Demonstrationen

Polizei und Letzte Generation: Braucht es mehr Dialog?

Zuletzt gab es große Kritik am Besuch von Aktivisten an der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen. Ein Mitglied der Letzten Generation und eine Polizistin erklären, warum ein Austausch dennoch Sinn machen kann

Von 
Christine Bilger
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Wenn sich Klimaaktivisten wie hier in Mannheim an der Straße festkleben, muss die Polizei anrücken. Das kann für Spannungen zwischen beiden Gruppen sorgen. © Michael Ruffler

Stuttgart/Mannheim. Die jüngsten Ereignisse rund um Proteste der Klimaschützergruppe Letzte Generation haben auch die Diskussion angestoßen, ob Polizei und Aktivisten öfter den Dialog suchen sollten. Unter anderem war vor ein paar Tagen ein Video viral gegangen, auf dem zu sehen ist, wie eine Aktivistin in Mannheim bei einer Blockade Pflanzenöl über den Kopf und ins Genick geschüttet bekam. Auch wurde ein Mann festgenommen, der Blockierende tätlich angriff, schlug und trat. Ein Zwischenfall, den mehrere Polizeidienststellen via Social Media verurteilten.

Besuch der Letzten Generation bei der Polizeihochschule

In Baden-Württemberg kam es im späten Frühjahr zu einem Austausch zwischen Polizei und der Letzten Generation. Der erntete viel Kritik, als er öffentlich wurde. An der Polizeihochschule in Villingen-Schwenningen referierten Aktivistinnen und Aktivisten im Rahmen des Studium Generale über ihre Anliegen und demonstrierten auch ihre Methoden - inklusive Sitzblockade-Nachstellen auf der Bühne des Hörsaals.

Guntram Lottmann, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, sagte, man dürfe einer Gruppierung, die zu Straftaten aufrufe, kein Forum bieten. Die FDP-Landtagsabgeordnete Julia Goll war der Meinung, die Einladung sei „dubios und für die Öffentlichkeit schwer nachvollziehbar“. Die Geschichte brachte sogar dem Innenminister Thomas Strobl (CDU) eine Anzeige wegen der „Billigung und Belohnung von Straftaten“ ein.

Der kann aber wohl nichts dafür. Denn das Grundgesetz garantiert den Schutz der Freiheit von Lehre und Forschung. Deswegen unterlägen auch Veranstaltungen der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg, die dort im Rahmen des wissenschaftlichen Auftrages organisiert würden, keinem Genehmigungsvorbehalt durch das Innenministerium. Mit anderen Worten: Die Politik darf sich in die Lehre und Forschung nicht einmischen.

Dementsprechend sei die „Hausspitze“ des Ministeriums auch nicht im Vorfeld informiert worden, teilt eine Sprecherin des Ministeriums mit. Weiter heißt es in der Einordnung des Innenministeriums: „Innerhalb der Lehre betrifft dies vor allem das richtige strategische und taktische Vorgehen bei Blockadeaktionen, die korrekte versammlungsrechtliche Bewertung der Handlungen, psychologisch/ethische Problemstellungen sowie die politikwissenschaftliche Einordnung.“

Innenminister Thomas Strobl respektiere die Freiheit der Lehre. Er habe jedoch „im Umgang mit Klimaklebern der Letzten Generation immer eine glasklare, harte und unmissverständliche Linie: Straftaten werden in Baden-Württemberg konsequent und hart verfolgt.“ Die Aktionen des Bündnisses würden die Polizei in besonderem Maße herausfordern.

Polizeihochschule: Auftritt war keine Werbeveranstaltung 

Ein Sprecher der Hochschule betont, es habe sich bei dem Vortrag um „ eine fächerübergreifende Lehrveranstaltung (mitunter Politische Bildung, Versammlungsrecht, Einsatzlehre) ausschließlich für Studierende im Rahmen des Studiums an der Hochschule“ gehandelt. Dabei sei es um „eine begleitete, reflektierte und professionelle Auseinandersetzung im Diskurs mit diesem aktuellen Thema im Rahmen der Hochschullehre“ gegangen. Die Studierenden hätten eine Vielzahl kritischer Fragen geäußert und kritische Statements zu dem Vortrag der Aktivistinnen und Aktivisten abgegeben. Keinesfalls sei der Auftritt eine Werbeveranstaltung für die Gruppe gewesen. Man habe in Folgeveranstaltungen die Erkenntnisse diskutiert. Die Teilnahme an der Veranstaltung des Studium Generale sei freiwillig gewesen.

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Eine, die sich sehr für den Dialog zwischen der Klimaschutz-Gruppe und der Polizei einsetzt, ist die Polizistin Chiara Malz. Sie ist aus Überzeugung bei der Letzten Generation dabei. Aufgrund ihres Berufs beteilige sie sich nicht an Aktionen und deren Vorbereitung. „Wir gehen nicht an die Hochschulen, um dort Werbeveranstaltungen abzuhalten“, betont sie. Die Aktivistinnen und Aktivisten wollten vielmehr darüber reden, „welche Legitimation ziviler Widerstand hat und welche Fortschritte dadurch in der Geschichte des Menschen schon erreicht wurden, und wie gleichzeitig die Polizei die Legalität, den Rechtsstaat verkörpert. Wir tauschen uns darüber aus, wo Legalität und Legitimität zusammen gehen, wo die Grenzen sind und warum beides wichtig für eine Demokratie ist“, sagt sie im Gespräch mit unserer Redaktion. Es sei eine Fehleinschätzung, dass sich Gegner gegenüberstünden, wenn die Polizei komme um Blockaden aufzulösen. „Eine Konfrontation seitens der Unterstützerinnen und der Unterstützer der Letzten Generation mit der Polizei gibt es nicht“, betont Chiara Malz. „Der Protest richtet sich an die Bundesregierung.“

Letzte Generation äußert Verständnis für die Polizei

Grundsätzlich seien der Letzten Generation drei Punkte wichtig: Erstens stünde ein Frage der Akzeptanz im Raume: Man könne für den Rechtsstaat einstehen und zivilen Widerstand leisten. Zweitens betont die Beamtin: „Der Alltag einiger Polizistinnen und Polizisten ist aktuell stark von den Protesten der Letzten Generation geprägt. Das tut uns leid.“ Mit den Diskussionen an Hochschulen wolle die Gruppe daher auch „auflösen, dass wir nicht gegen die Polizei sind.“ Drittens ist es ihr wichtig zu betonen, dass der Name „Letzte Generation“ oft falsch verstanden werde. Sie seien nicht verzweifelt. Sondern „mutig und entschlossen dazu, den Alarmknopf zu drücken und alle Menschen unserer Gesellschaft zusammenzuholen, um uns für eine lebenswerte Zukunft einzusetzen. Dafür schlagen wir die Einberufung eines Gesellschaftsrates vor.“

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