Stuttgart /Region. In Baden-Württemberg zählt das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart knapp 500 ungeklärte Tötungsdelikte. Darunter sind demnach 350 vollendete, ungeklärte Tötungsdelikte. In weiteren rund 100 Fällen gehe es um Menschen, die seit langer Zeit vermisst werden und bei denen der Verdacht bestehe, dass dahinter ein Tötungsdelikt stehen könnte. Laut dem LKA gibt es weiter rund 50 versuchte Tötungsdelikte, bei denen das Opfer zwar lebt, der Täter aber noch nicht gefunden ist.
Tötungsdelikte, in denen es keine Ermittlungsansätze mehr gibt, nennen Kriminalisten "Cold Cases", also "kalte Fälle". Folgende Fälle können die Ermittler seit Jahren nicht abschließen:
Maria Bögerl
Die Bankiersgattin wird im Mai 2010 aus ihrem Haus in Heidenheim entführt. Ein Unbekannter fordert 300 000 Euro Lösegeld - doch die Geldübergabe an einer Autobahn scheitert. Am 3. Juni wird Bögerl tot in einem Waldstück gefunden. Die Ermittler treten auch nach Massengentests, Fernsehfahndung und mehr als 10 000 gesammelten Spuren auf der Stelle.
Kriminalbeamte untersuchen im Juni 2010 bei Heidenheim-Nietheim (Baden-Württemberg) den Waldboden. Dort entdeckte ein Spaziergänger die Leiche von Maria Bögerl. Sie war zweifache Mutter und Frau eines Sparkassenchefs.
© dpaNun ist einer der bekanntesten ungeklärten Mordfälle Deutschlands vorerst zu den Akten gelegt. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Denn es konnte kein Täter gefunden werden. Doch die Beamten haben eine genetische Spur. Bei einem Treffer werden die Ermittlungen wieder aufgenommen.
Anja Aichele
Der Mord an der 17-jährigen Anja Aichele aus Stuttgart-Bad Cannstatt beschäftigt die Ermittler seit Jahrzehnten. Die Schülerin wird am Abend des 27. März 1987 auf dem Nachhauseweg erwürgt. Drei Zeugen geben an, sie hätten zu dieser Zeit einen Schrei im Weinberg gehört. Ihre Leiche wird drei Tage später gefunden - vergraben in einem Beet. 60 Ermittler sammeln mehr als 4000 Hinweise - ohne Erfolg. Im Jahr 2008 und 2012 werden zum Teil wegen neuer Spuren rund 1200 Männer getestet - ohne Ergebnis.
Sabine Hammerich
Die Neunjährige will ihrem Vater am 17. Juli 1985 Zigaretten holen. Der Automat steht keine 50 Meter vom Elternhaus im Stuttgarter Westen entfernt. Mehr als ein Jahr später wird bei Bamberg ein Skelett gefunden. Erst im August 1988 haben die Eltern die traurige Gewissheit: Ihre Tochter wurde entführt und umgebracht. Die Täter sind bis heute unbekannt.
Sabine Rahn
Die 18-Jährige verlässt am Abend des 11. März 1983 in Heidenheim ihr Elternhaus, um eine Freundin zu besuchen. Dort kommt sie nie an. Drei Tage später entdecken spielende Kinder ihre Leiche in einer Waldlichtung - vier Kilometer von ihrem Elternhaus entfernt. Die Ermittler gehen von einem Sexualverbrechen aus. Speichelproben bleiben ohne Ergebnis.
Rafael Blumenstock
Am 4. November 1990 finden Passanten auf dem Ulmer Münsterplatz die verstümmelte Leiche von Rafael Blumenstock. Die Täter töten den 28-Jährigen vor dem höchsten Kirchturm der Welt mit vielen Messerstichen und schneiden ihm die Nasenspitze ab. Heute ist am Tatort eine Gedenktafel in den Boden eingelassen.
Armani
Im Fall des achtjährigen Armani, der im Juli 2014 in Freiburg erwürgt in einem Bach gefunden wird, gibt es noch immer keine Spur zum Täter. Im Dezember 2015 wird die zwölfköpfige Ermittlungsgruppe aufgelöst. Sie war knapp 2300 Spuren nachgegangen. "Ja, der Fall ist weiterhin ungelöst. Er wird allerdings nicht unter "Cold Cases" geführt, da hierzu vereinzelt immer mal wieder Hinweise eingehen, welchen wir nachgehen. In diesem Zusammenhang werden dann auch gegebenenfalls weitere Spuren ausgewertet", sagte eine Polizeisprecherin.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/politik_artikel,-laender-von-boegerl-bis-armani-ungeklaerte-toetungsdelikte-in-baden-wuerttemberg-_arid,2115722.html