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EM-Teilnehmer Frankreich - Sturm des Protests

In Frankreich pflegt Präsident Emmanuel Macron eine Partnerschaft zu Deutschland und steht innenpolitisch unter Druck

Von 
Lothar Leuschen
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Die Franzosen sind für ihre große Streik- und Protestbereitschaft berühmt und berüchtigt. © Ludovic Mari/dpa

Paris. In jungen Jahren mögen Freunde kommen und gehen, im Alter wird jeder Freund zu einem kostbaren Schatz. Nach angespannten Jahren dürften das jetzt auch Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron neu verinnerlicht haben. An Liebesbekundungen fehlte es zuletzt beim ersten Staatsbesuch nach 24 Jahren (!) eines französischen Präsidenten in Deutschland jedenfalls nicht.

Beide Politiker betonten, wie zentral die deutsch-französischen Beziehungen für Europa sind. Differenzen bestehen freilich weiterhin, doch Frankreichs Präsident ging auf Deutschland zu, beide Politiker suchten - mit viel Inszenierungsaufwand - den gemeinsamen Zungenschlag.

„Und dann passiert doch wieder nichts“

Drei Tage lang reiste das französische Präsidentenpaar mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Frau Elke Büdenbender durch die Republik. Macron nahm an einem Dinner in Schloss Bellevue teil, hielt eine große Rede in Dresden und wurde in Münster mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Der Franzose probierte Wein aus Sachsen, machte Selfies, flachste wie Louis de Funès, hörte zu. Aus Unterschieden erwächst Stärke, befand der Franzose in Bezug auf Scholz und beteuerte: „Wir einigen uns immer.“

2023 war das noch anders. Gern überliefert wird die Anekdote, dass Scholz Macron in Hamburg mit einem Fischbrötchen abspeiste, das angeblich „absolument dégoûtant“ schmeckte - und so avancierte die Geschichte schnell zum Sinnbild der verstimmten Beziehungen.

In Münster erinnerte Macron jetzt auch daran, dass es nach zwei von Deutschland ausgelösten Weltkriegen durchaus nicht selbstverständlich sei, dass Frankreich Deutschland beim Thema Verteidigung über den Weg traue. „Wir geben ein Tabu auf“, sagte er.

Den Grundstein für die deutsch-französische Freundschaft legten einst Konrad Adenauer und Charles des Gaulle mit dem Élysée-Vertrag. Aus ehemaligen Feinden sollten Partner, Freunde werden. Das war das Ziel des Vertrags „über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ vom 22. Januar 1963. Kein einfacher Weg. Aber gestärkt von dieser Partnerschaft zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Helmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing, zwischen Helmut Kohl und François Mitterrand entstand letztlich die EU. Macron knüpfte daran an und bezeichnete die Europäische Union in Dresden als ein „einzigartiges Projekt in der Welt“ und warnte vor der Gefahr von Extremen.

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Innenpolitisch steht Macron unterdessen unter großem Druck. Seit sieben Jahren ist er Präsident. Macron sei das Gegenteil von Scholz, sagt Macron-Biograf Franz-Oliver Giesbert. Der 46-Jährige glaube tatsächlich, dass das, was er sagt, schon fast passiert sei. „Und dann passiert doch wieder nichts“, konstatiert Giesbert.

Ein großer Kampf für Macron und seine Partei Renaissance war die umstrittene Rentenreform, die im September vergangenen Jahres in Kraft trat. Über Monate gingen immer wieder Hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen die Reform, mit der unter anderem das Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre steigt, zu protestieren.

Der französische Verfassungsrat kassierte zudem im Januar große Teile des umstrittenen Migrationsgesetzes. Drei der Artikel seien teilweise nicht verfassungskonform, mehr als 30 der 86 Artikel hätten nichts mit dem ursprünglichen Ziel des Textes zu tun, urteilte die Institution.

Für Macron sollte das Gesetz eine Schlüsselreform seiner zweiten Amtszeit werden. Letztlich konnte er das Gesetz nur mit den Stimmen der Opposition, darunter die der rechtsnationalem Rassemblement National (RN), durchbringen. Die rechtspopulistische Partei warnt vor der „Flut von Migranten aus Afrika“, die „Frankreich in Lebensgefahr“ bringe. Die macht den „Macronismus“ als Wurzel allen Übels aus, der Staatschef habe das Land heruntergewirtschaftet.

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