Ludwigshafen. Hier liegt sie also, bröckelnd im Mahlwerk der Zeit, an der Ecke Erich-Reimann- und Von-Weber-Straße, Ludwigshafen-Süd: Die Stätte, an der sich eine der lebhaftesten Fanfeindschaften entzündete, die der moderne Fußball kennt, zwischen dem SV Waldhof Mannheim und dem 1. FC Kaiserslautern. Dass sich dort so viel mehr zutrug, die dramatischen Aufstiegsspiele eines gewissen SV Alsenborn zum Beispiel, und ein gewisser Uwe Seeler das Siegtor bei einem Testspiel für die WM 1966 schoss – das wissen nicht viele.
In den 1960er Jahren erlebt das Südweststadion seine Blütezeit. Dabei ist der weite Kessel mit der damals charakteristischen Laufbahn und den überwiegend im Freien stehenden Tribünen nicht unbedingt eine Zierde. „Das war alles aus Beton. So waren die Stadien früher alle. Es gab noch ein paar Metallgeländer, da konnte man sich dran festhalten oder dran lehnen, die waren zur Sicherheit gedacht. Alles primitiv. Aber da war die Hölle los. Das war super“, erinnert sich ein Zeitzeuge.
Rudi Ofenloch, Vater des Autors, macht sich mit seinen Kumpels regelmäßig auf den Weg von Worms nach Ludwigshafen. Auch die Wormser Wormatia mischt zu der Zeit ordentlich mit, schnuppert in der damals zweitklassigen Regionalliga Südwest sogar am Bundesliga-Aufstieg. So wie der SV Alsenborn aus der tiefsten pfälzischen Provinz. Das „Wunder Alsenborn“, bei dem auch ein gewisser Fritz Walter seine Füße, vor allem aber seine Finger im Spiel hat als Förderer, katapultiert den Dorfclub zwischen 1968 und 1970 dreimal in Folge in die Aufstiegsrunde zur Bundesliga.
Gefühlsexplosion mit 36.000 Menschen: Dorf schlägt Weltstadt
Die Alsenborner scheitern jedes Mal, einmal um einen läppischen Punkt. Und doch bescheren sie dem Südweststadion wahre Festtage. Das 2:1 gegen Hertha BSC am 26. Juni 1968 sehen rund 36.000 Menschen, darunter der 15-jährige Rudi und Konsorten. In den Kneipen in Stadionnähe gibt es Strammen Max, ein paar Pils dazu. Volksfeststimmung. Selten erlebt die Ludwigshafener Schüssel eine solche Gefühlsexplosion: Schlägt doch das 2.500-Seelen-Örtchen Alsenborn die Weltstadtkicker aus Berlin. Nach dem Sieg am zweiten Spieltag der Aufstiegsrunde träumen die Pfälzer von der noch größeren Sensation, vom Bundesliga-Aufstieg – und mit ihnen Fußballenthusiasten entlang des Rheins.
Dass der Aufstieg nicht gelingt, das Märchen letztlich ohne Happy End auskommen muss, gehört genauso zur Geschichte des Südweststadions. Apropos Aufstieg. Als der SV Waldhof Mannheim 1983 fast schon verzweifelt nach einem geeigneten Ort für seine Heimspiele in der frisch erklommenen Bundesliga sucht, wird er im Südweststadion in Ludwigshafen fündig.
Das schmeckt dem 1. FC Kaiserslautern so wenig, dass er dies offiziell zu Protokoll gibt – von oberster Stelle. Präsident Udo Sopp versteigt sich zu folgenden Sätzen: „Wir haben immer unseren Standpunkt deutlich gemacht, dass der SV Waldhof in Mannheim spielen sollte, in der Stadt Mannheim und dem entsprechenden Verbandsgebiet. Wir wollen da keinen Konkurrenten sportlich auf Kleinflamme stellen, aber wir haben unsere ökonomischen Gesichtspunkte deutlich wahrzunehmen.“
Aus Sicht der Westpfälzer haben die Kurpfälzer mit dem Rhein den Rubikon überschritten, wildert der Emporkömmling im Gehege des Platzhirsches. Was sich daraus entwickelt, ist nicht weniger als der Gründungsmythos einer bis heute liebevoll und hasserfüllt gepflegten Fanrivalität.
Das Südweststadion
Ursprünglich von 1937 bis 1940 von den Nationalsozialisten erbaut , trägt das Stadion zunächst den Namen Adolf Hitlers. Kriegsbomben zerstören es. Der Wiederaufbau, 1946 gestartet, wird mit der Wiederöffnung am 11. November 1950 abgeschlossen.
Mit 41.383 Plätze n ist das Südweststadion eines der größten der Region und fortan gern genutzt für besondere Spiele.
Erstes Großereignis im Südweststadion ist das Finale um die Deutsche Fußball-Meisterschaft 1952. Der VfB Stuttgart gewann 3:2 gegen den 1. FC Saarbrücken.
Für das Spiel wurde die Kapazität mehr als verdoppelt, und so sorgten 86.000 Fans für eine Rekordkulisse . Tribünen wurden angebaut, Leute drängelten, kletterten über die Zäune: Ausnahmezustand im Südweststadion.
Von 1983 bis 1989 nutzte der SV Waldhof das Stadion als Bundesliga-Heimspielstätte. Hieran entzündete sich die Rivalität mit dem 1. FC Kaiserslauter n. 2022 kehrte der SVW zum vorerst letzten Mal zurück und gewann ein Testspiel gegen Arminia Ludwigshafen 5:1.
Heute wird das Stadion vor allem von Fußball-Bezirksligist Südwest Ludwigshafen und vom Leichtathletikverein ABC Ludwigshafen bespielt. Wegen zunehmender Baufälligkeit ist die Kapazität auf 6.000 Plätze reduziert worden.
Was unter dem Trubel der Zeitgeschichte verloren geht: Lange bevor sich Blau-Schwarze und Rot-Weiß-Rote hassen lernen, hat das Südweststadion immer mal wieder hohen Besuch. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) registriert, dass sich da etwas entwickelt im Südwesten – und dass dies die Fans in Scharen anzieht. Als Austragungsort für ein WM-Testspiel 1966 entscheidet man sich für Ludwigshafen. Und so kommt es, dass der schon damals als Fußballheld verehrte Uwe Seeler den Rasen des Südweststadions mit seiner Anwesenheit beehrt.
Uns Uwe macht das Siegtor vor 60.000 Fans
Uns Uwe, wie die DFB-Legende bis heute liebevoll genannt wird, lässt sich nicht lumpen. In der 70. Minute erzielt er das 1:0 vor 60.000 Fans im Vor-WM-Hype. Es bleibt das einzige Tor im Duell mit Rumänien, in dem Wolfgang Overath und Eintracht-Frankfurt-Ikone Jürgen Grabowski mitwirken. Wenig später fliegen sie gen England, ein gewisser Franz Beckenbauer als Jungstar mit an Bord, und schreiben Fußballgeschichte – auch diese freilich ohne Happy End.
Und das Südweststadion? Das hat zwar die glücklichsten Zeiten weit hinter sich. Doch es steht noch da. Beton und Eisen. Und es wird bespielt. Passenderweise trägt der SV Südwest Ludwigshafen seine Heimspiele in der Bezirksliga Vorderpfalz hier aus, der ABC Ludwigshafen nutzt es als Trainings- und Wettkampfstätte. Auch das eine oder andere Lauf-Event versetzt die alten Stadionbahnen hin und wieder in Schwingung. Es steckt immer noch Leben im Kessel.
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