Kommentar Löwen haben Vertrauensvorschuss verdient

Der Abgang von Albin Lagergren trifft die Löwen, die für Topspieler momentan nicht die allererste Adresse sind. Doch die jüngsten Transfers zeigen, dass die Entscheider erst einmal Vertrauen verdient haben, meint Marc Stevermüer.

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Marc Stevermüer
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Bei der Betrachtung eines Proficlubs gibt es immer zwei Ebenen. Da ist einerseits die Aktualität. Also das, was die Tabelle gerade aussagt. Und dann gibt es da noch den Plan für die Zukunft. Es geht um das, was künftig möglich ist. Bei den Rhein-Neckar Löwen gibt es am Ist-Zustand momentan nichts auszusetzen. Nach turbulenten Chaos-Jahren steht der Handball-Bundesligist momentan wesentlich besser da, als es vor der Saison vermutet werden durfte. Noch dazu spielt die Mannschaft attraktiv und trägt die Handschrift ihres Trainers Sebastian Hinze. Er hat diesem Team eine Identität gegeben.

In drei bis fünf Jahren wollen die Löwen wieder um die Spitzenplätze mitspielen. Spätestens. Dafür bauen sie eine entsprechende Mannschaft auf, was aber gar nicht so einfach ist. Denn obwohl gerade alles nach einer Trendwende aussieht, wirken die Enttäuschungen der jüngeren Vergangenheit noch nach. Die Mannheimer gehören – vom Finanziellen einmal ganz abgesehen – für Topspieler im Augenblick nicht zu den angesagtesten Arbeitgebern im europäischen Handball, was das Werben um Neuzugänge erschwert.

Umso wichtiger ist es deshalb, seine Stammkräfte zu behalten, um ein Gerüst für die nächsten Jahre zu bilden. Sprich: Vertragsverlängerungen mit Patrick Groetzki, Jannik Kohlbacher und Mikael Appelgren hätten eine Signalwirkung. Erst recht, weil die Löwen nun eine Niederlage am Verhandlungstisch erlitten haben und mit Albin Lagergren einen schwer zu ersetzenden Leistungsträger verlieren – an den SC Magdeburg, von dem der Schwede 2020 zu den Badenern kam.

Vertrauensvorschuss verdient

Damals galten die Mannheimer als die attraktivere Adresse. Seitdem haben sich die Vorzeichen aber geändert. Die Vereine haben ihre Rollen getauscht. Die Löwen sind nun der Herausforderer und gezwungen, kreative Transferlösungen zu präsentieren. Der SCM holte übrigens vor zwei Jahren als Lagergren-Nachfolger einen damals eher unbekannten Ómar Ingi Magnússen, der anschließend zu einem der weltbesten Rückraum-Linkshänder reifte und gewaltigen Anteil an der Meisterschaft 2022 hatte.

Kurzum: Wenn es schon nicht gelingt, alle Leistungsträger zu halten, sind es kreative Transfers wie diese, die nun auch die Löwen tätigen müssen, um die Lücke zu den Topclubs zu schließen. Möglicherweise ist der als Nachfolger sehr heiß gehandelte Jon Lindenchrone solch ein Spieler, auch wenn er auf den ersten Blick nicht wie ein adäquater Lagergren-Ersatz wirkt. Andererseits hat Hinze bislang bewiesen, dass er in einem unterschätzten Profi wie Olle Forsell Schefvert etwas Besonderes sehen und eine Schlüsselfigur aus ihm machen kann. Auch deshalb haben der Trainer und die Löwen einen Vertrauensvorschuss verdient.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft