, was keinesfalls überraschte. Nicht unbedingt zu erwarten war allerdings, dass die Löwen sogar für einen Augenblick die Option auf den Sieg haben würden. Diese Gelegenheit bot sich nach zwischenzeitlichem Acht-Tore-Rückstand (8:16/28.) und furioser Aufholjagd beim 20:20 (41.). Doch selbst eine große Chance beinhaltet immer auch die kleine Möglichkeit, dass die Gunst des Augenblicks ungenutzt bleibt. Bei den Löwen war genau das der Fall. Auch weil sie selbst viel zu labil sind und ihnen die Qualität fehlt, eine wackelnde Flensburger Mannschaft in ganz große Nöte zu stürzen. Und so folgte dem 9:3-Lauf nach dem Seitenwechsel eine 2:8-Serie zum 22:28 (55.). Minutenlang verabschiedeten sich die Badener komplett aus der Partie. Wie schon im ersten Durchgang, als aus einem 3:3 (7.) ein 3:9 (15.) wurde.
Flensburg – RNL
Flensburg: Buric, Møller (ab 37. Minute) – Wanne (7/3), Golla (2), Svan (5) – Mensah Larsen (6), Gottfridsson (5), Einarsson (4) – Hald (1), Meyer-Siebert, Steinhauser, Müller, Jakobsen, Mensing (1), Lindskog, Rød.
Löwen: Palicka, Katsigiannis (ab 20. bis 30. Minute) – Gensheimer (1), Kohlbacher (3), Groetzki (3) – Nilsson (4), Schmid (5), Kirkeløkke (2) – Gislason, Abutovic, Horzen (2), Lagergren (3), Ahouansou (3), Patrail, Knorr, Helander (n.e.).
Schiedsrichter: Schneider/Hartmann.
Zuschauer: 5574.
Strafminuten: Horzen (2), Abutovic (2), Kohlbacher (2), Knorr (2) – Svan (4)
Beste Spieler: Mensah Larsen, Wanne, Møller – Nilsson.
Gärtner und die drei ???
Trainer Klaus Gärtner outete sich nach dem Spiel als großer Freund der Jugendbuch-Reihe „Die drei ???“, in der die drei Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews knifflige Fälle lösen. Der Coach äußerte die nicht ganz ernst gemeinte Hoffnung, dass es das Trio wirklich gibt. „Es wäre gut, wenn jemand die drei Fragezeichen kennt und wir Justus Jonas hätten, der uns ein paar Fragen beantworten könnte“, meinte Gärtner mit Blick auf den Ersten Detektiv, der in extremen Belastungssituationen richtige Antworten auf wichtige Fragen findet und aus kleinen Details die richtigen Schlüsse zieht. All das gelang den Löwen in Flensburg nämlich nicht. Wieder einmal.
Rechtsaußen Patrick Groetzki fühlte sich angesichts dessen wie in einer nicht enden wollenen Zeitreise. Um Monate nach hinten versetzt. In den September, den Mai oder gar in das vergangene Jahr. Denn immer und wieder geht es um das gleiche Thema: die fehlende Stabilität, die heftigen Ausschläge. Vor allem die nach unten.
Unerklärbare Leistungsextreme
Wie kann eine Mannschaft wenige Minuten mit 0:6 oder 2:8 verlieren, aber ebenso eine Phase mit 12:4 für sich entscheiden? Und das alles innerhalb eines Spiels! Noch dazu in Flensburg. Wo ist sie also hin, die Konstanz? „Das fragen wir uns seit zwei Jahren“, sagte Groetzki und wirkte fast ein wenig ratlos, weil es für dieses Phänomen, für dieses krasse Pendeln zwischen den Leistungsextremen, einfach keine Erklärung gibt: „Wir spielen in großen Wellen und dann fehlt das Vertrauen in die eigene Stärke. Vor so einem Spiel wissen selbst wir als Mannschaft nicht, was passiert.“ Das nennt man dann wohl Wundertüte. Nur wird aus eben dieser aber immer häufiger dann doch eher eine Mogelpackung. Es steht zwar noch Löwen drauf, aber immer weniger stecken Löwen drin. Dafür ist in den vergangenen Jahren zu viel zerbrochen. Oder selbst zerstört worden.
Mensah Larsen kann das freilich herzlich egal sein. Mehr noch: Der Däne muss sogar dankbar über seinen erzwungenen Abschied sein, weil ihm rechtzeitig der Absprung zu einem sportlich erfolgreichen und seit Jahren professionell geführten Verein gelungen ist. „Die Löwen haben immer noch Qualität“, meinte der zweifache Weltmeister ein wenig mitfühlend: „Aber irgendetwas stimmt nicht zu 100 Prozent.“ Man darf gespannt sein, ob sie beim badischen Bundesligisten noch den Ursprung des Übels finden.
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