Mannheim. Spiesen-Elversberg, Landkreis Neunkirchen, knapp 14 000 Einwohner, saarländische Provinz. In dieser Kleinstadt wird gerade an einer der erstaunlichsten Erfolgsgeschichten im deutschen Profifußball der vergangenen Jahre geschrieben. Die Sportvereinigung 07 Elversberg schickt sich an, mit nur einem kurzen Zwischenstopp in der 3. Liga direkt von der Regionalliga in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Das haben zuvor nur drei Vereine geschafft: RB Leipzig 2014, die Würzburger Kickers 2016 und Jahn Regensburg 2017.
Es wäre ein Durchmarsch, mit dem kein Experte gerechnet hat. Vor dem Topspiel beim SV Waldhof am Montag (19 Uhr) hat die „Elv“ als souveräner Tabellenführer der 3. Liga 10 Punkte Vorsprung auf den zweiten Platz. Das Polster auf den Relegationsrang beträgt sogar 14 Zähler.
Fester Plan für die Sensation
„Ich habe schon so viele Dinge erlebt im Fußball. Insofern weiß ich, was passieren kann“, sagt SVE-Trainer Horst Steffen, der sich weiterhin als Mahner versucht. Doch für einen Einbruch auf der Zielgeraden gibt es keinerlei Anzeichen: Die Euphorie trägt die Saarländer durch die Saison - es spricht alles dafür, dass die SV Elversberg in der kommenden Saison in der 2. Liga spielt.
Es ist eine ausgewachsene Sensation, die auf einem festen Plan basiert und von der sich auch Clubs, die nach oben wollen, wie der SV Waldhof, einiges abschauen können.
Kontinuität als Trumpf
Als Schlagwort über dem Elversberg-Prinzip steht der Begriff Kontinuität. Die Saarländer stärkten ihrer sportlichen Leitung um Trainer Steffen und Sportchef Ole Book auch den Rücken, als es mit dem Aufstieg in die 3. Liga zwischen 2018 und 2021 noch nicht klappen wollte.
„In der heutigen Zeit ist es nicht selbstverständlich, über viele Jahre in einem Verein tätig zu sein. Aber diese Kontinuität, dieses Vertrauen zeichnet Elversberg aus und sorgt für Verbundenheit“, sagte der frühere Bundesliga-Profi Steffen (Gladbach, Uerdingen, Duisburg) im Januar, nachdem er seinen Vertrag bis 2026 verlängert hatte.
Gespräche über Stadionausbau laufen bereits
Der Elversberger Weg trägt Züge eines klassischen Fußball-Märchens. Auch wenn in der Szene bekannt war, dass man schon zu Regionalliga-Zeiten an der Kaiserlinde gut verdienen konnte, liegen die Saarländer im Gehaltsgefüge der 3. Liga nur im Mittelfeld. Zudem hat Mäzen Frank Holzer, Ex-Profi und Chef des Pharmaherstellers Ursapharm, seit seinem Einstieg 1989 darauf geachtet, in Beine und Steine zu investieren. Das Waldstadion an der Kaiserlinde, mittlerweile in Ursapharm-Arena umbenannt, wurde modernisiert, erst beim Heimspiel im Februar gegen Oldenburg weihte die SVE das Dach über der Haupttribüne ein.
Im Hintergrund laufen bereits Gespräche mit der Deutschen Fußball Liga, wie das aktuell für die Zweitliga-Anforderungen zu geringe Fassungsvermögen des Stadions von 7500 Zuschauern im Falle eines Aufstiegs mittels Stahlrohrtribünen provisorisch auf zumindest 10 000 erhöht werden könnte. Gelingt das nicht, müsste die „Elv“ in den Ludwigspark des benachbarten 1. FC Saarbrücken umziehen.
Geldgeber-Sohn hat das Sagen
Auch am gestiegenen Fanzuspruch zeigt sich die explosionsartige Entwicklung des saarländischen Dorfvereins: Der Zuschauerschnitt hat sich verdreifacht - von 1629 in der Regionalliga auf fast 5000 Besucher in dieser Spielzeit.
Mittlerweile führt Holzers Sohn Dominik das sportliche Vermächtnis seines Vaters im operativen Geschäft weiter. Doch potente Geldgeber haben auch andere Drittligisten - entscheidend ist das sportliche Konzept, das auf Grundlage der wirtschaftlichen Möglichkeiten durchgezogen wird.
Gewachsener Kader
Dem Duo Steffen/Book gelang es nach dem Aufstieg, alle Leistungsträger zu halten - und das Team wurde gezielt mit erfahrenen Profis verstärkt, die die Anforderungen der 3. Liga kennen. Qualitätsspieler wie Thore Jacobsen (Bremen II), Marcel Carreia (Paderborn) oder Carlo Sickinger (Sandhausen) ergänzten ein eingespieltes Team, das die Spielidee des Trainers komplett verinnerlicht hat.
Elversberg hat aktuell nicht nur die beste Abwehr der 3. Liga (erst 19 Gegentreffer), sondern auch klar die beste Offensive (59 Tore). „Hut ab, was dort geleistet wird. Wenn man den Weg von Elversberg verfolgt hat, weiß man, dass das eine gewachsene Mannschaft ist, die sich punktuell gut verstärkt hat. Sie spielen eine hervorragende Rolle. Bei ihrem aktuellen Schnitt würden sie bei 90 Punkten landen“, sagt Waldhof-Trainer Christian Neidhart. Der bisherige Punkterekord in der 3. Liga steht bei 85 Zählern.
Ex-Waldhof-Kapitän Conrad fehlt
Außerdem ist der Elversberger Stil attraktiv: kultivierter Spielaufbau mit flachen Bällen, Kombinationsfußball bis ins letzte Drittel, alles basierend auf einer hohen Intensität, die Coach Steffen immer wieder aufs Neue einfordert.
„Jeder weiß, was er zu tun hat. Wir wissen aber auch, dass wir in jedem Spiel ans Limit gehen müssen“, sagt SVE-Abwehrchef Kevin Conrad, der als Kapitän mit dem SV Waldhof 2019 in die 3. Liga aufstieg. Die Rückkehr ins Carl-Benz-Stadion verpasst der Künzelsauer allerdings wegen einer Meniskus-OP.
Breite Offensivqualität im Kader
Auch Topscorer Luca Schnellbacher (zwölf Tore/vier Vorlagen) könnte noch ausfallen. Der Einsatz des angeschlagenen Torjägers Kevin Koffi, der bei seinem Abstecher nach Mannheim 2019/20 nicht glücklich wurde, ist ebenso fraglich. Aber das macht die Elversberger Offensive, in der die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt ist, für den SVW nicht ungefährlicher.
„Jeder Punkt und jeder Sieg bringt uns dem Ziel ein Stück näher“, sagt Conrad. Und dieses lautet hinter gar nicht mehr so vorgehaltener Hand, dass das kleine Spiesen-Elversberg ab dem Sommer ein Zweitliga-Standort ist.
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