Lissabon. Vor einigen Tagen war ein Kandidat in Günther Jauchs RTL-Quizsendung „Wer wird Millionär“ mit der Aufgabe betraut, den neuen Ministerpräsidenten von Portugal herauszufinden. Zur Auswahl standen einige Republiken, darunter Montenegro, und nur die Logik, zugleich auch als Name infrage zu kommen, führte den Kandidaten wie auch Jauch selbst zu Luis Montenegro. Soll zeigen: Portugal wird wohl in Deutschland zuerst als angenehmer Urlaubsort mit all seinen Verlockungen an der Algarve wahrgenommen, wo alljährlich neue Besucherrekorde die portugiesische Wirtschaft ankurbeln.
Starkes soziales Sicherheitsnetz
Das Land erlebt rund 18 Millionen Touristen pro Jahr, 77 Millionen Übernachtungen waren es in 2023. Was aber politisch-gesellschaftlich passiert beim EU-Partner, läuft doch oft unter dem Radar. Dabei passiert dort gerade allerhand: Denn eben jener Montenegro ist das Ergebnis der jüngsten vorgezogenen Parlamentswahlen.
In Portugal hatte nach acht Jahren sozialistischer Regierung mit Antonio Costa jetzt der Chef der Mitte-Rechts-Partei Demokratische Allianz (AD) den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Der beliebte Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa, der seit 2021 in zweiter Amtszeit zuerst repräsentative Aufgaben wahrnimmt, lud den Chef der Allianz, den 51 Jahre alten Rechtsanwalt Montenegro, ein, eine Minderheitsregierung zu bilden und ernannte ihn zum neuen Ministerpräsidenten des Landes. Die AD hatte die Parlamentswahlen am 10. März zwar knapp gewonnen, eine Regierungsmehrheit aber deutlich verfehlt. Montenegro hatte eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten der Partei Chega verweigert.
Die Chega unterstreicht mit ihren immerhin 50 Sitzen, die eine Vervierfachung der Parlamentssitze bedeutet, den politischen Trend zum Rechtspopulismus in Europa. Dass es überhaupt so weit kam, verdankt Portugal einem seiner Lieblingsthemen: der Korruption. Montenegros Vorgänger Antonio Costa hatte im November 2023 wegen Korruptionsvorwürfen gegen sein Umfeld seinen Rücktritt eingereicht, obwohl die Ermittlungen gegen Costa selbst schnell eingestellt wurden. Verschiedene politische und wirtschaftliche Skandale haben das Vertrauen der Bürger in die Institutionen immer wieder untergraben. Die letzte Regierung hatte deshalb Reformen zur Stärkung der Justiz und zur Verbesserung der Transparenz in öffentlichen Ausschreibungen eingeführt, aber Probleme auch bei sich offenbar unterschlagen.
Niedrige Lebenshaltungskosten und bemerkenswerte Erholung
Und das alles 50 Jahre nach der Nelkenrevolution: Am 25. April 1974 beendete ein weitgehend unblutiger Militärputsch mit „Blumen in Gewehrläufen“ 48 Jahre faschistische Diktatur, deren Wunden die Chega nun wieder aufzureißen droht.
Die portugiesische Gesellschaft zeichnet sich durch eine hohe Lebensqualität und ein starkes soziales Sicherheitsnetz aus, auch eher durch vergleichsweise niedrige Lebenshaltungskosten, die rund 20 Prozent unter jenen der Deutschen liegen.
In den letzten Jahren gab es eine bemerkenswerte wirtschaftliche Erholung. Nach der schweren Finanzkrise von 2008 und den folgenden Sparmaßnahmen hat sich die portugiesische Wirtschaft stabilisiert und wächst wieder kräftig. Wichtige Wirtschaftssektoren sind der Tourismus, der zunehmend auf nachhaltige Praktiken setzt, sowie die Technologie- und Start-up-Szene, die in Städten wie Lissabon floriert. Im Norden boomt die Fahrradindustrie.
Aber wo Licht, da auch Schatten: Der Mindestlohn in Portugal liegt unter fünf Euro, die Arbeitsbedingungen sind oft schlecht, die Mieten steigen in den Städten, viele junge Menschen verlassen das Land. Eine Konsequenz: Es werden immer weniger Kinder in dem Land geboren, in dem rund 10,4 Millionen Menschen wohnen.
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