Handball

Dänisches Doppel verzückt die Rhein-Neckar Löwen

Die Rhein-Neckar Löwen gewinnen 36:32 beim HSV Hamburg. Das liegt vor allem an zwei Spielern. Und Ex-Nationalspieler und Fernsehexperte Stefan Kretzschmar wäre fast der Zugang zum Spiel verwehrt geblieben

Von 
Marc Stevermüer
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Lindenchrone © Max Krause

Hamburg. So einfach geht das nicht. Und da gibt es selbst für einen der größten deutschen Handballer aller Zeiten keine Ausnahme. Ex-Nationalspieler und Fernsehexperte Stefan Kretzschmar muss am kalten Samstagabend ein wenig darum kämpfen, dass ihm Zufahrt zum Parkplatz der Hamburger Barclays Arena gewährt wird. Die gewissenhafte Dame im Pförtnerhaus neben dem verschneiten Volkspark findet zwar den TV-Sender Dyn samt Übertragungswagen auf ihrer mehrseitigen Liste, aber weder Kretzschmars Name noch sein Auto-Kennzeichen sind dort vermerkt.

Die Schranke bleibt also erst einmal unten, was man dann wohl norddeutsche Gründlichkeit nennt und den früheren Weltklasse-Linksaußen verdutzt aus dem geöffneten Fenster seines Fahrzeugs schauen lässt. Er nimmt den freundlichen Dialog mit der pflichtbewussten Frau aber mit Humor, was offenbar der richtige Ansatz ist. Denn plötzlich geht die Schranke doch nach oben, begleitet vom wohlwollenden Kommentar der Dame, das jetzt mal „so durchgehen“ zu lassen.

Befreiung für den Neuzugang

Für Kretzschmar wäre es fraglos ärgerlich gewesen, zu spät zum Spiel und somit auch zur Arbeit zu kommen. Zumal es in der Arena ein Spektakel zu sehen gibt, an dem zwei Dänen ihren Anteil haben. Jon Lindenchrone und Niclas Kirkeløkke erzielen gemeinsam 19 Treffer für die Rhein-Neckar Löwen und sind neben Torwart Mikael Appelgren (15 Paraden) sowie Juri Knorr (8 Tore) die Garanten für den 36:32 (19:15)-Sieg beim HSV Hamburg.

Niclas Kirkeløkke (links) erzielte zehn Treffer, neunmal war Jon Lindenchrone erfolgreich. © Max Krause

Lindenchrone schreit nach dem Schlusspfiff seine Freude mehrfach heraus. Auf dem Feld. Im Flur. Und beim Gang durch die Kabinentür. Es sind Schreie der Erleichterung. Und des Glücks. Denn dieser emotionale Moment hat etwas Befreiendes. Für die Löwen im Allgemeinen, weil sie zuletzt viermal in Folge gegen den HSV verloren hatten und durchschnittlich in die Bundesligasaison gestartet waren. Und für Lindenchrone persönlich, der im Sommer von Frisch auf Göppingen nach Mannheim gewechselt war und beim Pokalsieger einen „schwierigen Start“ hatte, wie es Trainer Sebastian Hinze nennt.

In Hamburg gelingt ihm aber wie schon zuvor gegen IFK Kristianstad in der European League fast alles, obwohl der gelernte Rückraumspieler wegen der Verletzung von Patrick Groetzki erneut als Rechtsaußen ranmuss. Seine angestammte Position ist derzeit fest an den formstarken Kirkeløkke vergeben. In der Hansestadt ergänzen sich die Landsleute prächtig. Mehr noch: Sie überragen als treffsicheres dänisches Doppel.

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19 Tore? „Wow… das ist wirklich gut“, brüllt Lindenchrone und wirkt ehrlich überrascht. Er weiß in diesem Augenblick zwar, dass Kirkeløkke und er ein starkes Spiel gemacht haben. Aber so gut? Das ist selbst ihm nicht sofort klar. Auch weil es für ihn eine untergeordnete Bedeutung hat: „Wichtig ist der Sieg. Wir haben jetzt viermal in Folge gewonnen und einen Lauf.“ Der sich am Dienstag (20.45 Uhr, live bei Dyn) in der European League beim HBC Nantes fortsetzen soll. Mit einer Leistung wie in Hamburg ist das möglich.

Torwart Appelgren verhindert Schlimmeres

„Nahezu perfekt“ sei der Auftritt seines Teams in den ersten 20 Minuten gewesen, sagt Trainer Hinze. Was schon etwas zu bedeuten hat. Denn überschwänglich erlebt man den gebürtigen Wuppertaler selten. Wobei das Wörtchen „nahezu“ von ihm gewiss nicht zufällig gewählt ist. Es impliziert ja, dass es noch besser geht. Dennoch: Bis zum 15:8 (19.) dominiert seine Formation die Partie, die den Löwen aber in den Minuten kurz vor und nach dem Seitenwechsel fast komplett entgleitet.

In dieser Phase verhindert Torwart Appelgren Schlimmeres. Der Schwede sorgt dafür, dass die Mannheimer kein einziges Mal zurückliegen. Und im Angriff ist auf die zwei Dänen Verlass. Der flinke Lindenchrone geht konsequent und kompromisslos ins Tempospiel, er findet langsam Gefallen an seinem Job auf dem rechten Flügel. „Es wird immer besser“, meint der 26-Jährige. Auch Hinze ist mit den Fortschritten „sehr zufrieden. Jon nimmt diese Rolle an, die hohe Einsatzzeit tut ihm gut. Er entwickelt ein gewisses Selbstverständnis.“ Und hilft der Mannschaft noch zusätzlich in der Deckung.

Trainer Sebastian Hinze: System umgestellt

Da Lindenchrone auch auf der Halbposition verteidigen kann, entlastet er zwischendurch Kirkeløkke in der Defensive. „Dass wir diesen Tausch machen können, ist gut“, freut sich Kirkeløkke, der auf diese Art und Weise seine Kräfte für die Offensive spart und immer wieder aus der Distanz trifft. „Es macht einfach Spaß“, sagt der wurfgewaltige dänische Weltmeister, der theoretisch ebenfalls auf dem rechten Flügel agieren könnte. Doch er stellt klar: „Ich spiele lieber auf der Halbposition.“ Genau dort hat er gerade auch den größten Wert für die Löwen.

„Wir haben für Niclas das Spielsystem umgestellt und kreieren Situationen, in denen er unfassbar gut ist“, verrät Hinze. Keine Frage: Die Arbeit hat sich gelohnt. Auch wenn es in Hamburg fast noch schiefgegangen wäre. Bis zum 30:30 (54.) ist die Partie offen. „Und wenn man solch einen Vorsprung aus der Hand gibt, ist es dann auch ein Spiel, das kippen kann“, gibt der Trainer zu.

In den Schlussminuten „hauen unsere Linkshänder aber noch einmal einen raus“, wie es Kreisläufer Jannik Kohlbacher mit Blick auf das dänische Doppel von der rechten Seite nennt. Streng genommen hauen Kirkeløkke und Lindenchrone sogar nicht nur „einen raus“. Sie erzielen vier der letzten fünf Mannheimer Treffer in diesem Krimi, den übrigens auch Stefan Kretzschmar noch von Beginn an zu sehen bekommt.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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