"Letzte Generation"

Polizeieinsatz bei Klimaprotest in Mannheim: So steht's um die Aufarbeitung des Öl-Vorfalls

Seit sieben Tagen wird in Mannheim und der Region hitzig über die Straßenblockaden der "Letzten Generation" diskutiert - auch wegen der Öl-Attacke einer Polizistin. Eine Bestandsaufnahme eine Woche nach dem Vorfall

Von 
Florian Karlein
Lesedauer: 
Eine Aktivistin der Letzten Generation in Mannheim wird von Polizisten weggetragen. © Michael Ruffler

Mannheim. Genau eine Woche ist es her, dass sich Mitglieder der „Letzten Generation“ auf die Fahrbahn der Konrad-Adenauer-Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen geklebt haben. Sieben Tage, in denen hitzig diskutiert wird - über die Blockaden der Umweltbewegung generell und über das Verhalten einer Polizistin, die einer Aktivistin Pflanzenöl über Kopf und Nacken geschüttet hat. Das ist seitdem passiert.

Hat das Polizeipräsidium die Überprüfung des Falls beendet?

Offiziell nicht. Mehrere Fragen dieser Redaktion zum Öl-Vorfall hat das Polizeipräsidium noch nicht beantwortet. Ein Sprecher verweist darauf, dass die „strafrechtliche und disziplinarische Bewertung noch nicht abgeschlossen“ sei.

War das Überschütten mit Öl ein Fehlverhalten der Polizistin?

Offiziell sagen auch das weder das Polizeipräsidium noch die Staatsanwaltschaft Mannheim, die ebenfalls Vorermittlungen eingeleitet hat. Die Ermittlungen schließen auch die Vorwürfe der „Letzten Generation“ bezüglich Leibesvisitationen bei den festgenommen Aktivistinnen und Aktivisten ein. „Die Aktion war nicht glücklich“, sagt der Mannheimer Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Thomas Mohr. „Die Kollegin hat im Nachhinein sicher gemerkt, dass das nicht professionell war.“

Welche Konsequenzen drohen der Polizistin?

Mohr glaubt, dass der Vorfall keine große Rechtsfolge hat. Er sieht in dem Übergießen mit dem Pflanzenöl, das zum Lösen der festgeklebten Hände benutzt wird, eine Sachbeschädigung der Kleidung. Polizei und „Letzte Generation“ hatten zudem bestätigt, dass die Polizistin nicht angezeigt wurde. Mohr rechnet damit, dass das Präsidium ein „pflichtermahnendes Gespräch“ mit der Polizistin führen werde. In sozialen Medien sei sie Beleidigungen ausgesetzt. In diesen Fällen wird das Polizeipräsidium Strafantrag stellen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Wie sieht Polizeipräsident Siegfried Kollmar den Einsatz?

Er stärke, wird Kollmar in einer Pressemitteilung am Freitag zitiert, den Polizistinnen und Polizisten „ausdrücklich den Rücken“, weil sie sich tagtäglich für die Bürgerinnen und Bürger engagierten. Bei den Blockaden der „Letzten Generation“ hätten die Beamtinnen und Beamten „bislang stets verhältnismäßig, konsequent und korrekt“ gehandelt. Allerdings lässt ein Satz Raum für Interpretationen: „Wenn eine Beamtin in einem Einzelfall gegen diese Richtlinie verstößt, dann bleibt dies nicht ohne Überprüfung.“ Die Überprüfung läuft derzeit - heißt das also, Kollmar sieht ein Fehlverhalten der Polizistin? Eine entsprechende Nachfrage dieser Redaktion blieb bislang unbeantwortet.

Was sagen Staatsanwaltschaft und Innenministerium?

Die Staatsanwaltschaft will die Ermittlungsergebnisse des Polizeipräsidiums abwarten, heißt es auf Anfrage. Erst dann könne geprüft werden, ob überhaupt und wegen welcher Vorwürfe ein Ermittlungsverfahren gegen die Polizistin eingeleitet werden müsse. Ähnliche Auskunft erteilt das Innenministerium, das nicht in die Ermittlungen eingebunden ist. Allerdings lasse sich das Landespolizeipräsidium „regelmäßig berichten“, sagt eine Sprecherin.

