Interview

Das sagt Bald-Löwe Heymann zu Tiefkühlpizza und zur Handball-EM

Handball-Nationalspieler Sebastian Heymann wechselt im Sommer zu den Rhein-Neckar Löwen und bestreitet momentan die Heim-EM. Wir haben exklusiv mit ihm gesprochen

Von 
Marc Stevermüer
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Genießt jeden Moment bei der EM: Sebastian Heymann. © Ulrich Hufnagel/imago

Sebastian, Sie sind in Heilbronn aufgewachsen, spielen jetzt in Göppingen und wechseln im Sommer zu den Rhein-Neckar Löwen. Wie wichtig ist Ihnen Heimat?

Sebastian Heymann: Anhand meiner Vereine sieht man schon, was mir mein gewohntes Umfeld bedeutet. Wenn ich mich wohlfühle, bin ich in der Lage, meine beste Leistung zu zeigen. Und ich fühle mich nun mal gut, wenn ich meine Freunde und meine Familie um mich herumhabe. Sie alle haben mir in meinen schweren Zeiten (zwei Kreuzbandrisse: Anm. der Redaktion) geholfen, mich besucht, mich unterstützt. Das war extrem wertvoll für mich. Und das werde ich ihnen niemals vergessen. Auch in Göppingen haben alle zu mir gestanden. Trotzdem fühlt es sich richtig an, jetzt zu den Löwen zu gehen. Ich möchte das Kapitel mit meinen Verletzungen auch räumlich hinter mir lassen und bin davon überzeugt, in Mannheim noch einmal als Mensch und Sportler wachsen zu können.

Sie haben einst das Auto Ihrer Mutter übernommen, das zuvor schon Ihre Oma fuhr. Gibt es den Wagen für künftige Fahrten nach Hause noch?

Heymann: Mittlerweile nicht mehr. Aber das hat Gründe. Im Winter sind die Scheiben immer eingefroren. Das Auto war ein Dreitürer, die Scheiben gingen direkt in die Decke und die Türen irgendwann nicht mehr auf oder auch nicht mehr zu. Ich bin mal zum Training gefahren und musste gefühlt die Tür festhalten. In diesem Augenblick wusste ich: Nach dem Winter wird es Zeit für ein neues Auto.

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Der EM-Auftakt fiel mit dem 27:14 über die Schweiz grandios aus. Was kommt nun am Sonntag gegen Nordmazedonien und am Dienstag gegen Frankreich auf Ihre Kollegen und Sie zu?

Heymann: Die Nordmazedonier sind schon allein aufgrund ihrer Mentalität ein sehr harter Gegner. Und über die Franzosen müssen wir nicht viele Worte verlieren. Die sind ein Gold-Anwärter. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir es in die Hauptrunde schaffen. Und da warten weitere Top-Nationen auf uns, die allesamt den Anspruch haben, ins Halbfinale einzuziehen. Da wird es vielleicht immer ein bisschen auf die Tagesform ankommen.

Sie sind zuletzt häufig eingewechselt worden. Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Heymann: Ich war 2023 längere Zeit verletzungsbedingt raus, komme aber Stück für Stück näher an meine frühere Form. Ich bin in Göppingen zuletzt oft von der Bank gekommen – und wenn hier meine Rolle genauso ist und ich eingewechselt werde, möchte ich Emotionen reinbringen und der Mannschaft helfen. In der Abwehr, aber auch im Angriff.

Sie spielen schon immer in der Abwehr und im Angriff. Was ist das Schöne an der Schufterei in der Deckung?

Heymann: Man kann dem Gegner wehtun (lacht). Und schön aus sich herausgehen. Das macht Spaß. Genauso wie die Zusammenarbeit. In der Abwehr kommt es auf das Miteinander an. Man ist füreinander da, arbeitet gemeinsam. Wenn mal einer einen Fehler macht, hilft der Nebenmann. Und wenn alle einen Fehler machen, haben wir da ja noch zwei Super-Torhüter, die uns retten können (lacht).

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Ist die Defensivarbeit eine Qualitäts- oder eine Mentalitätsfrage?

Heymann: Sowohl als auch. Es kommt auf die Fähigkeiten an. Aber ebenso auf die Tatsache, den Körperkontakt nicht zu scheuen. Das ist auch eine Frage des Wollens. Mir war es immer wichtig, in der Abwehr zu spielen. Gerade auch im Mittelblock, wo man eine große Verantwortung trägt.

Was löst größere Glücksgefühle aus? Ein Tor zu werfen oder einen Wurf zu blocken?

Heymann: Wenn man am Ende das letzte Tor zum Sieg erzielt, ist das geil. Aber wenn man kurz vor dem Abpfiff mit einem Block oder mit einem Ballgewinn zum Erfolg beiträgt, bereitet das einem genauso Freude. Ich kann deswegen nicht sagen, dass irgendetwas besser ist. Denn beides ist wichtig.

Sie hatten in den vergangenen Jahren großes Verletzungspech, zogen sich zwei Kreuzbandrisse zu. War die Aussicht auf die EM ein Antrieb in der Reha?

