Handball

Getrübtes Löwen-Glück trotz des Sieges über Erlangen

Nach einer Energieleistung gewinnen die Rhein-Neckar Löwen mit Rückkehrer Mikael Appelgren gegen Erlangen. Doch Verletzungspech dämpft die Freude. Drei Leistungsträger erwischt es

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Löwe Halil Jaganjac liegt nach seiner Schulterverletzung am Boden. Bei ihm ist Physiotherapeut Sascha Pander. Um die beiden herum stehen Löwe Olle Forsell Schefvert sowie die Erlangener Klemen Ferlin, Johannes Sellin und Christoph Steinert. © Ruffler

Nürnberg. Die Partie ist erst seit ein paar Minuten vorbei, als Olle Forsell Schefvert mit einem Pizzastück in der Hand aus der Kabine der Rhein-Neckar Löwen kommt und in den Katakomben der Nürnberger Arena verschwindet. Allerdings nur für wenige Augenblicke. Dann taucht der Schwede wieder auf. Ohne Pizza. Und auch mit leerem Mund. Aber erneut mit vollen Händen: Diesmal trägt der Rückraumspieler eine Kiste Bier in die Kabine der Mannheimer Bundesliga-Handballer, die sich am Samstag das ungesunde Leben nach einer kraftraubenden Energieleistung aber nicht nur erlauben können, sondern ganz einfach verdient haben. Weil sie beim 33:30 (16:18)-Sieg über den HC Erlangen Rückschlägen und Rückständen trotzen, sich als Mannschaft präsentieren, als verschworene Gemeinschaft auftreten und beim Angstgegner gewinnen. Das klingt erst einmal nach einem perfekten Abend. Und doch ist das Glück getrübt.

Jaganjac droht lange Pause

Denn die Löwen bringen aus dem Frankenland nicht nur zwei Punkte, sondern auch drei verletzte Leistungsträger mit. Besonders schlimm erwischt es Halil Jaganjac mit einer ausgekugelten Schulter, dem Kroaten droht eine wochenlange Pause. Uwe Gensheimer scheidet in der ersten Halbzeit mit einer Adduktorenzerrung aus, Jannik Kohlbacher muss in der Schlussviertelstunde mit Kniebeschwerden passen. Bei ihm und auch bei Jaganjac stehen am Montag genauere Untersuchungen an. Klar ist: Keinen von ihnen können die Löwen gleichwertig ersetzen, trotzdem gewinnen sie in Nürnberg, was den Sieg „extrem geil für uns als Mannschaft macht“, wie Spielmacher Juri Knorr meint.

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Die zwei Punkte wertet er als „Bestätigung für uns als Team“, unter den schwierigen Bedingungen sei der Erfolg gar „noch ein wenig emotionaler. Wir haben uns den Hintern aufgerissen und für Halil gespielt.“ Keine Frage: Knorrs Worte klingen nach Euphorie, doch sie passen in diesem Moment nicht zu seinem Auftreten. Im Gegenteil. Der 22-Jährige spricht seine Sätze ruhig und fast ein wenig leise aus, wirkt nachdenklich, weil er tief in seinem Inneren so viele unterschiedliche, vielleicht sogar gegensätzliche Gefühle und entsprechend eine Zerrissenheit spürt. „Glücklich und erleichtert“ sei er, sagt der gebürtige Flensburger einerseits. Aber eben auch „müde, kaputt und ein bisschen traurig“. Weil die Strapazen groß waren und die drei Ausfälle schwer wiegen. Auch für die kommenden Aufgaben.

Bereits an diesem Donnerstag (19 Uhr) kommen die Füchse Berlin zum Topspiel in die SAP Arena. „Bis dahin“, blickt Sebastian Hinze voraus, „müssen wir uns etwas einfallen lassen.“ Wenngleich der Trainer schon immer argumentiert, dass man sich nicht von einzelnen Spielern abhängig machen dürfe, sondern es vielmehr um Systemtreue gehe. Kreisläufer Ymir Gislason wiederholt diesen Gedanken, er hat ihn verinnerlicht: „Wenn ein Spieler ausfällt, kommt ein anderer. So haben wir das heute gemacht. Wir wissen, wer was zu tun hat.“ Stabilität - egal in welcher personellen Konstellation - steht an oberster Stelle.

Genau diese Beständigkeit fehlt aber in Nürnberg in den letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit, entsprechend gehen die Löwen nach einer 12:10-Führung (19.) mit einem 16:18 in die Pause. Nach dem Seitenwechsel hätten dann „viel Kampf und wenig spielerische Klasse“ zur Wende geführt, meint Kapitän Patrick Groetzki. Kurzum: Der zweifache deutsche Meister erarbeitet sich diesen Sieg - und zwar ausgerechnet in Nürnberg und somit genau an jenem Ort, wo die Mannheimer vor knapp einem Jahr am Tiefpunkt einer ohnehin komplett missratenen Saison angelangten. Beim HCE unterlagen sie damals nicht nur mit 26:36, sondern klappten als Team zusammen wie ein angeknackster Liegestuhl bei der kleinsten Belastung.

Diesmal aber steht eine Mannschaft auf dem Feld, der es - auch das wird bei aller Nachsicht an diesem Abend der Ausfälle phasenweise deutlich - in der Breite zwar hier und da an Qualität fehlt, die sich aber nicht unterkriegen lässt. Und die, wie Groetzki ebenso treffend wie zufrieden festhält, „in entscheidenden Momenten mit entscheidenden Paraden oder entscheidenden Toren“ die Begegnung in eine andere Richtung lenkt.

Appelgrens Mega-Comeback

In der Tat verschieben sich die Kräfteverhältnisse in der zweiten Halbzeit. Zwar ganz langsam, aber eben doch kontinuierlich. So wie zwei Kontinentalplatten. Was in diesem konkreten Fall zunächst einmal an der Weltklasseleistung von Mikael Appelgren liegt, der 42 Prozent der Bälle auf sein Tor abwehrt, sich nach seiner nächsten Verletzungspause eindrucksvoll zurückmeldet und sich anschließend für seine spektakuläre Rückkehr gar nicht groß feiern lassen will: „Ich bin einfach müde von diesen Comebacks.“ Sprich: Er möchte nun mal für längere Zeit gesund bleiben.

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Zu 100 Prozent fit und noch dazu in Topform präsentiert sich seit Wochen Mittelmann Knorr. In Nürnberg glänzt der Spielmacher aber nicht nur mit sieben Toren und acht Assists, sondern schwingt sich zum Anführer auf und übernimmt Verantwortung, gibt seiner Mannschaft in diesem engen Spiel Halt und Orientierung. „Nachdem uns im Fünf-Minuten-Takt die Spieler flöten gegangen sind, musste ich was machen. Es waren ja nicht mehr so viele Jungs da“, witzelt Knorr, verzieht aber weiterhin keine Miene und verschwindet in der Kabine.

Wenig später öffnet sich die Tür wieder, diesmal kommt aber nicht etwa Forsell Schefvert heraus, sondern Physiotherapeut Sascha Pander. Ohne Bier, ohne Pizza. Er blickt kurz auf, greift anschließend zum Telefon und sagt: „Keine Zeit. Ich habe eine Menge zu tun.“

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