Mir ist es wichtig, jeden im Trainingszentrum zu kennen. Also auch den Hausmeister
Hannover. Joel Birlehm kennt seine Rolle. Und er sagt selbst, dass diese für ihn „akzeptabel“ sein muss. Weil der Torwart der Rhein-Neckar Löwen froh ist, überhaupt bei der deutschen Handball-Nationalmannschaft dabei zu sein. Und zwar als Nummer zwei, wie Bundestrainer Alfred Gislason deutlich macht. Gesetzt zwischen den Pfosten ist bei der anstehenden Weltmeisterschaft in Polen und Schweden erst einmal Andreas Wolff.
Der sei nun mal „deutlich erfahrener“, betont Gislason, der sich kurz vor dem Turnier beim Vertreter für den gesetzten Europameister von 2016 noch einmal umentschied. Till Klimpke rutschte aus dem Kader - und Birlehm rein. Womit der Löwen-Keeper lange selbst nicht gerechnet hatte. Doch dann kam alles anders.
Er wird besser und besser
Zwei Tage vor Heiligabend erhält er zu späterer Stunde eine Textnachricht von Mattias Andersson. Der Torwarttrainer der Nationalmannschaft bittet um ein spontanes Telefonat. Birlehm sagt umgehend zu und ist „ein bisschen aufgeregt“. Oder anders ausgedrückt: Als Andersson anruft, geht dem 25-Jährigen genau die Lockerheit ab, mit der er nun im Vorbereitungsquartier der DHB-Auswahl in Hannover sitzt: „Das Gespräch hätte ja in beide Richtungen gehen können.“ Es nimmt für Birlehm aber recht schnell einen schönen Verlauf.
Die extrem starken Leistungen zum Jahresende überzeugen Andersson und Gislason, der von der Richtigkeit seiner Entscheidung schon nach ein paar Trainingseinheiten überzeugt ist: „Joel bestätigt seine Form.“ Und die ist nun mal herausragend. Mehr noch: Birlehm wird einfach immer besser. So wie bei den Löwen.
Als er vor knapp einem Jahr in einer Hauruckaktion etwa 18 Monate früher als geplant vom SC DHfK Leipzig zum zweifachen Deutschen Meister wechselt, muss alles ganz schnell gehen. Er lebt im Hotel, seine Frau Charlotte und die gerade erst geborene Tochter Mathilda bleiben vorerst in Leipzig. Noch dazu läuft bei den Löwen sportlich gesehen eigentlich alles schief, was schieflaufen kann. Da fällt der Neubeginn natürlich noch schwerer.
Birlehm muss sich erst einmal sortieren, in privater und in sportlicher Hinsicht. Es geht darum, irgendwie anzukommen, sich mit dem neuen Verein vertraut zu machen „Mir ist es wichtig, jeden im Trainingszentrum zu kennen. Also auch den Hausmeister“, sagt Birlehm.
Doch bis der gebürtige Herforder alles und jeden kennt, dauert es eben ein wenig. Und bis seine Familie da ist und sie ein gemeinsames Zuhause in Heidelberg beziehen können, dauert es noch ein wenig länger. „Aber jetzt hat sich alles eingespielt“, sagt der Torwart. Und das zeige sich nun in „allen Lebenslagen“. Auch in seiner Leistung. Weil der Wohlfühlfaktor stimmt.
In den ausverkauften Testspielen gegen WM-Geheimfavorit Island in Bremen und Hannover am Samstag (16.15 Uhr) und Sonntag (15.30 Uhr) wird der Löwe fraglos seine Chance im DHB-Dress bekommen. Am 13. Januar folgt der WM-Auftakt gegen Katar, danach stehen die weiteren Vorrundenaufgaben Serbien (15. Januar) und Algerien (17. Januar) an.
Großer Wissensdurst
Wollen die Deutschen die angestrebten sechs Punkte mit in die Hauptrunde nehmen, brauchen sie auch gute Torwartleistungen. Von Wolff. Oder auch mal von Birlehm, der im Training sehr viel mit seinem Positionskollegen spricht: „Ich will Andis Gedanken verstehen und frage ihn oft, warum er was macht.“ Sich Erfahrungswerte und Wissen von einem Europameister anzueignen, der zuletzt „Woche für Woche in der Champions League ein Faktor“ (O-Ton Birlehm) für den polnischen Topclub Kielce war, ist sicherlich nicht die schlechteste Taktik, um bestens vorbereitet zu sein.
Denn Birlehm möchte helfen, wenn er gebraucht wird, wenn er, der Schattenmann, ins Rampenlicht muss. Weil der 25-Jährige das Beste für die Mannschaft will - und weiterhin ein vom Ehrgeiz Getriebener ist, obwohl sich Löwen-Torwarttrainer Dragan Jerkovic eigentlich vorgenommen hatte, den Eifer seines Schützlings hier und da ein wenig einzubremsen.
Zu viel Eigenantrieb kann schließlich stressig und deshalb hinderlich sein. Nicht aber bei Birlehm, der schmunzelnd festhält, dass der Jerkovic-Plan nicht aufgegangen sei: „Beim Aufwärmprogramm spiele ich immer noch hart Fußball.“
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