Heymann: Ich hatte immer Fernziele – schon nach meinem ersten Kreuzbandriss. Als ich damals die Nationalmannschaft als Fernsehzuschauer verfolgt habe, hatte ich jedes Mal Gänsehaut. Das Einlaufen, das Singen der Hymne, der Adler auf der Brust. Da wollte ich wieder hin. Und das war meine Motivation.

Und nach Ihrem zweiten Kreuzbandriss?

Heymann: Da hatte ich tatsächlich immer die Heim-EM vor Augen. Solch eine Chance bietet sich nicht oft. Aber dann lief bei meiner Genesung nicht alles reibungslos. Deswegen ist diese EM ein absoluter Bonus für mich, die Kirsche auf der Sahnetorte. Ich bin extrem froh, dass ich dieses Turnier miterleben darf, weil es zwischendurch in weiter Ferne war. Die Strapazen haben sich wirklich gelohnt.

Es wird gerne dahergesagt, dass jemand nach einer Verletzung gestärkt zurückkommt. Aber wie ist das für denjenigen, der all das durchleben und auf sich nehmen muss?

Heymann: Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Zeit bis zur Rückkehr aufs Feld hart sein wird. Es ist eine Zeit, in der es wirklich auf jeden Tag ankommt. Man darf nichts schleifen lassen, sondern muss bei seinen Übungen noch mal die eine Wiederholung mehr machen, auch wenn der Körper manchmal müde ist. Das ist hin und wieder extrem schwer, extrem zäh. Vor allem dann, wenn es nicht nach Plan läuft. So wie nach meinem zweiten Kreuzbandriss. Das hat mich zwischenzeitlich auch mental runtergezogen.

Inwiefern?

Heymann: Es fehlte das Vertrauen in die Bewegung. Mein Kopf war nicht mehr nur beim Handball, sondern auch beim Knie. Ich konnte irgendwann nach einem Spiel keine zwei Stunden mehr normal auf den Beinen sein, ohne dass ich Schmerzen bekomme. Weshalb ich mich noch zu einem weiteren Eingriff entschieden habe. Seitdem ist alles gut.

Sie haben schon vor längerer Zeit mit einem Mentaltrainer zusammengearbeitet. Welchen Nutzen hat das für Sie gehabt?

Heymann: Ich habe davon sehr profitiert. Nach meinem ersten Kreuzbandriss stand ich vor einem schwarzen Loch. Ich habe mich gefragt: Was passiert, wenn ich da jetzt reingehe? Was kommt da auf mich zu? Früher bedeutete solch eine Knieverletzung das Karriereende. Heutzutage ist das glücklicherweise ein bisschen anders. Aber trotzdem habe ich mir diese Hilfe geholt, was richtig und wichtig war. Denn es gibt nicht nur Phasen in der Reha, in der es gut läuft, sondern auch Rückschläge. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt, was den Kopf angeht und was mir heute noch hilft.

Was konkret?

Heymann: Dass es wichtig ist, auf dem Feld bei sich zu bleiben. Es hilft nichts, sich zu sagen: „Das ist Mist. Das ist doof gelaufen. Und jetzt kommt auch noch das dazu.“ Wichtig ist es, den Fokus auf sich selbst und die eigene Leistung zu richten und sich nicht mit anderen Dingen zu beschäftigen.

Sie sagten mal vor einiger Zeit, noch Potenzial beim Thema Ernährung zu haben. Ist dieses Potenzial mittlerweile ausgeschöpft?

Heymann (lacht): Ja, auf jeden Fall. Als ich nach Göppingen gekommen bin, da gab es ungefähr dreimal die Woche Tiefkühlpizza. Davon bin ich mittlerweile weg. Morgens frühstücke ich Eier, ich esse zweimal die Woche Fisch und meide an diesen Tagen Fleisch. Was also dieses Thema angeht, da habe ich mich deutlich weiterentwickelt.

Sie haben eine Ausbildung zum Finanz- und Vermögensberater begonnen. Warum war Ihnen das wichtig?

Heymann: Das mit der Handballkarriere kann von heute auf morgen vorbei sein. Das habe ich ja selbst erlebt. Entsprechend wurde mir klar, dass ich mir etwas suchen muss, dass ich ein zweites Standbein benötige. Mal ganz abgesehen davon, dass es für mich in meiner Verletzungspause auch gut war, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen.

Als großes Talent galten Sie schon immer. Wie groß war Ihr Glaube, es bis in die Nationalmannschaft zu schaffen?

Heymann: Als kleiner Junge war es mein Traum, irgendwann einmal in meinem Heimatverein in Horkheim in der 3. Liga zu spielen. Da wollte ich hin. Meine Freunde haben damals wahrscheinlich sogar mehr an mich und meine Fähigkeiten geglaubt als ich selbst.

Wie hat sich das geäußert?

Heymann: Ein Freund von mir hat mir zu meinen Abiturzeiten gesagt, dass ich es in die Jugend- oder Junioren-Nationalmannschaft schaffe. Wir haben gewettet und der Verlierer musste eine Woche lang Mittagessen zahlen.

Was gab es denn?

Heymann: Döner (lacht). Und die habe ich wirklich gerne gezahlt.

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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