Berlin. Was wohl als Enthauptungsschlag und Blitzoperation angelegt war, entwickelt sich zum Abnutzungskrieg. Mehr denn je stellt sich die Frage, wann der Ukraine-Krieg endet. Darauf gibt es keine zweifelsfreie Antwort, aber drei Szenarien.
1. Ein eingefrorener Konflikt
Es wäre nur die zweitbeste Lösung für Kremlchef Wladimir Putin, aber ein Szenario, mit dem er „wohl auch gut“ leben könne, meint der frühere Bundeswehrgeneral Heinrich Brauß im Gespräch mit unserer Redaktion. Das setzt militärisch voraus, dass Russland sein Mindestziel erreicht: die endgültige Eroberung des Donbass.
Dann verlegt man sich darauf, seine Linien bestmöglich zu verteidigen, und bietet Verhandlungen und einen Waffenstillstand an. Das ist eine Option, die Putin daheim gegenüber den Russen vertreten kann, die für seinen Gegner in Kiew, Präsident Wolodymyr Selenskyj, aber eine Zumutung ist. Zudem würde dieses Szenario die ganze Region weiter destabilisieren, im benachbarten Moldau ist die Angst davor schon jetzt real. Russland könnte sich dann neu formieren und später eine zweite Invasion versuchen.
2. Ein Sieg Russlands
Das Wunschziel aller Kriegstreiber in Moskau. Einen Krieg in die Länge ziehen, das können die Russen. Das haben sie in ihrer Geschichte mehrmals bewiesen. Sie haben mehr Menschen und mehr Waffen als die Ukraine. Das Kalkül wäre, dass der Westen irgendwann die militärische Hilfe einstellt und die Ukraine allein nicht mehr den Angriffen standhalten kann. „Ein großangelegter konventioneller Krieg läuft auf Abnutzung hinaus“, erklärte der ukrainischstämmige US-Militärexperte Michael Kofman im „Spiegel“. Dabei gehe es auch um die Frage, wie die Streitkräfte durchhalten können, wie schnell verschlissenes oder verbrauchtes Material ersetzt werden kann.
Das ist ein Szenario, das sich möglicherweise Jahre hinziehen könnte. Wobei Putin nicht nur die Eskalationsdominanz, sondern zumindest innenpolitisch bis zu einem gewissen Grad auch die Definitionshoheit hat. Wann ist der Krieg gewonnen? Vielleicht auch schon mit der Eroberung des Donbass.
3. Ein Sieg der Ukraine
Bisher bleibt dieses Ziel ungenau. Mit oder ohne Geländeverluste, mit oder ohne die seit Jahren besetzte Krim? Für die Ukraine spricht, dass sie militärisch besser organisiert ist, dass ihre Soldaten die größere Kampfmoral haben; und dass sie mit weitreichenden Präzisionswaffen aus dem Westen die Russen zurückdrängen können. Das setzt allerdings voraus, dass der Westen seine Waffenlieferungen beibehält oder dass Putins Herrschaft letztlich doch implodiert.
In jedem Szenario stehen am Ende Verhandlungen an. Die Frage ist jeweils nur, aus welcher Position sie dann geführt werden: aus einer Position der Stärke oder der Schwäche. Der frühere Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark sieht jedenfalls die Chance, dass eine Steigerung der westlichen Militärhilfe die Ukraine in die Lage versetzen kann, die russischen Truppen zu besiegen und aus der Ukraine zu vertreiben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Deutschland ist in der Realität angekommen