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Handball-WM: Darum ist Rhein-Neckar Löwe Knorr jetzt ein anderer Spieler

Juri Knorrs Reifeprozess zeigt sich bei der Handball-Weltmeisterschaft ganz deutlich. Der Rhein-Neckar-Löwe ist ein zentraler Spieler und formuliert einen Anspruch an sich und das Nationalteam.

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Marc Stevermüer
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Juri Knorr ist Deutschlands bester Spieler in der ersten Halbzeit. © Soeren Stache

Herning. Eine Revanche? Juri Knorr schüttelt energisch den Kopf. Dieser Gedanke ist ihm nun wirklich fremd. Ein anderer hingegen nicht. „Was wir haben, ist eine offene Rechnung mit uns selbst“, sagt der Spielmacher der deutschen Handball-Nationalmannschaft vor der WM-Hauptrundenpartie an diesem Dienstag (20.30 Uhr) gegen Titelfavorit Dänemark-

 „Wir wollen nicht wieder so aussehen wie im Olympia-Finale.“ Nämlich schlecht. Damals verloren die Deutschen mit 26:39 und wirkten wie Schüler, die sich auf eine harte Prüfung vorbereitet hatten - doch dann kamen irgendwie die falschen Fragen.

Dänemark hat beim WM-Partie 15000 Hanball-Fans im Rücken

Das soll sich diesmal nicht wiederholen. Und da Knorr um das Potenzial seiner Mannschaft weiß, sind seine Worte weder als Aufforderung noch als Appell zu verstehen, sondern als Anspruch. Er möchte, dass die Deutschen zeigen, was sie können. Wenngleich die Rollen weiterhin klar sind. Die bislang durchs Turnier sausenden Dänen gehen als Favorit in dieses Spiel. Sogar noch mehr als bei Olympia. Denn der Weltmeister hat auch noch 15 000 Fans im Rücken.

„Wir haben nichts zu verlieren, der Druck ist komplett auf der dänischen Seite. Wir können es genießen, vor solch einer Kulisse zu spielen. Denn das ist nicht selbstverständlich“, sagt Knorr, der beim 29:22 über Tschechien seine Extraklasse unterstrich.

Dirigent des deutschen Spiels: Juri Knorr. © Sören Stache/dpa

In der ersten Halbzeit war der 24-Jährige an fast jedem deutschen Tor beteiligt. Entweder traf er selbst oder setzte seine Mitspieler in Szene, was dem gebürtigen Flensburger übrigens seit einiger Zeit ganz hervorragend, fast sogar schon bevorzugt gelingt. Knorr ist mittlerweile weniger auf den eigenen Torabschluss bedacht, sondern hat nun mehrere Dienstleistungen im Angebot und das große Ganze im Blick. Er spielt also genau so, wie es ein Stratege zu tun hat. Und tief in seinem Herzen will Knorr ein Stratege sein. Weshalb er zwar trotzdem ein Künstler bleibt - aber auch die Kunst des Machbaren verinnerlicht und sein Repertoire erweitert hat.

„Er ist ein anderer Spieler als vor drei Jahren. Damals haben alle gesagt, er erzielt nur seine Tore und spielt mit dem Kreis“, blickt Bundestrainer Alfred Gislason zurück. Doch Knorr hat mittlerweile einen Reifeprozess vollzogen und einen Wandel durchlebt. Ihm geht es vor allem um das Richtige - und nicht um das Besondere. Es ist ein Balanceakt, den der Spielmacher der Rhein-Neckar Löwen da meistern muss. Aber er beherrscht ihn immer besser.

„Juri macht mehr für seine Mitspieler im Rückraum“, sagt Gislason, als er unter den Stahlrohrtribünen in der Jyske Bank Boxen steht. Passenderweise geht Knorr zu diesem Zeitpunkt gerade in die Kabine - und die Fans schreien seinen Namen. So wie immer, wenn sie den Star des deutschen Handballs sehen.

„Juri, Juri“-Rufe schallen durch die Arena, während Gislason spricht. Keine Frage: Der Hype um Knorr ist immer noch gigantisch. Der Mittelmann erregt große Aufmerksamkeit, ohne selbst laut zu werden. Im Gegenteil. Wenn der Unterschiedsspieler etwas sagt, spricht er leise. Bei ihm kommt es allerdings nicht darauf an, wie er was sagt, sondern was der 24-Jährige von sich gibt. Und das hat stets Substanz.

