Interview - Mannheimer Politikwissenschaftler Marc Debus sieht im CDU-Wahlsieger einen Anwärter für die Kanzlerkandidatur

Mannheimer Experte: Ministerpräsident Daniel Günther Anwärter auf Kanzlerkandidatur

Von 
Walter Serif
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Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein. © dpa

Mannheim. Der Mannheimer Politikwissenschaftler Marc Debus traut Daniel Günther nach seinem Wahlsieg in Schleswig-Holstein noch viel zu - Kanzlerkandidatur eingeschlossen.

Herr Debus, die CDU hat nach vielen Wahlschlappen in Schleswig-Holstein einen großen Erfolg erzielt. Ist das ein Wendepunkt auch mit Blick auf die Landtagswahl am Sonntag in NRW?

Marc Debus: Nein. Die Bundes-CDU sollte da nicht zu viel hineininterpretieren. Der Wahlsieg in Schleswig-Holstein ist hausgemacht, weil Ministerpräsident Daniel Günther sehr populär ist und auch die CDU in der Regierung aus Wählersicht gut gearbeitet hat. In NRW ist die Zufriedenheit mit der CDU nicht so ausgeprägt, außerdem ist ihr Ministerpräsident Hendrik Wüst erst seit einigen Monaten im Amt und hat deshalb auch keinen großen Amtsbonus. Deshalb dürfte es in NRW ein enges Rennen geben.

Ist Günther aus dem Holz eines Kanzlerkandidaten geschnitzt?

Debus: Daniel Günther hat 2017 nicht nur die Wahl unerwartet gewonnen, es ist ihm damals auch gelungen, eine ideologisch und programmatisch komplizierte Jamaika-Koalition zu bilden - auf Bundesebene ist das damals ja gescheitert. Günther hat das Bündnis mit den Grünen und der FDP erfolgreich geführt und zusammengehalten. Das macht ihn jetzt innerhalb der CDU zu einer enorm populären Figur. Und erfolgreiche Ministerpräsidenten gehören natürlich zum Kreis der möglichen Kanzlerkandidaten. Daniel Günther ist jetzt also ein Aspirant für die Kanzlerkandidatur.

Marc Debus - Experte aus Mannheim

  • Marc Debus wurde 1978 in Biedenkopf geboren.
  • Er studierte in Marburg und Mann-heim Politikwissenschaft und Soziologie.
  • Debus ist Professor für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Mannheim mit dem Spezialgebiet Koalitionstheorien. was

Günther braucht nur noch einen Koalitionspartner. Lassen sich Rückschlüsse daraus ziehen, welchen Partner er sich aussucht?

Debus: Die FDP steht der CDU in den wichtigsten Politikfeldern wie Wirtschaft, Gesellschaft oder Energie sehr nahe. Von daher wäre Schwarz-Gelb mit Blick auf das Wahlprogramm am wahrscheinlichsten.

Es gibt auch die These, dass Günther sein liberales Profil schärfen könnte, wenn er die Grünen auswählen würde?

Debus: Naja, Günthers parteiinterne Kritiker werfen ihm vor, dass er zu links ist.

Seine Gegner bezeichnen ihn ja als „Genosse Günther“.

Debus: Richtig. Sollte Günther tatsächlich bundespolitische Ambitionen haben, braucht er auch die Unterstützung des Mitte-Rechts-Flügels in der Union. Das würde dann eher für eine Koalition mit der FDP sprechen. Auch vor dem Hintergrund, dass das Wahlprogramm der Kieler CDU im Vergleich zu den anderen Landesverbänden sehr zentristisch ausgerichtet ist. Ein Bündnis mit den Grünen würde seinen Kritikern weitere Argumente liefern.

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Daniel Günther wurde von seinen Kritikern immer immer die zu große Merkel-Nähe vorgeworfen. Hat der CDU-Politiker jetzt bewiesen, dass Merkels Kurs der Mitte alternativlos ist?

Debus: Das glaube ich schon. Die CDU erreicht die meisten Wähler, wenn sie programmatisch gemäßigt auftritt, sowohl in wirtschafts- als auch in gesellschaftspolitischen Fragen. Sobald die CDU wie in Sachsen 2019 oder die CSU 2018 in Bayern versuchen, sich mit einem konservativen Zungenschlag der AfD anzunähern, fallen ihre Wahlergebnisse unterdurchschnittlich aus. Viele Studien belegen, dass die Union besonders erfolgreich ist, wenn sie vor allem die Wähler in der Mitte der Gesellschaft anspricht.

CDU-Ministerpräsident Markus Söder hat aus seinen Fehlern gelernt und umarmt Bäume.

Debus: Genau. Deshalb weiß auch CDU-Chef Friedrich Merz, dass er mit einem rein konservativen Kurs keinen Erfolg beim Wähler hätte. Auch aus dem Landtagswahlprogramm der CDU in NRW lässt sich herauslesen, dass sie nicht nach rechts geht, sondern in der Mitte bleibt. Merz konnte Vorsitzender werden, weil er sich von Merkel stark absetzen konnte, aber bei Wahlen muss auch Merz die Union dort halten, wo sie Merkel hingeführt hat.

Die SPD sieht in der Niederlage in Schleswig-Holstein eine rein lokale Geschichte. Ist das wirklich so?

Debus: Es stimmt, dass der Kandidat der SPD recht unbekannt war und er deshalb keine Chance gegen Günther hatte.

Aber?

Debus: Bei der Landtagswahl hat das Thema Energie und Wirtschaft mit Blick auf den Krieg in der Ukraine eine große Rolle gespielt. Und dieses Thema besetzen die Grünen, sie gelten da wie beim Klimaschutz als die großen Problemlöser, die SPD aber nicht. Die Sozialdemokraten müssen sich da etwas einfallen lassen.

Die AfD war bisher in allen Landtagen vertreten, jetzt ist sie in Schleswig-Holstein rausgeflogen. Ist das nur ein Betriebsunfall oder deutet sich da der Anfang vom Ende an?

Debus: Das Thema Migration steht gegenwärtig nicht so sehr auf der Agenda. Zudem hat die AfD in Schleswig-Holstein nie stark abgeschnitten. Schließlich spielen auch die innerparteilichen Streitereien auf Bundesebene, aber besonders in Schleswig-Holstein eine Rolle für das schlechte Abschneiden. Deshalb war es keine große Überraschung, dass die AfD aus dem Kieler Landtag herausgeflogen ist. Einen Trend würde ich daraus nicht ableiten, denn bundesweit liegt die AfD in den Umfragen bei rund zehn Prozent. Das sieht nicht nach Untergang aus.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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