Mannheim. Alfred Gislason tauchte ab. Oder besser gesagt: Er tauchte ein. Und zwar in seine eigene Welt. In den vergangenen Wochen besuchte der Handball-Bundestrainer selten ein Bundesligaspiel in der Halle, sondern vertiefte sich auf seinem Bauernhof in Wendgräben bei Magdeburg in seine WM-Vorbereitung. Um effektiv arbeiten zu können, analysierte der Isländer mit kritischem und aufmerksamen Blick in unzähligen Stunden lieber in den eigenen vier Wänden mehrere Dutzend Spiele, anstatt kreuz und quer durch Deutschland zu reisen. Das sparte Zeit - und half ihm, wichtige Entscheidungen zu treffen. Wen nimmt er mit zur Weltmeisterschaft in Polen und Schweden (11. bis 29. Januar), wer schafft es nicht? Den einen oder anderen Härtefall gab es. Zum Beispiel im Tor. Nun herrscht Klarheit.
Birlehm „überrascht“
Neben dem gesetzten Andreas Wolff vom polnischen Spitzenclub Vive Kielce gehört Joel Birlehm von den Rhein-Neckar Löwen zum Aufgebot. Der noch bei den Länderspielen im Oktober berücksichtigte Till Klimpke bleibt außen vor. Birlehm selbst rechnete nicht mit einer WM-Teilnahme, zu eindeutig war noch im Herbst Gislasons Bekenntnis zu Klimpke. „Überraschend“ sei die Nominierung für ihn, sagt der Löwe im Gespräch mit dieser Redaktion. Vor allem sei er aber „einfach glücklich, ich freue mich natürlich total“. Über den Lohn für seine Leistung, die auch Gislason registrierte.
„Joel spielt eine sehr gute Saison und seine Form geht sogar immer weiter etwas leicht nach oben“, erklärt der Bundestrainer am Freitag seine Umbesetzung im Tor, die bei Löwen-Coach Sebastian Hinze für gute Laune sorgt: „Joel hat sich diese Nominierung verdient. Er hat mit seinen Leistungen ganz sicher zu unserer sehr erfolgreichen Hinrunde beigetragen. Es gab nur ein, zwei Spiele, die nicht überdurchschnittlich gut von ihm waren.“
Birlehm ist übrigens nicht der einzige Löwe im WM-Kader. Ebenfalls dabei sind Rechtsaußen Patrick Groetzki, Kreisläufer Jannik Kohlbacher und Spielmacher Juri Knorr. Macht in Summe vier Mannheimer im DHB-Kader, kein anderer Bundesligist stellt mehr Profis. Der Höhenflug des Clubs in der Bundesliga spiegelt sich nun also auch in der Nationalmannschaft wider.
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In absoluter Topform befindet sich seit Monaten vor allem Knorr. Der 22-Jährige führt bei den Löwen nicht nur klug Regie auf der Mitte und übernimmt Verantwortung, sondern glänzt auch als Vorbereiter. Vergessen ist die komplett verkorkste vergangene Saison, als der Rechtshänder wenig Spielzeit bekam und die Europameisterschaft in der Slowakei und in Ungarn wegen einer fehlenden Corona-Impfung verpasste. Nun ist der Hochbegabte einer der ganz großen Hoffnungsträger. Für die WM. Für die Heim-EM 2024. Und darüber hinaus.
Das sieht auch Gislason so: „Juri wird für uns bei diesem Turnier und auch in der Zukunft sehr wichtig sein. Er ist bei den Löwen die unumstrittene Nummer eins auf der Mitte. Ich freue mich, dass er in jungen Jahren schon so weit ist und erhoffe mir sehr viel von ihm.“
Keine Frage: Knorr könnte einer der wenigen, vielleicht sogar der einzige Unterschiedsspieler im deutschen Kader sein, in dem insbesondere im Rückraum einige unerfahrene Kräfte ihre Chance bekommen. „In der Kreativabteilung haben wir unsere Jüngsten. Junge und kreative Kräfte auf spielgestaltenden Positionen - das ist uns in der Vergangenheit abgesprochen worden. Jetzt haben wir Qualität entwickelt. Das ist einfach toll“, freut sich Sportvorstand Axel Kromer mit Blick auf Knorr, den Leipziger Luca Witzke (23 Jahre) und den Gummersbacher Senkrechtstarter Julian Köster (22). Einige Routiniers schafften es hingegen nicht ins Aufgebot. Gislason verzichtet auf den gerade erst von einer Verletzung genesenen Halblinken Julius Kühn, auch Linksaußen Marcel Schiller fehlt.
Start am 13. Januar
In der WM-Vorrunde im polnischen Kattowitz trifft die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) auf Katar (13. Januar), Serbien (15. Januar) und Algerien (17. Januar). „Unser Ziel ist es zunächst einmal, unsere Gruppe zu gewinnen“, will Gislason nicht allzu weit vorausschauen. Allerdings ist auch ihm bewusst: Mit drei Siegen in der Vorrunde steigen die Chancen dramatisch, die Hauptrunde zu überstehen und das Viertelfinale in Danzig zu erreichen.
Ein Verpassen der K.o.-Runde wäre hingegen ein Jahr vor der Heim-EM ein schwerer Dämpfer und würde Zweifel an der deutschen Mannschaft säen, auch wenn der Bundestrainer sein Team gar nicht so weit weg von der Spitze sieht: „Wir müssen uns hinter keinem verstecken. Die Dänen, Schweden, Franzosen und vielleicht auch die Spanier sind das Maß aller Dinge. Aber wir sind gar nicht so weit dahinter und haben die Möglichkeit, zu zeigen, dass wir diese Lücke schließen können.“
Kurz hinter den vier Top-Nationen sind zweifelsohne auch die Isländer einzuschätzen, die Gislason in der Entwicklung „zwei Jahre“ vor den Deutschen sieht. Am 7. und 8. Januar bestreitet die DHB-Auswahl in Bremen und Hannover zwei Testspiele gegen die Nordeuropäer, ehe es weiter nach Polen geht. Für die meisten Spieler erwartungsgemäß, für Birlehm eher überraschend.
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