Lemgo. Ljubomir Vranjes dachte nur an das Spiel seiner Mannschaft. Und so wusste der Trainer der Rhein-Neckar Löwen eine knappe halbe Stunde nach der ein wenig unglücklichen 23:24 (13:14)-Niederlage beim TBV Lemgo Lippe noch gar nicht, welch große Chance der Handball-Bundesligist da im Endspurt um die Europapokal-Teilnahme hatte liegenlassen. Entsprechend überrascht nahm der Schwede im Gespräch dann auch die Kunde von der Heimniederlage der HSG Wetzlar gegen den HC Erlangen zur Kenntnis. Bei einem eigenen Erfolg hätten die Badener also bis auf einen Minuszähler an die Mittelhessen heranrücken und noch auf die Teilnahme an der European League hoffen können. Nun werden die Löwen die internationalen Wettbewerbe in der nächsten Saison aber wohl als Zuschauer verfolgen.
„Zu viele Fehler“
Vranjes war das in diesem Augenblick allerdings mehr oder weniger egal. Was vermutlich auch daran liegt, dass er am Ende dieser Saison die Löwen nach Informationen dieser Redaktion in Richtung des französischen Erstligisten Nîmes verlässt. Und so interessierte ihn in den Katakomben der Lemgoer Arena nur das zuvor Gesehene.
„Ich schaue nicht auf die Tabelle, sondern auf meine Mannschaft. Wir haben das nicht gut genug gelöst und uns das Leben selbst schwer gemacht. Ich habe zu viele einfache Fehler gesehen. Wir waren einfach nicht im Spiel“, sagte Vranjes, dem noch weniger die historische Dimension dieses Abends bewusst gewesen sein dürfte. Wie denn auch?
Er ist erst seit Januar da und seitdem durchaus erfolgreich um Schadensbegrenzung bemüht. Der Trainer legte ein paar Grundsteine, die dem Team in Zukunft helfen können. Doch auch der Schwede konnte eben nicht mehr verhindern, dass die Löwen in Lemgo einen Negativrekord aufstellten. Mit 32 Minuspunkten stehen sie so schlecht da wie noch nie seit dem Erstliga-Aufstieg 2005. Und das gerade einmal vier Jahre nach der letzten Meisterschaft. Das nennt man dann wohl Absturz in Rekordzeit.
Dass es irgendwann dazu kommen wird, zeichnete sich indes längst ab. Denn die Löwen taten in den vergangenen Jahren nun wirklich viel bis alles und noch dazu in großer Konsequenz dafür, um an diesen traurigen Punkt zu gelangen. Wenn man so will, war es also nur eine Frage der Zeit, bis die Verantwortlichen auch in nackten Zahlen und unwiderlegbaren Fakten die Quittung für das erhalten, was sie da zuletzt taten. Oder auch nicht taten. Die Ursachen für den Abwärtstrend sind ohnehin unübersehbar sowie umfassend und überall bekannt.
„Wir hatten nicht so viel Konstanz auf der Trainerposition, wie wir es aus unseren erfolgreichen Jahren gewohnt sind. Es war ein Erfolgsrezept, dass wir in der Mannschaft Konstanz auf Schlüsselpositionen hatten. Das ist ein wenig verloren gegangen“, sagte Kapitän Uwe Gensheimer noch im April bei Sky.
Genau dort äußerte sich zuletzt auch Torwart Mikael Appelgren kritisch, als er zur Gesamtsituation befragt wurde: „Ich stimme zu, dass es sehr frustrierend ist, so wie es ist. Wir haben so oft den Trainer gewechselt – und dann ist es schwierig. Wir hatten gefühlt vier Jahre lang einen Umbruch, wir müssen Kontinuität haben.“ Und bereits im Februar hatte Rechtsaußen Patrick Groetzki im Interview mit dieser Redaktion angemerkt: „Bei den Löwen wurden in den vergangenen Jahren zu viele falsche Entscheidungen getroffen.“
Gensheimer, Appelgren, Groetzki – sie sind neben dem am Saisonende gehenden Andy Schmid nicht nur die wichtigsten Gesichter dieses Vereins und absolute Schlüsselspieler, sondern haben auch die größten und schönsten Momente der Löwen ermöglicht, den Club geprägt und wissen deshalb sehr genau, wie eine erfolgreiche Mannschaft zusammengestellt und wie es besser nicht gemacht wird. Entsprechend fällt ihnen beim Neuaufbau mit dem künftigen Trainer Sebastian Hinze und einigen endlich einmal durchdachten und für die Zukunft sicherlich Hoffnung machenden Transfers eine besondere Rolle zu.
Appelgrens Vertrag endet allerdings 2023 – und dann steht der schwedische Weltklassekeeper vor der Entscheidung, ob er Teil eines Neuaufbaus in Mannheim sein oder im besten Torwartalter noch einmal um die großen Titel spielen will, was zeitnah für die Löwen eher unmöglich ist. Branchenprimus THW Kiel hat in knapp einem Jahr Bedarf auf der Torwartposition und sucht hochkarätigen Ersatz für Niklas Landin, den es in die dänische Heimat nach Aalborg zieht.
Die Löwen wiederum haben in den vergangenen Wochen erkannt, wie wichtig ein überragendes Duo zwischen den Pfosten ist, wie wertvoll in seiner Entwicklung auch der Austausch für den deutschen Nationalkeeper Joel Birlehm mit dem routinierten Appelgren ist. „Es für jede Mannschaft bedeutend, wenn man eine stabile Torwartleistung hat. Der Keeper ist der wichtigste Spieler“, sagte Trainer Vranjes zuletzt.
Keine Frage: Die Planung auf der Torwartposition ist in den nächsten Monaten eine der spannendsten Personalfragen bei den Löwen, denn mit David Späth giert nach überstandener Kreuzbandverletzung ein Toptalent nach Spielzeit. Einsätze in der European League wären für ihn zweifelsohne perfekt – aber das ist nicht nur ein anderes Thema, sondern wohl auch eines, das sich nun endgültig erledigt hat.
Hauptsponsor wird präsentiert
Nach Informationen dieser Redaktion werden die Rhein-Neckar Löwen ihren neuen Hauptsponsor Ende des Monats präsentieren. Im Gespräch ist eine Pressekonferenz am 31. Mai. Wie bereits exklusiv im April berichtet, wird die WTG zur neuen Saison den bisherigen Partner Admiralbet ablösen. Bislang hat das der Handball-Bundesligist noch nicht bestätigt.
Die Löwen müssen den nächsten personellen Rückschlag hinnehmen. Philipp Ahouansou wird in dieser Saison nicht mehr spielen können. Der Verein bestätigte eine entsprechende Meldung dieser Redaktion. Der Rückraummann plagt sich seit Monaten mit Problemen an der Patellasehne herum.
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