Polizisten lösen die festgeklebten Aktivisten der "Letzten Generation" in Mannheim von der Straße. © Michael Ruffler

War die Demonstration der „Letzten Generation“ angemeldet?

Nein - und das sind sie nie, sonst könnten sich die Aktivistinnen und Aktivisten nicht auf der Fahrbahn festkleben. Das bestätigt neben der Polizei auch die Mannheimer Stadtverwaltung. Deren Versammlungsbehörde sei demnach am Samstag erst durch die Polizei informiert worden, als die Blockade der Brücke gerade begonnen hatte. „Da massive Verkehrsstörungen zu erwarten waren, wurden stationäre Alternativen angeboten, die allerdings von den Demonstrierenden abgelehnt wurden“, teilt eine Sprecherin mit.

Stichwort Leibesvisitationen: Welche Vorwürfe gibt es da?

Am Mittwoch veröffentlichte die „Letzte Generation“ Statements von drei Aktivistinnen, in denen sie deutliche Kritik an den Leibesvisitationen auf dem Präsidium durch die Beamtin äußerten. So beschreibt eine Frau die Durchsuchung, die beinahe bei geöffneter Tür durchgeführt worden sei, als „demütigend, wortkarg und hämisch“. Eine andere, die laut ihrer Schilderung im Flur ihr Kleid ausziehen musste, kommentiert: „entwürdigend“. Und wiederum eine andere Aktivistin kritisiert, dass sie grundlos ohne Hose und nur im Slip in der Zelle hätte sitzen müssen.

Ein Aktivist und eine Aktivistin der „Letzten Generation“ kleben ihre Hände auf die Konrad-Adenauer-Brücke. © Michael Ruffler

War der Gewahrsam überhaupt gerechtfertigt?

Ja, so schätzt Rechtsexperte und Strafrecht-Professor Matthias Jahn von der Goethe-Universität Frankfurt das ein. Die Polizei dürfte den „Anfangsverdacht einer Nötigung anderer Straßenverkehrsteilnehmer gesehen haben“.

Und die durchgeführten Leibesvisitationen?

Werden Menschen von der Polizei in Gewahrsam genommen, werden sie „grundsätzlich durchsucht“, erklärt das Innenministerium auf Anfrage. Ablauf und Durchführung hingen von den Umständen des Einzelfalls ab. Gründe für Leibesvisitationen gebe es einige - etwa, um gefährliche Gegenstände und Beweismittel sicherzustellen oder Ausweispapiere zu finden. Dass Leibesvisitationen bei Ingewahrsamnahmen üblich sind und immer durchgeführt werden, bestätigen mehrere Polizisten im Gespräch mit dieser Redaktion. Darunter Gewerkschafter Mohr: „Das ist nicht außergewöhnlich.“

Mehr zum Thema

Kommentar Zum Verhältnis von Polizei und "Letzter Generation": Unnötiges Öl im Feuer

Veröffentlicht
Kommentar von
Florian Karlein
Mehr erfahren
Protest

Ölattacke auf Klimaaktivistin: Das sagt der Polizeipräsident zu den Vorwürfen

Veröffentlicht
Von
Esther Lehnardt und Florian Karlein
Mehr erfahren

Auch, dass den Menschen Kleidung abgenommen wird?

Ja, so Mohr. Es gehe darum, dass sich die Polizisten mit dieser Maßnahme zum einen selbst, zum anderen aber auch die Person in Gewahrsam schützen. Es werde alles abgenommen, mit dem sie sich verletzen oder töten könnten - dazu zähle auch eine Hose mit Schnürbändel. Abgeben, das ergänzt das Innenministerium, müssten Menschen im Gewahrsam auch Mittel, die „für einen Ausbruch“ oder „zum Austausch von Informationen geeignet erscheinen“. Die Polizei behalte die Gegenstände so lange ein, wie die „Freiheitsentziehung“ dauert, so eine Ministeriumssprecherin.

Verschärft sich das Verhältnis von Polizei und „Protestlern?

Nein, antwortet das Innenministerium knapp. Ja, sagt dagegen Thomas Mohr. Und Polizeipräsident Kollmar kündigt an, auch künftig „konsequent einzuschreiten“ bei Protestaktionen, die sich „außerhalb des rechtlichen Rahmens bewegen“.

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen