Mannheim. Nicht selten kommt bei ganz hart umkämpften Handballspielen dem Faktor Glück eine bedeutende Rolle zu. Hier ein Wurf an den Pfosten, da ein abgeprallter Ball, der der einen Mannschaft eher zufällig in die Hände fällt und genauso gut auch beim Gegner hätte landen können. Sebastian Hinze weiß das. Der Trainer der Rhein-Neckar Löwen hat solche Momente häufiger erlebt. Mit unterschiedlichem Ausgang. Wie heißt es doch so schön: Mal gewinnt man, mal verliert man.
Lang vermisste Kaltblütigkeit
Es fällt allerdings auf, dass Hinze in dieser Saison bislang alle engen Partien als strahlender Sieger beendete. Gegen die SG Flensburg-Handewitt (28:27), beim Bergischen HC (27:26) und jetzt auch am Sonntag im packenden Krimi gegen die TSV Hannover-Burgdorf (32:31), als die Mannheimer nach einem Vier-Tore-Rückstand ein nicht mehr für möglich gehaltenes Comeback hinlegten. Übrigens auch dank der taktischen Umstellungen von Hinze, weshalb immer Glück meistens dann doch kein Zufall ist. Auch wenn der Trainer das anders sieht.
„Wir können uns hier hinstellen und sagen, was für tolle Sachen wir gemacht haben. Aber das ist Quatsch“, spielt der gebürtige Wuppertaler seinen Anteil am Erfolg herunter und spricht vom „Momentum“, das am Ende gegen Hannover aufseiten seines Teams gewesen sei.
Keine Frage: Diese Bescheidenheit ehrt ihn. Mal ganz abgesehen davon, dass Hinze ohnehin nicht im Verdacht steht, irgendwie Komplimente erhaschen zu wollen. Sein Anteil am Sieg war dennoch ein großer. Wegen seiner Korrekturen. Und weil die Löwen in dieser Saison bislang stabil bleiben, wenn es schwierige Phasen gibt; wenn es in den Schlussminuten um alles geht; wenn ganz einfach brutale Nervenstärke gefragt ist.
In den vergangenen Jahren sah man all das nur selten. Wenn überhaupt. Von schlechten Momenten und Rückständen innerhalb eines Spiels erholte sich die Mannschaft nur in Ausnahefällen. Ging es in der Schlussphase eng zu, hatten die Löwen fast nie das glückliche Ende. Im Gegenteil: Auf teils groteske, ja geradezu alberne Art und Weise schenkten sie bisweilen die Siegchance her. Doch jetzt agieren die Badener plötzlich mit einer lange nicht gesehenen Kaltblütigkeit.
Hinze spricht von „Mentalität“, die seine Mannschaft im konkreten Fall gegen Hannover „in den letzten Minuten auf die Platte gebracht“ hätte. Was wiederum nur geht, wenn der Glaube ausgeprägt und der Zusammenhalt riesig, wenn die Lust auf den Sieg größer als die Furcht vor der Niederlage ist, wenn es keine Ohnmacht, Versagensängste und Sorge, sondern nur die Gier auf die zwei Punkte gibt. Die Löwen stehen im Herbst 2022 für all das, was vor dem Pokalspiel beim SC DHfK Leipzig am Mittwoch (19 Uhr) erst einmal eine gute Nachricht ist.
Gegen Hannover sei es „wichtig zu erleben“ gewesen, dass „wir nicht unser bestes Spiel machen, aber dranbleiben, zusammenstehen und die Punkte holen“, weiß Kapitän Patrick Groetzki um die emotionale Bedeutung solch eines erzwungenen Erfolgs, den Linksaußen Uwe Gensheimer als „dreckigen Sieg“ bezeichnet: „Wir müssen immer an unsere Qualität glauben. Es ist egal, ob wir gerade eine Chance vergeben haben oder bei zehn Fehlwürfen stehen. Es gilt immer nur, die nächste Situation anzugehen.“ Bislang gelingt das den Löwen recht gut, weshalb Regisseur Juri Knorr auch von einer gewissen „Ruhe“ und „Geduld“ im eigenen Spiel spricht. Gegen Hannover habe man es mit dieser extremen Beharrlichkeit geschafft, dass Momentum zu ändern.
„Eine schwere Aufgabe“
Dank dieser Erfahrung und den vorangegangenen Erlebnissen gegen Flensburg und beim Bergischen HC reisen die Löwen nun entsprechend selbstbewusst nach Leipzig, auch wenn es durchaus einfachere Gegner in der 2. Pokalrunde gibt. „Mal wieder eine schwere Aufgabe“ habe man zugelost bekommen, meint Groetzki und hat dabei gewiss auch schon das Achtelfinale im Kopf. Denn sollten sich die Löwen in Leipzig behaupten, steht für sie bereits der nächste Gegner fest.
In der Runde der letzten 16 Mannschaften käme erneut ein Trip zu einem Ligarivalen auf den zweifachen deutschen Meister zu, dann ginge es zur hoch gehandelten MT Melsungen. Ihr letztes Spiel bei den Nordhessen verloren die Löwen. Noch dazu auf dramatische Art und Weise: Julius Kühn verwandelte mit dem Schlusspfiff einen direkten Freiwurf für die MT, Sekunden zuvor hatten die Mannheimer ihre Siegchance leichtfertig aus der Hand gegeben. Wie schnell sich die Zeiten doch ändern können.
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