Mannheim/Ettlingen. Der frühere Bundesliga-Trainer Winfried Schäfer (Karlsruher SC, VfB Stuttgart) traut dem deutschen Team bei dieser Europameisterschaft eine Überraschung zu. Vor dem Auftaktspiel gegen Frankreich am Dienstag (21 Uhr) sprach unser EM-Experte mit dieser Redaktion über die Bedeutung der Rückholaktion von Thomas Müller und Mats Hummels, seine Meinung zu Sorgenkind Leroy Sané - und die beste Position für Joshua Kimmich.
Herr Schäfer, wenn Sie sich eine Mannschaft aussuchen dürften, die Sie bei diesem Turnier trainieren, welche wäre das?
Winfried Schäfer: Da muss ich überlegen. Die Italiener haben ihren alten, ausgebufften Stil wiedergefunden. Den besten Kader haben aber die Franzosen. Man muss sie dafür loben, dass sie regelmäßig mehrere Topspieler herausbringen, die auf Top-Niveau unterwegs sind.
Eben gegen Frankreich startet die deutsche Nationalmannschaft am Dienstag ins Turnier, die denkbar schwerste Aufgabe. Mehr Chance oder Bürde?
Schäfer: Klar wird das schwer, aber die deutsche Mannschaft hat nichts zu verlieren. Jogi Löw wirkt in seinem letzten Turnier entspannt, er wird die EM nicht so angehen wie die vergangene WM in Russland. Da war er nicht so fokussiert, wie er jetzt wieder ist.
War es wichtig und richtig, Thomas Müller und Mats Hummels als erfahrene Stabilisatoren zurück ins Team zu holen?
Schäfer: Ja, Müller und Hummels sind wichtige Faktoren. Hummels ist im Aufbauspiel einer der weltweit besten Abwehrspieler, Müller bringt eine Gelassenheit ins Team, der lacht ja fast sogar über eigene Fehler. So einen Mann brauchst du einfach. Gut, dass er dabei ist.
Ähnlich wie bei Philipp Lahm bei der WM 2014 wird bei Joshua Kimmich über die Position diskutiert, die er bei der EM spielen sollte. Rechts, weil da ein Notstand herrscht oder zentral, weil das Team Kimmichs Qualitäten als Zweikämpfer braucht. Wie ist Ihre Meinung?
EM-Experte Winfried Schäfer
- Winfried „Winnie“ Schäfer analysiert bei dieser EM für diese Redaktion regelmäßig die sportlichen Entwicklungen, mit dem Fokus auf der deutschen Mannschaft.
- Der 71-Jährige betreute als Nationalcoach Kamerun (2001 bis 2004), Thailand (2011 bis 2013) und Jamaika (2013 bis 2016). Mit Kamerun wurde Schäfer Afrikameister und nahm an der WM 2002 teil.
- In Deutschland arbeitete der Ex- Profi als Coach für den Karlsruher SC, den VfB Stuttgart und Tennis Borussia Berlin. Mittlerweile trainiert Schäfer Al-Khor SC in Katar.
Schäfer: Kimmich ist eine Rakete. Er muss eigentlich im Mittelfeld spielen, er ist momentan Europas beste Nummer 6. Er hat ein gutes Auge, ist spielintelligent und auch torgefährlich. Es wäre eine Schande, wenn Kimmich Rechtsverteidiger spielen würde.
Und der Vergleich mit Lahm?
Schäfer: Philipp Lahm war im Mittelfeld nie so gut wie Kimmich, er war als Rechtsverteidiger besser eingesetzt. Als Löw ihn bei der WM 2014 wieder nach rechts beordert hat, war das einer der Faktoren für den Titelgewinn.
Haben Sie eigentlich eine Idee, warum Leroy Sané trotz unbestritten großer Fähigkeiten bisher in der Nationalmannschaft nicht richtig Fuß fassen konnte?
Schäfer: Ich bin ehrlich gesagt kein Fan von ihm, ich halte Sané für überbewertet. Bei den Bayern ist es für Spieler für ihn einfacher, weil er immer Topleute um sich hat. Er ist nicht der Mann, der Spiele entscheiden kann. Das unterscheidet ihn auch von Arjen Robben, auf dessen Position er in München ja eingesetzt wird. In der Nationalelf halte ich Kai Havertz von Chelsea für stärker. Der ist aggressiver, ein starker Junge. Sané sehe ich als Joker für die zweite Halbzeit.
Joachim Löw tritt nach der EM als Bundestrainer ab. Ab wann könnte man sein letztes Turnier als Erfolg bezeichnen? Viertelfinale? Halbfinale? Endspiel?
Schäfer: Jogi hat bei der Nationalmannschaft mit dem Weltmeister-Titel Großes bewirkt. Ich traue dem Team bei dieser EM eine Überraschung zu. Ich habe das 7:1 gegen Lettland gesehen - auch wenn der Gegner nicht so gut war, muss man auch erst einmal sieben Tore machen.
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