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Um dem ganzen Rummel ein wenig zu entfliehen, wird Knorr am Saisonende die Bundesliga verlassen. Von den Löwen geht es dann nach Dänemark zum dortigen Spitzenclub Aalborg Handbold. Wenn man so will, spielt er am Dienstag also schon einmal in seiner neuen Handball-Heimat vor.

Knorrs Weggang aus der Bundesliga und Wechsel nach Aalborg

Der Mittelmann blickt gespannt auf das Spiel und das neue Karriere-Kapitel. Und er hofft, dass seine Zeit in Aalborg „eine langfristige und schöne Geschichte wird, in die ich sehr viel Herzblut stecken werde“.

Beim dänischen Meister wird Knorr vermutlich jedes Jahr in der Champions League spielen können. Das ist reizvoll. Doch neben den sportlichen Argumenten und der Nähe zur norddeutschen Heimat gab noch ein anderer Grund den Ausschlag für einen Wechsel. Der 24-Jährige geht davon aus, außerhalb von Deutschland nicht mehr ganz so sehr im Fokus zu stehen wie momentan. „In Dänemark werde ich vermutlich für die breite Masse nicht ganz so interessant sein. Und ich glaube, ein bisschen weniger Scheinwerferlicht tut mir auch mal ganz gut“, sagt der Olympia-Held im Gespräch mit dieser Redaktion.

In der Nationalmannschaft wird Knorr aber weiterhin im Fokus stehen. Erst recht, wenn es gegen die ganz Großen geht. Also gegen Gegner wie die Dänen, die zuletzt dreimal in Folge Weltmeister wurden, seit 31 WM-Spielen nicht verloren haben und auch bei diesem Turnier bislang den Eindruck eines perfekt harmonierenden Orchesters hinterlassen. „Wir sind der große Außenseiter - aber wenn wir ehrlich sind, ist das seit ein paar Jahren jede Mannschaft gegen die Dänen. Sie sind mit Abstand die beste Mannschaft der Welt“, adelt Gislason den Turnierfavoriten, der seit knapp acht Jahren von Nikolaj Jacobsen, dem zweifachen Meistertrainer der Rhein-Neckar Löwen, trainiert wird.

Juri Knorr (r.) freut sich auf die riesige dänische Kulisse. © Soeren Stache

Klar ist: Die Deutschen werden einen sehr, sehr, sehr guten Tag erwischen müssen, um gegen die Skandinavier zu bestehen. „Ein Sieg würde uns einen riesigen Schub geben“, glaubt Knorr. Er hat aber ebenfalls das große Ganze im Blick: „Unser Ziel ist das Viertelfinale. Und wenn wir das erreichen, ist es egal, ob wir vorher gegen Dänemark gewonnen oder verloren haben.“

Wahrscheinlicher ist ohnehin, dass die Deutschen den anvisierten Einzug in die K.o.-Runde in den beiden anderen Hauptrundenpartien gegen Italien am Donnerstag (18 Uhr) und Tunesien am Samstag (20.30 Uhr) klarmachen. Trotz der bislang durchwachsenen Leistungen.

Juri Knorr: „Es hat etwas, in einer fremden Halle anzutreten“

Noch läuft nicht alles rund beim Olympia-Zweiten - aber Knorr ist dennoch guter Dinge. „Wir wissen, dass wir immer unsere Chancen kreieren, dass wir immer eine gute Abwehr und überragende Torhüter haben, die jedem Gegner den Zahn ziehen können. Uns ist aber auch klar, dass wir noch besser werden müssen, um weit in diesem Turnier zu kommen.“

Vielleicht hilft dabei die Außenseiterrolle im Auswärtsspiel gegen Weltmeister Dänemark. „Wenn man die Zuschauer gegen sich hat, ist das auch etwas Besonderes. Ich finde das richtig cool“, meint Rückraum-Linkshänder Uscins, der daraus eine Zusatzmotivation zieht. Torwart und Knorr-Kumpel David Späth sieht das ähnlich: „Die Halle wird brennen, wir aber auch.“

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Zuletzt erlebte die DHB-Auswahl genau solch ein Szenario im Olympia-Viertelfinale. Vor 27 000 Zuschauern bezwang die Mannschaft sensationell in Lille den Gastgeber Frankreich. Knorr denkt gerne daran zurück. „Natürlich ist es schön, in Köln, Berlin oder Hamburg vor einer riesigen deutschen Kulisse zu spielen. Aber es hat ja auch etwas, in einer fremden Halle anzutreten. Das macht auch ein bisschen Spaß“, sagt der 24-Jährige und grinst, ehe er seine Worte nach einer kurzen Atempause mit einem entscheidenden Satz versieht: „Wenn es denn gut läuft.“

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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