Heidelberg. Der gute alte Rußpinsel hat keineswegs ausgedient. Je mehr die Mitarbeiterin der Kriminaltechnik über die Kaffeetasse pinselt, desto mehr Fingerabdrücke werden sichtbar. Kein Wunder: Der Reporter dieser Zeitung hat die Tasse intensiv in die Hand genommen - um solche „daktyloskopischen Spuren“, also Fingerabdrücke, zu hinterlassen.
Nach genauem Studium der Spuren meint sie: „Sie sind aber kein guter Spurenleger.“ An einer oder vielleicht zwei kleinen Stellen gibt es halbwegs brauchbare Fingerabdrücke. „Keine Sorge, mit der DNA hätten wir sie gehabt“, sagt Steffen Michler, stellvertretender Leiter der Kriminaltechnik im Polizeipräsidium Mannheim. Denn die Fachleute haben noch eine ganze Reihe mehr Instrumente und Verfahren in ihrem Besteckkasten, um herauszufinden, wer sich an einem Tatort aufgehalten hat. Ein Ortstermin in der neuen Unterkunft in der Heidelberger Römerstraße gibt einen kleinen Einblick.
Wie realistisch ist die Tatortarbeit im TV?
Die Arbeit ist weitaus komplexer, als das in den Fernsehkrimis gewöhnlich dargestellt wird. Da rufen Lena Odenthal oder ihr Stuttgarter Kollege Thorsten Lannert im Computer den Fingerabdruck des Verdächtigen auf und schon erscheint dieser mit Bild und kompletter Datei auf dem Bildschirm. „So funktioniert das in der Wirklichkeit nicht“, winkt Michler ab. Da gibt es bei der Polizei zunächst mal die strikte Trennung der Zuständigkeit: Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sichern die Spuren, die Auswertung findet dann ausschließlich beim Landeskriminalamt und dem dort angesiedelten kriminaltechnischen Institut statt.
Die Spurensicherung
- Die Kriminaltechnik des Polizeipräsidiums Mannheim ist seit dem Frühjahr in einem renovierten Bestandsgebäude der Heidelberger Campbell-Barracks untergebracht.
- Hier arbeiten 47 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und sorgen für die Spurensicherung an Tatorten in Mannheim, Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis – egal, ob es sich um Wohnungseinbrüche oder Kapitalverbrechen handelt.
Die Spurensicherung ist ein aufwendiges Geschäft. „Es gibt Tatorte, da sind wir wochenlang beschäftigt“, betont Steffen Michler. Das geht bei weitem nicht so schnell wie im Fernsehkrimi. Die Arbeit vor Ort beginnt, sobald die Kripo oder Schutzpolizei den Auftrag erteilt. Dann startet der Einsatz in den bekannten Einmalanzügen. Bei komplexen Spurenlagen arbeite man auch mit Mundschutz und Haarhaube, um den Tatort möglichst wenig mit fremden Spuren zu kontaminieren. „Der Mensch verliert pro Tag rund 40 000 Hautschuppen“, erläutert Michler. Und alle tragen die DNA des Besitzers.
Blutverschmiertes Messer neben Leiche
Zunächst werde der Tatort gemeinsam mit den ermittelnden Kolleginnen und Kollegen in Augenschein genommen. Wie könnte die Tat passiert sein? Welche Gegenstände haben die Täter bewegt, in die Hand genommen. An welcher Stelle haben sie ihre Spuren hinterlassen? „Wenn neben einer Leiche ein blutverschmiertes Messer liegt, dann ist das zum Beispiel hochrelevant“, beschreibt der Kriminaltechniker.
Dann werden alle potenziell wichtigen Gegenstände markiert, ihre Lage fotografiert und dokumentiert. Am Ende werden sie dann eingesammelt und - je nach Gegenstand - fachlich so verpackt, dass die Spuren erhalten bleiben. Es ist beispielsweise Unsinn, wie es in Fernsehkrimis immer wieder dargestellt werde: Blutverschmierte Tatwerkzeuge werden dort in Plastiktüten verpackt. „Die fangen ganz schnell an zu schimmeln. Und dann sind die Spuren nicht mehr zu gebrauchen“, winkt Michler ab. Deswegen hat die Kriminaltechnik eine ganze Palette an unterschiedlichen Verpackungsmaterialien dabei.
Im Labor der Kriminaltechnik werden die Spuren dann unter die Lupe genommen. Hier findet die klassische Spurensicherung statt. Gesucht wird nach Fingerabdrücken, Fasern und Blutspuren, die die DNA des Täters enthalten können. „Die Palette ist vielfältig“, sagt Steffen Michler. Und selbst wenn der Täter Handschuhe getragen hat, können die Experten im Idealfall erkennen, welche Art von Handschuhen im Spiel gewesen sind.
Es gibt im Labor einen Feuchtigkeitsschrank, um Spuren auf sogenannte saugende Spurenträgern, also Papier und Briefumschlägen, sichtbar zu machen. Das Rußpulver zeigt die Fingerabdrücke. Es gibt sogar eine Halle, in der Tatfahrzeuge genau auf Spuren untersucht werden können.
Jedes Asservat muss erfasst und gekennzeichnet werden. Wenn es sich um einen komplexen Spurenträgerhandelt, etwa eine Schusswaffe, dann wird die gleich weiter nach Stuttgart geschickt. In der dortigen Kriminaltechnik wird noch genauer untersucht, was später vor Gericht eine Bedeutung haben kann.
Besucher müssen DNA abgeben
Um Spuren auch nicht nachträglich zu vermischen, ist die Kriminaltechnik so organisiert, dass sich die Laufwege von Tätern und Opfern nicht überschneiden, sollten sie vor Ort kommen müssen. Ohnehin wird penibel genau drauf geschaut, wer hier im Gebäude seine Spuren hinterlässt. So dürfen externe Besucher nur eintreten, wenn sie einen Mundabstrich mit ihrer DNA hinterlassen.
Wie wichtig eine zuordenbare Spurenlage ist, zeigt die Jagd nach dem Phantom von Heilbronn in den Jahren 2007 bis 2009, die seitdem die Abgabe einer DNA-Probe aller Besucher der kriminaltechnischen Labors erfordert. Am Tatort des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter war die DNA einer unbekannten Frau aufgetaucht. Und nicht nur dort, sondern an 40 weiteren Tatorten. Die Ermittler vermuteten eine überregional aktive, schwerstkriminelle, kaltblütige Täterin. Es wurde sogar eine Belohnung von 300 000 Euro ausgelobt. Erst zwei Jahre nach der Tat stellte sich heraus, dass die bei der Spurensicherung verwendeten Wattestäbchen verunreinigt waren - von einer Verpackungsmitarbeiterin des Herstellers.
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