Mannheim. Ein bisschen was ist zurückgeblieben. Cottbus ist Heimat für Janne Sietan. In der 100 000-Einwohner-Stadt, halbe Strecke zwischen Berlin und Dresden, wurde der Mittelfeld-Abräumer des SV Waldhof geboren. In Cottbus wuchs Sietan auf, und als früh sein Fußball-Talent aufblitzte, gab es nur einen Verein, der infrage kam: Der FC Energie. „Ich habe das Wappen immer mit sehr viel Kampfgeist und Leidenschaft getragen“, sagt der 22-Jährige vor dem Duell mit seinem Jugendverein (Samstag, 14 Uhr, Carl-Benz-Stadion). Sietan durchlief alle Jugendteams, war Kapitän der U19 und machte sich Hoffnungen, zu den Profis aufzusteigen. Es kam anders. „Da habe ich zum ersten Mal das knallharte Profigeschäft erlebt. In einem halbminütigen Gespräch wurde mir mitgeteilt, dass es für mich nicht reicht für den Regionalliga-Kader in der nächsten Saison. Damit war das Ding ziemlich plötzlich für mich zu Ende“, sagt Sietan.
Es ist eine Geschichte, für die einmal der Spruch vom Propheten, der im eigenen Land nichts gilt, erfunden wurde. Beim FC Energie verkannten sie offensichtlich die Qualität von Eigengewächs Sietan. „In Cottbus gab es damals schon Jugendverträge und ich habe keinen bekommen, obwohl ich in der U19 schon ein Leistungsträger war. Nach dem Motto: Der kommt aus unserer Jugend, der wohnt hier in der Stadt, der geht eh nicht weg“, erklärt Sietan. „Meine kleine Geschichte symbolisiert vielleicht die mangelnde Wertschätzung.“
Trares will aus ihm noch einen richtigen Strategen machen
Vergossene Milch. Über den Umweg SV Babelsberg 03 schaffte es Sietan zum SV Waldhof und in den Profifußball. „Bei Cottbus war das eine sehr besondere Zeit und ich war ganz schön traurig, als sie zu Ende ging. Aber im Nachhinein mit ein bisschen Abstand war das auch völlig in Ordnung so. Vielleicht hätte ich sonst gar nicht den Weg gemacht, den ich gemacht habe“, sagt er.
In Mannheim gehört Sietan nach einem schwierigen Start noch unter dem Mitte September freigestellten Trainer Marco Antwerpen zu den Stammkräften im defensiven Mittelfeld. Eine Position, auf die ihn Rückkehrer Bernhard Trares aus Personalnot im Spiel gegen Erzgebirge Aue (3:0) Mitte Oktober beorderte. In Babelsberg hatte Sietan meist Innenverteidiger gespielt. Aber der 22-Jährige erledigte seinen Job bisher so abgeklärt, dass er sich auf der Sechs festgespielt hat. Von den vergangenen sieben Drittliga-Partien absolvierte der Cottbuser fünf über die volle Distanz. „Janne hat eine tolle Entwicklung gemacht. Er hat eine extrem gute Lauf- und Zweikampfstärke“, sagt Trares. Und wo ist noch Verbesserungsbedarf? „Er braucht noch ein bisschen mehr Strategie. Man braucht auch ein bisschen das Gefühl, was das Spiel an diesem Tag hergibt. Das ist Jannes Thema, aber das kommt über Spielzeit in der 3. Liga, dass er da ein Stückchen strategischer wird“, sagt der SVW-Coach. Ein gutes Beispiel sei die 0:2-Niederlage beim VfB Stuttgart II am vergangenen Samstag gewesen, als Sietan laut Trares „zu viel wollte, zu offensiv gepresst hat, ein Stück weit zu wild gespielt hat“.
Am Samstag steht für Sietan eine Reise in die eigene Vergangenheit an. Und der nächste Versuch, eine schwarze Serie gegen seinen Jugendverein endlich zu beenden. In insgesamt acht Partien mit Babelsberg gegen Cottbus setzte es acht Niederlagen. „Die traurige Bilanz ist Fakt. Mein persönlich größtes Ziel für das Wochenende ist, diese Serie zu brechen“, sagt der Waldhof-Profi. Auch, um nach zuletzt nur einem Sieg aus fünf Spielen wieder in die Erfolgsspur zurückzufinden. „Wenn die Tugenden, von denen immer alle sprechen, kommen, dann holen wir die Zuschauer mit ins Boot und dann gelingen uns Dinge einfacher“, sagt Sietan mit Blick auf die verbleibenden drei Spiele gegen die Top-Teams Cottbus, Dynamo Dresden und Arminia Bielefeld. „Wer da nicht motiviert ist, dem ist nicht mehr zu helfen.“
Dass der Aufsteiger aus der Lausitz sensationell als Tabellenführer der 3. Liga nach Mannheim reist, überrascht auch das einstige Eigengewächs. „Ich habe einige Spiele von ihnen in dieser Saison gesehen, in denen sie sich nicht so schwergetan haben wie gegen vermeintlich kleinere Namen aus der Regionalliga. Obwohl das Personal nicht so groß verändert wurde.“
Zum Spiel am Samstag nehmen seine Eltern und ein paar Freunde die 632 Kilometer lange Strecke von Cottbus nach Mannheim auf sich. Die Sympathien sind zumindest für diese 90 Minute klar verteilt. „Die jubeln schon immer für mich und meinen Verein, selbst im Cottbuser Stadion waren sie für Babelsberg. Für meine Mutter waren sie immer ein bisschen zu laut und euphorisch, gerade mein Vater“, sagt Sietan und lacht. Anders sähe es hingegen aus, wenn er ausgerechnet gegen seine alte Liebe sein erstes Tor im Profifußball erzielen sollte. „Es wäre auf jeden Fall der richtige Zeitpunkt, aber ich würde mich darüber erstmal nur innerlich freuen und den Jubel auf dem Platz unterlassen“, sagt Sietan. Trotz der Enttäuschung am Ende seiner Energie-Zeit: Wer seine gesamte Jugend in einem Verein verbracht hat, bleibt mit ihm eben immer emotional verbunden.
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