Altrip. Es hat etwas von einem Weihnachtsmärchen. Am 24. Dezember 2022 verließ Nastasja Schunk nach einer komplizierten Schulteroperation das Krankenhaus, am 10. Dezember 2023 wurde die zum besten deutschen Tennisnachwuchs gehörende 20-Jährige in Biberach deutsche Hallenmeisterin. Damit hatte weder die Altriperin noch die Konkurrenz gerechnet. Die schien sogar geschockt.
„Alle haben mir gesagt, ich müsse das Turnier als Einstieg nehmen und einfach Geduld haben.“ Sie selbst sah das ähnlich. „Meine deutschen Ranglistenpunkte waren eingefroren, deshalb wurde ich auf Platz drei gesetzt. Das war aber nicht unbedingt ein Ansporn. Ich wollte einfach nur so viele Matches wie möglich spielen“, sagte sie angesichts ihrer fehlenden Praxis und Routine.
DM-Titel gegen Berlinerin Stephanie Wagner
Doch dann marschierte sie mit drei Zwei-Satz-Siegen durch das Hauptfeld bis ins Halbfinale. Nun wartete die an Position eins gesetzte Noma Noha Akugue aus Hamburg. „Das war das schwerste Match. Als ich es mit 6:7, 6:2 und 6:0 gewonnen hatte, wusste ich, dass ich im Finale gute Chancen haben würde.“
Nach dem 6:3, 6:2-Erfolg gegen die Berlinerin Stephanie Wagner war sie „nicht nur überglücklich“, sondern stufte den ersten Titel bei ihrer vierten DM-Teilnahme (2020 wurde sie Zweite) weit oben ein. Ganz vorn steht immer noch das Erreichen des Juniorinnen-Finales von Wimbledon 2021, gefolgt von den zwei Hauptfeld-Teilnahmen bei den Grand-Slam-Turnieren in Paris und Wimbledon 2022. „Dann kommt schon DM-Gold“, sagt Schunk, die sich mit ihrem Körper ausgesöhnt hat und mit der nach einem Jahr Pause wieder zu rechnen ist.
Die Verletzung zog sich Schunk schon im Sommer 2022 im Training zu, als sie versuchte, einen außer Richtung geratenen Medizinball mit ihrer linken Schlaghand aufzufangen. Nach einigen vergeblichen Versuchen konservativer Behandlung musste sie sich Ende 2022 doch einer Operation unterziehen. Es dauerte weitere elf Monate, bis sie Anfang November 2023 in Antalya ihre ersten zwei Turniere spielte. „Beim ersten kam ich ins Halbfinale, beim zweiten ins Viertelfinale.“ Mit diesem Einstieg war sie zufrieden.
Lange hatte die gebürtige Mainzerin, die am liebsten auf Sand spielt („an Gras muss ich mich immer lange gewöhnen“), darauf warten müssen, sich wieder mit Konkurrentinnen messen zu können. „Es hat länger gedauert als erwartet. Für den Alltag war die Schulter zwar nach einem halben Jahr wieder tauglich, aber nicht fürs Tennisspielen.“
Schunk trainiert bei der MTG Blau-Weiss Mannheim
Direkt nach der Operation ging acht Wochen lang außer Physiotherapie gar nichts. Es folgten zehn Wochen teilstationäre Reha in München. Zu Hause überwachte ihre Mutter Claudia Rödinger-Schunk, die Bundestrainerin der deutschen Nachwuchsturnerinnen, die Schulterstabilisation. „Wir haben in Altrip alles, was man dafür braucht.“ Nach weiteren zwei Monaten nahm sie erstmals wieder einen Tennisschläger in die rechte Hand, nach weiteren sechs Wochen auch in die linke. Doch gerade, als sie im August über ein Comeback auf dem Platz nachdachte, knickte sie beim Konditionstraining um und riss sich zwei Bänder im Fuß. „Aber nach ein paar Wochen war das wieder okay.“
Inzwischen war Schunk wieder zu ihren Wurzeln bei der MTG Blau-Weiss Mannheim zurückgekehrt. Schon als 13-Jährige spielte sie im Frauenteam in der Regionalliga, 2018 schaffte sie als Teamführerin den Aufstieg in die 2. Bundesliga.
Im Vergleich zum Standort Wiesbaden, wo sie ab 2021 meist trainierte, war der neue, alte Standort im Pfeifferswörth optimal. „Ich hatte Jochen Bertsch schon lange vor meiner Verletzung gefragt, ob er sich meine Betreuung vorstellen könne. Er hat ,Ja’ gesagt und es klappt gut mit uns“, berichtet Schunk, die nun einen Coach hat, der sie seit Kindertagen kennt.
Im Januar will Nastasja Schunk nach Tunesien
Die lange Tennispause nutzte Schunk nicht nur für ihren Körper. 2019 hatte sie am Ludwig-Frank-Gymnasium ihren Realschulabschluss gemacht, nun kehrte sie für das Abitur auf die Schulbank zurück. „Ich werde toll unterstützt, gehe oft zum Unterricht und habe ansonsten Deadlines für die Arbeiten und Referate.“
Dass sie zwei bis drei Jahre älter ist als die meisten in ihrer Klasse, stört sie nicht. „Das fällt kaum auf.“ Die Zeiten, in denen sie fehlt, werden sich jedoch häufen. „Deshalb habe ich mir auch das Abi erst 2025 zum Ziel gesetzt.“
Denn Schunk will so schnell wie möglich in den Tenniszirkus zurück. Schließlich muss sie, was die Weltrangliste betrifft, wieder bei null anfangen. „Ich darf aber - sozusagen als Starthilfe - an einer bestimmten Anzahl von Turnieren teilnehmen, ohne die notwendigen Punkte zu haben“, sagt die 20-Jährige.
Nur dafür wurde ihre Platzierung - zuletzt Rang 212 - eingefroren. Welche Turniere das sein werden, weiß sie noch nicht genau. „Ich werde erst mal im Januar in Tunesien und England spielen, weiter mache ich mir noch keine Gedanken.“
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