Die ganz großen Geschichten werden in der Heimat momentan noch über andere geschrieben. Dabei sind es doch gerade die österreichischen Handballer, die bei der Europameisterschaft in Deutschland Geschichte schreiben. Am Donnerstag gelang ein 30:29-Sieg über Ungarn.
„Das ist ganz schwer zu erklären. Gefühlt sind wir die lockerste Mannschaft im Turnier“, sagte der 38-jährige Rechtsaußen Robert Weber, der von 2009 bis 2019 in der Bundesliga für den SC Magdeburg spielte. Zuvor hatte sein Team den Kroaten ein starkes 28:28 abgeknüpft und die mitfavorisierten Spanier durch ein 33:33 nach Hause geschickt - das grenzt an ein Wunder.
Die wichtigsten Sport-Schlagzeilen zuhause drehen sich aber in erster Linie um andere Dinge. Natürlich um das legendäre Hahnenkammrennen auf der Streif in Kitzbühel, wo an diesem Wochenende die alpinen Skisportler wieder Station machen. Es geht außerdem um den Slalom und den Riesenslalom der Damen in Flachau und Jasna oder die Skispringer in Zakopane. Wintersport! Wintersport! Wintersport! Es folgen die Tennisspieler bei den Australian Open. Und dann tatsächlich die Handballer, die ein Nischendasein in der Heimat führen.
Lange Zeit Handball-Trainer der Rhein-Neckar Löwen
Der „Standard“ befasst sich aufgrund des erfolgreichen Nationalteams bei der EM immerhin mit den größten österreichischen Sportsensationen. Es wird an den WM-Titel von Tischtennisspieler Werner Schlager 2003 und Olympia-Gold von Radfahrerin Anna Kiesenhofer 2021 erinnert. Gut aus deutscher Sicht: Die Schmach von Córdoba, als die deutsche Elf bei der WM 1978 mit 2:3 gegen Österreich verlor, ist kein Thema.
Klaus Gärtner lebt seit etwa eineinhalb Jahren wieder in Österreich. Er arbeitete eine lange Zeit als Handball-Trainer für den Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen. Erst bei den Junioren, dann bei der zweiten Mannschaft, später als Assistenz- und Chefcoach der Profis. Zwischendurch betreute er den österreichischen Erstligisten HC Alpla Hard, wo er sich jetzt neben seinem Lehrer-Job auch um das „Future Team“, also die Perspektivmannschaft, kümmert. Und er sagt mit einem Lachen: „Das Hahnenkamm-Rennen kommt für die Handballer natürlich zur Unzeit.“ Auf die eine oder andere erste Sportseite hätten sie es aber trotzdem geschafft. Dennoch steht die EM-Überraschungsmannschaft im Schatten des Wintersports. Und vermutlich wird das auch so bleiben.
Samstag gegen Deutschland
Gärtner ist skeptisch, dass sich die Auswahl des Österreichischen Handballbundes (ÖHB) dauerhaft unter den besten zehn Nationen etablieren kann: „Ich glaube nicht, dass das eine konstante Geschichte wird. Dieser Erfolg ist eher der Erfolg einer goldenen Generation.“ Die zum Großteil beim Wiener Erstligisten Fivers Margareten ausgebildet wurde.
Zum Beispiel die Leistungsträger Lukas Hutecek, der beim Bundesligisten TV Lemgo Lippe spielt, und natürlich Mykola Bilyk vom THW Kiel. Auch Linkshänder Ivan Martinovic, der ab Sommer für die Rhein-Neckar Löwen auf Torejagd geht, gehört dazu. Aber der gebürtige Wiener entschied sich dafür, lieber für Kroatien, das Heimatland seiner Eltern, zu spielen. „Das ist schade“, sagt Gärtner: „Denn die halbrechte Position ist ein wenig der Schwachpunkt der österreichischen Mannschaft.“ Die am Samstag (20.30 Uhr) in Köln vor knapp 20 000 Zuschauern auf Deutschland trifft.
Für fast alle aus dem ÖHB-Team ist dieses Duell das größte Spiel ihres Lebens. „In der Lanxess Arena, dem Mekka des Handballs, gegen die Deutschen bei deren Heimturnier zu spielen - as werden wir genießen“, sagte Weber voller Vorfreude.
Es bleibt aus deutscher Sicht zu hoffen, dass anschließend die Geschichte mit den österreichischen Sportsensationen nicht um ein Kapitel erweitert wird.
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