Mit einem filmreifen Fall neigt sich die zweite Staffel von „Verbrechen im Quadrat“, dem True-Crime-Podcast des „Mannheimer Morgen“ dem Ende zu. In zwei Folgen rollt Gerichtsreporterin Angela Boll einen Mordfall auf, der an Dramaturgie kaum zu überbieten ist. Eine Affäre, ein uneheliches Kind, zerrüttete Familienverhältnisse, jahrzehntelange Ermittlungen und ein Gärtner, der am Ende als Mörder entlarvt wird. Details der Polizeiarbeit in diesem außergewöhnlichen Verfahren gibt Kriminalhauptkommissar Jürgen Benz im ersten Teil preis. Er kennt die Einzelheiten, war bei der Aufklärung des Falls dabei und nimmt die Zuhörer von „Verbrechen im Quadrat“ mit in die Nacht im April 1990, als in der Mannheimer Neckarstadt drei Schüsse fallen.

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Ein Italiener kommt ums Leben, 51 Jahre war er alt und auf dem Weg zu seiner Arbeit. Benz berichtet: „Am Leichnam war auffällig, dass es zwei Schüsse in den Rücken gab und dass dem Mann noch mal in den Kopf geschossen wurde, als er schon am Boden lag.“ Sein Rückschluss: „Der Täter wollte konsequent die Tötung des Opfers vollziehen.“ Als wenige Tage später die Tatwaffe in einem Gebüsch entdeckt wird, ergeben sich weitere Hinweise auf einen Profikiller. „Die Pistole war aus mehreren Teilen zusammen gesetzt und mit einem Schalldämpfer ausgestattet.“ War es möglicherweise ein Mafia-Mord?
Brüder verraten die Schwester
Fast ein Jahr gehen die Ermittler jeder Spur nach, dann kommen sie nicht mehr weiter. Der Fall ruht. Erst 1993 nimmt das Ganze wieder Fahrt auf. Die Söhne des Ermordeten melden sich bei der Polizei und behaupten, dass deren Schwester hinter der Tat steckt. Mit dem Segen der Mutter habe sie einen Killer angeheuert. Das Motiv: Der Vater sei den Frauen gegenüber gewalttätig gewesen. Tatsächlich bestätigt die Schwester in einer ersten Vernehmung die Vorwürfe, zieht das Geständnis aber vor dem Haftrichter zurück – und bleibt auf freien Fuß. Denn: Es fehlen die Beweise. „Wir saßen wieder in der Sackgasse“, berichtet Benz.
Mit stockenden Verfahren und zähen Ermittlungen kennt sich Kriminaloberrat Volker Zaiß aus. Auch er kommt bei „Verbrechen im Quadrat“ zu Wort, denn er leitet im Landeskriminalamt die Abteilung für Cold Cases (zu deutsch: kalte Fälle – nicht aufgeklärte Verfahren). Mehr als 500 Tötungsdelikte oder Vermisstenfälle waren das in den vergangenen 20 Jahren nur in Baden-Württemberg. Zaiß und sein Team steigen ein, wenn es plötzlich neue Hinweise gibt und die alten Akten wieder ausgepackt werden.
Liebesnacht als einziger Beweis
Auch im Fall des toten Italieners gab es 2006, also 16 Jahre nach dem Mord, plötzlich einen neuen Zeugen. Ein Mann, der lange nach der Tat ein Verhältnis mit der Tochter des Getöteten hatte. Er tischt den Beamten eine schier unglaubliche Geschichte auf: Seine Geliebte habe im Schlaf über ihren toten Vater geredet und gerufen: „Ich war’s nicht!“. Weil er geahnt habe, dass etwas Wahres dahinterstecken könnte, habe er wochenlang seine Liebste über den Traum ausgequetscht – und tatsächlich alles erfahren. Eben, dass sie einen Killer beauftragte, dass sie ihm dafür eine Liebesnacht versprochen und ihm 80 000 Euro übergeben habe. Der Zeuge erzählt auch, dass die Mutter das Geld für den Killer bereitstellte. Und er liefert noch einen Hinweis, den Benz als „den allergrößten Hammer“ bezeichnet: Der jüngste Sohn der Frau soll ein Kind des Killers sein, gezeugt in der versprochenen Liebesnacht. Auf Hochtouren laufen die Ermittlungen nun wieder an, denn bald steht durch eine DNA-Analyse fest, dass der jüngste Sohn der Tochter tatsächlich nicht aus ihrer damaligen Ehe stammen kann. Aber wo ist der ehemalige Geliebte, der Gärtner, der mutmaßliche Killer?
Die Gäste
Kriminalhauptkommissar Jürgen Benz arbeitet seit 35 Jahren bei der Polizei.
1993 startete er seine Karriere bei der Kriminalpolizei, seit 2003 ist er bei der Mordkommission.
Kriminaloberrat Volker Zaiß arbeitet beim Landeskriminalamt.
Im Kriminaltechnischen Institut leitet er die Abteilung für Cold Cases, eine zentrale Stelle für noch ungelöste Fälle.
Reinhard Hofmann war bis 2020 Oberstaatsanwalt.
Sechs Jahre seiner beruflichen Tätigkeit widmete er dem Flowtex-Skandal (Folge 3 bei „Verbrechen im Quadrat“).
Rasmus Förster ist Diplom-Biologe am Landeskriminalamt in Stuttgart.
Der Experte für DNA-Analyse leitet den Fachbereich Molekulargenetische Untersuchungen am Kriminaltechnischen Institut.
Immer wieder hoffen die Beamten, dass er seine DNA irgendwo hinterlässt und man ihm über die DNA des Sohnes identifizieren kann. Aber der Erfolg bleibt aus. Erst 2010 – und im zweiten Teil der aktuellen Podcast-Folge – rücken die Beamten über einen DNA-Treffer dem Verdächtigen auf die Pelle. Aktuelle Ermittlungen wegen mutmaßlicher Geldfälschung und die erkennungsdienstliche Behandlung in diesem Zusammenhang überführen ihn. Oberstaatsanwalt Reinhard Hofmann erzählt im Gespräch mit Angela Boll, wie man den Mann aufspürte, ihn von einem Vaterschaftsgutachten überzeugen und zugleich hoffen musste, dass er nicht abhaut. Diplom-Biologe Rasmus Förster vom Landeskriminalamt gilt als Experte auf dem Gebiet der DNA-Analyse. Im Podcast erklärt er, wie das Verfahren funktioniert, was er ermitteln darf und wie viele Datensätze in der Datenanalysedatei gesichert sind.
Letztlich bleibt das Vaterschaftsgutachten der entscheidente Beweis, der sowohl die Tochter als auch den Gärtner vor Gericht bringt. 20 Jahre nach der Affäre trifft sich das ehemalige Liebespaar im Mannheimer Landgericht wieder. Auch der gemeinsame Sohn tritt als Zeuge auf und sieht zum ersten Mal seinen leiblichen Vater. Den Killer seines Opas.
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