Handball

Diese Rhein-Neckar Löwen hatte keiner auf der Rechnung

Bei den ersatzgeschwächten Rhein-Neckar Löwen trumpfen gerade Spieler auf, denen man vor der Saison eher kleinere Rollen zugeschrieben hatte

Von 
Marc Stevermüer
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Torwart Mikael Appelgren feiert mit Philipp Ahouansou (links) und Gustav Davidsson (rechts). © Pix

Düsseldorf. Es gibt diese Spieler, auf die ein Trainer lieber nicht verzichten möchte. Weil sie ganz einfach eine zentrale Rolle einnehmen, weil sehr viel an ihnen hängt oder weil ihre individuelle Klasse den Unterschied ausmachen kann. Sie gelten als unersetzbar.

Bei den Rhein-Neckar Löwen wird dieses Attribut zweifelsohne Juri Knorr zugeschrieben. Der 23-Jährige ist der Denker und Lenker des Handball-Bundesligisten. Er entscheidet, ob seine Mannschaft schnell oder langsam spielt. Ob er selbst oder ein Kollege aufs Tor wirft. Ob über die Außenposition, den Kreis oder aus der Distanz abgeschlossen wird. Kurzum: Knorr ist der Chef im Angriff.

Auch Knorr fällt aus

Am Samstag mussten die Löwen aber kurzfristig ohne ihren Boss auskommen. Der Mittelmann fiel wegen einer Bauchmuskelverletzung für die Begegnung beim Bergischen HC aus. Ein Schock. Zumal Trainer Sebastian Hinze ohnehin schon seit Wochen auf die etablierten Rückraumkräfte Olle Forsell Schefvert und Halil Jaganjac verzichten muss. Und trotzdem lösten die stark ersatzgeschwächten Mannheimer die Aufgabe beim BHC mit einem 31:29 (18:16)-Erfolg. „Es war ein echter Kampfsieg“, fasste Rechtsaußen Patrick Groetzki nach seinem 500. Ligaeinsatz für die Badener treffend zusammen.

In Tat zeigte der Pokalsieger viel Herz und Leidenschaft, selbst von einem 27:28-Rückstand sieben Minuten vor dem Abpfiff ließen sich die Löwen nicht beirren und drehten die Partie mit einem starken Knorr-Vertreter Gustav Davidsson. Der Zugang aus Schweden zeigte bislang in der noch jungen Saison wechselhafte Leistungen mit teils wilden Schwankungen zwischen den Extremen. Richtig starken Aktionen folgten unerklärliche Ballverluste. Und umgekehrt. Diesmal gehörte er aber zu den Besten. Und zwar über 60 Minuten.

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„Ein sehr gutes Spiel“ attestierte Hinze dem 23-Jährigen: „Mir hat besonders seine Verantwortung für den Ball gefallen.“ Der Trainer hatte zuletzt viele Gespräche mit Davidsson geführt. Um ihn zu stärken, zu stützen, zu stabilisieren. Das Ergebnis sah er in Düsseldorf. Der Schwede spielte seriös, ohne sich dabei aber zu sehr in seinen individuellen Fähigkeiten einzuengen. Er erzielte sechs Treffer, legte zwei weitere Tore auf. Der Mann aus Stockholm fand die richtige Mischung aus übersichtlicher Spielsteuerung und dynamischen Einzelaktionen. Auf ihn war ganz einfach Verlass.

Ahouansou und Móré liefern

Zudem gibt es bei den Löwen momentan „ein paar Spieler, die wichtig für uns sind, obwohl sie vorher nicht die ganz große Rolle bei uns hatten“, sagte Torwart Mikael Appelgren und zeigte wenige Minuten nach dem Abpfiff auf den direkt neben ihm stehenden Philipp Ahouansou. Der 22-Jährige besorgte fünf Treffer und behielt vor allem in der Schlussphase die Nerven. Bei angezeigtem Zeitspiel nahm er sich voller Überzeugung den Ball und donnerte ihn 18 Sekunden vor dem Ende zum 31:29-Endstand ins Netz, nachdem er bereits am vergangenen Montag beim 34:24 über den HC Erlangen aufgetrumpft hatte. Keine Frage: Die Löwen brauchen ihn gerade, seine Tore und seine Wurfgewalt.

Gar von noch größerer Bedeutung ist momentan der 19-jährige David Móré, der die Linksaußenposition nach den Verletzungen von Uwe Gensheimer und Lion Zacharias als Alleinunterhalter bekleidet. Und dabei eine erstaunliche Ruhe an den Tag legt. In Düsseldorf ließ er sich von ein paar Fehlwürfen nicht aus der Fassung bringen und lieferte genau dann ab, als es eng wurde. Mal spektakulär, wie bei seinem gleichermaßen frechen wie überragendem Leger aus dem Nullwinkel zum 24:22 (45.), nachdem er 50 Sekunden zuvor am Pfosten gescheitert war. Móré erklärte anschließend sein Kunststück ähnlich unaufgeregt wie er gespielte hatte: „Ich dachte mir, damit rechnet jetzt keiner. Deswegen habe ich das mal probiert.“

Der Rechtshänder kann es aber auch humorlos wie bei den Siebenmetern zum 30:29 (58.) und 23:21 (42.), was ganz besondere Drucksituationen waren. „David beeindruckt mich. Er hat Mut, übernimmt Verantwortung“, lobte der in den letzten Spielminuten ebenfalls gute Schlussmann Appelgren.

Trainer Hinze bremst

Hinze vergaß allerdings nicht, was zuvor passiert war. Denn die jungen Spieler, das muss bei aller Nachsicht und Fürsorgepflicht erwähnt werden, trugen auch ihren Teil dazu bei, dass es nach zwischenzeitlicher 14:9-Führung (21.) noch einmal eng wurde. Ahouansou schloss ab und zu unvorbereitet ab, Móré scheiterte im Gegenstoß. Erfahrungen wie diese gehören allerdings zu einer Entwicklung. Und die - so viel steht fest - verläuft bei diesem Duo durchaus rasant.

„Die Jungen müssen…“, sagte Hinze und machte eine kurze Pause, um seinen Satz noch einmal neu zu beginnen: „Nein, sie sollen Leistung zeigen.“ Es gibt also keine Pflicht, keinen Zwang, keinen zusätzlichen Druck. Was die Sache einfacher macht. Gleichwohl will der Trainer die Talente nicht nur fördern, sondern auch fordern.

Und so gefiel ihm zwar die Verlässlichkeit in der Schlussphase, allerdings nicht ohne zu erwähnen, dass Ahouansou und Móré „vorher auch schon ihre Möglichkeiten“ hatten. Was vom Trainer keinesfalls als Vorwurf, sondern als Feststellung und Arbeitsauftrag an ihn selbst gemeint war: „Es ist unsere Aufgabe, dass sie ihre Leistung konstanter hinbekommen. Aber es ist natürlich schön, dass sie am Ende sich selbst vertrauen. Die Jungs haben verantwortungsvolle Aufgaben - und von diesem Spiel können wir sehr viel mitnehmen.“

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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